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Auf dem Sommer-Camp der AA / BO kündigte sich ein Strategie-Wechsel an

"Organisierung ja oder nein, das ist nicht mehr die Frage", stellte eine Vertreterin der Autonomen Antifa (M) aus Göttingen fest. Doch auf der Jugendburg Ludwigstein kündigte sich ein neuer Stil ihrer Gruppe in dieser Frage an. "Wir wollen mit dem Camp statt dessen ein Forum für weitere Fragen antifaschistischer Theorie und Praxis anbieten. Mit dem Ziel, eine Einschätzung autonomer antifaschistischer und antirassistischer Strukturen und Optionen vorzunehmen, um die Frage der Organisierung besser zu beanworten."

Über 450 Menschen nahmen an dem von der Antifaschistischen Aktion / Bundesweite Organisation (AA / BO) initiierten Antifaschistischen Camp auf der Jugendburg Ludwigstein bei Witzenhausen teil. Vom 2. bis 5. Juli diskutierten die TeilnehmerInnen, die aus unterschiedlichen antifaschistischen Strukturen kamen, unter dem Motto "... noch ein Satz! Organisiert den revolutionären Widerstand!".

Keine reine BO-Veranstaltung sollte das Camp werden: Angeboten waren über 30 Arbeitsgruppen und Veranstaltungen, die nicht nur von den zehn BO-Gruppen organisiert waren. "Wir haben versucht, sowohl die Themen der Antifa-Bewegung als auch die der AA/BO im Programm aufzugreifen", erklärten die InitiatorInnen.

Eine grundlegende Kritik, wie sie in Kreisen der BO eher ungern gehört wird, brachte die Antinationale Gruppe Leipzig in der AG "Ohne Antisemitismus kein Nationalsozialismus" ein. Die LeipzigerInnen plädierten für einen Abschied der Linken von der Vorstellung, sie habe das Monopol auf antikapitalistische Positionen. Wer den Holocaust lediglich ökonomistisch herleite, blende das affirmative Verhalten der Bevölkerung aus und komme so auch zu falschen Analysen über die Tätergeneration. Eine Position, die bei den häufig an traditionalistischen Politikkonzepten orientierten AA/BO-Gruppen natürlich nicht unbedingt auf Zustimmung stoßen. Zudem verwiesen die TeilnehmerInnen der Veranstaltung die positiv wie negativ als "Provokateure" angesehenen Antinationalen darauf, daß es gerade Gruppen wie die "massenorientierte" VVN gewesen seien, die die Auseinandersetzungen mit dem Faschismus forciert hätten.

Themen, die man in der AA/BO für zentral hält, präsentierten die VeranstalterInnen indessen in vier "Hauptreferaten". So krititisierten ReferentInnen aus Berlin während der Veranstaltung "Der Kampf um Befreiung ist international!" die Mythenbildung in der internationalistischen Praxis, vom Spanischen Bürgerkrieg bis hin zu den lateinamerikanischen oder kurdischen Befreiungskämpfen. Es dürfe nicht darum gehen, Solidaritätsarbeit für, sondern einen gemeinsamen Kampf mit den Befreiungsbewegungen im Trikont zu führen. Zudem müsse die deutsche Linke der Situation Rechnung tragen, daß sich sehr viele "nicht-deutsche" Menschen hier aufhielten und organisierten. Wie aber die empfohlene kritische Solidarität etwa mit den nationalistischen Tendenzen einzelner Befreiungsbewegungen aussehen könnte, wurde nicht diskutiert.

Auch eine Selbstreflexion durfte nicht fehlen. So analysierte der Referent der Autonomen Antifa (M) die Politik der AA/BO sowie die der Antifa-Bewegung insgesamt. Diskret relativierte er selbstgesteckte Ziele der AA/BO: "Eine Organisation im klassischen Sinne, mit ausgearbeitetem Programm, in die kontinuierlich Gruppen einzubinden sind (...) halten wir derzeit für unrealistisch". Allenfalls könne man sich viel mehr auf Eckpunkte, auf grobe Thesen, einigen. Und auch die Einbindung müsse "locker" verstanden werden.

Obwohl diese Analyse für die AA/BO so neu ist wie die daraus zu ziehenden Konsequenzen, wurde in der Diskussion kaum widersprochen. Auch nicht dem Fazit, daß "die Sammlung aller linksradikalen aktiven Gruppen und Einzelpersonen zur Überwindung der gesellschaftlichen Isolation, zum Erlangen politischer Handlungsfähigkeit vorderstes Ziel" sei.

Kritischer diskutierten die TeilnehmerInnen Fred Müllers Darstellung zum "Historischen Antifaschistischen Kampf". Er hatte, ohne zu glorifizieren, seine eigenen Erfahrungen als Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus wie gegen den spanischen Faschismus skizziert, außerdem seine Erlebnisse in der Illegalität während der fünfziger Jahre. So sehr die offene Benennung von Fehlern gefiel, so sehr mißfiel die marxistische Kritik an den AnarchistInnen im Spanischen Bürgerkrieg. Einig war man sich allerdings darin, daß es kaum Verbindungen zwischen "alten" und "neuen" AntifaschistInnen gibt, daß es aber wichtig sei, solche Verbindungen aufzubauen.

"Der offene Charakter des Antifa-Camps ermöglichte mehr Reflexion und Diskussion für alle Beteiligten", resümierte die Vertreterin der Autonomen Antifa (M) die vier Tage. "Wir hatten es uns so vorgestellt; und die Rückmeldungen sind bisher auch alle sehr positiv." Eine Korrektur der Strategie der AA/BO scheint sich anzukündigen.