»25 Anhörungen pro Woche«

Ein Entscheider des BAFl über den Alltag in seiner Behörde

Wer im Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (BAFl) arbeitet, will zwar in der Regel alles wissen, mag aber nicht alles sagen, will er seinen Job nicht verlieren. Deswegen bleibt unser Interviewpartner auch anonym.

Wie lange arbeiten Sie bereits als Entscheider?

Seit mehr als fünf Jahren.

Welche Ausbildung haben Sie?

Volljurist.

Wie viele Anhörungen führen Sie wöchentlich durch?

In der Spitze bis zu 25 Anhörungen pro Woche.

Nach welchen Kriterien wird entschieden?

In erster Linie werden schnelle Entscheidungen gewünscht, die Qualität der Entscheidung spielt grundsätzlich keine Rolle. Eine Ausnahme ist es, wenn der Fall durch den Rechtsanwalt des Antragstellers oder durch Einschaltung bestimmter Organisationen Außenwirkung bekommt.

Wie wird von Vorgesetzten Druck auf die Entscheider ausgeübt?

Dadurch, daß alle Anerkennungen vor der Zustellung dem Referatsleiter vorgelegt werden müssen. Zudem wird auf sogenannten Einzelentscheider-Besprechungen nur über die Rechtsprechung informiert, die sich zu Lasten der Antragsteller geändert hat. Die Entscheider werden auch unter Druck gesetzt, weil sie immer wieder aufgefordert werden, möglichst viel und möglichst schnell zu entscheiden. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Vorbringen ist weder gewünscht noch machbar. Insbesondere dann nicht, wenn Entscheider pro Monat Anträge von Antragstellern aus mehr als 20 unterschiedlichen Herkunftsländern bearbeiten.

Was passiert, wenn Entscheider gegen den Willen des Vorgesetzten auf ihrer Entscheidung beharren?

Ich wurde nach Vorlage eines Anerkennungsbescheides "gebeten", eine erneute Anhörung durchzuführen.

Gibt es eine zu erfüllende Ablehnungsquote?

Offiziell natürlich nicht. Die Haltung der Führung des Bundesamtes und die Haltung der mittleren Führungschargen sind jedoch darauf gerichtet, die Entscheider in der Weise zu beeinflussen, daß sie eine möglichst restriktive Haltung gegenüber dem Antragsteller einnehmen und Ablehnungen produzieren. Zum Beispiel werden alle Entscheidungen statistisch erfaßt. Sollte die Statistik ergeben, daß in einer Außenstelle des Bundesamtes Antragsteller aus einem bestimmten Herkunftsland häufiger anerkannt werden, als in einer anderen Außenstelle, wird mit diesen Entscheidern "das Gespräch gesucht". Man wird darauf hingewiesen, die eigene Spruchpraxis im Hinblick auf die Einheitlichkeit der Spruchpraxis des BAFl zu überdenken.

Wie äußert sich Voreingenommenheit bei Entscheidern?

Es gibt eine ganze Reihe von Kollegen, die jeden Antragsteller als persönlichen Angreifer erleben. Das Schlimme ist dabei, daß sich diese Kollegen grundsätzlich gedeckt wissen von den mittleren und oberen Führungschargen. Selbst wenn der Antragsteller im Bescheid beleidigt oder diffamiert werden sollte, findet die Amtsspitze irgendeine Rechtfertigung.