Ein bißchen Karriere: Otto Schily

Auf der sicheren Seite

Was einen Karrieristen treibt, sich jahrzehntelang den Arsch aufzureißen bzw. plattzusitzen, um nicht als Unter-, sondern als Obergerichtsvollzieher in Pension zu gehen, ist schwer verständlich. Was Otto Schily trieb, sich in der grünen Partei mit den Ebermännern zu schlagen, um doch im SPD-Ortsverein Unterhaching zu landen, von dort aus aber einen erneuten und schließlich erfolgreichen Angriff aufs Bundesinnenministerium zu unternehmen, verrät das Munzinger Archiv.

Schily arbeitete 57 Jahre lang an der Bewältigung eines Kindheitstraumas: "Zur prägenden Erinnerung wurde für den jungen Sch., daß Hitlers Schergen 1941 im Haus seiner Eltern, die Anthroposophen waren, Bücher beschlagnahmten." So etwas durfte nie, nie wieder geschehen, jedenfalls nicht im Hause Schily. Nun ist er endlich auf der sicheren Seite.

Wie aber machen wir im Falle, Schilys Beamte kommen, einem Vierjährigen klar, daß diese die Guten sind und Mama und Papa die Bösen? Eher schon könnte man ihm beibiegen, daß er auch im Kinderzimmer nicht "Fuck!" sagen darf, denn Onkel Otto hört alles.

"Karriere: In Berlin eröffnete Sch. 1963 eine Anwaltspraxis. Er war politisch engagiert - den SDS hatte ihm seine damalige Frau nahegebracht, Freundschaften mit Rudi Dutschke und Horst Mahler folgten." Seltsame Karrieren: Während Schily das Innenministerium übernimmt, treibt Mahler von Hegel inspirierte Esoterik und entdeckt eine neue Sorte Gutmenschen - den Auschwitzleugner, der ja, indem er das Böse leugnet, nur beweise, daß ihm am Guten gelegen sei. Was aus Rudi Dutschke geworden wäre, möchte man sich lieber nicht ausmalen.

Weil Schily im beständigen Kontakt zum Übersinnlichen aufwuchs, gibt es in seinen heutigen Reden manch schwer verständliche dunkle Stelle: "Jede begangene Mordtat birgt die Gefahr der Wiederholung in sich." Demnächst also wird er, um "den Kälteschatten des Todes der mörderischen Wahnideen der RAF zu durchbrechen", die Gräber Schleyers und Rohwedders von der GSG 9 bewachen lassen.

In den späten achtziger Jahren debattierte man in der grünen Partei noch immer über die Gewaltfrage. Auch von der "Gewalt gegen Sachen" habe man sich zu distanzieren, verlangten die Realos um Otto Schily - obwohl er doch wissen mußte, daß der Tatbestand unter Juristen schlicht "Sachbeschädigung" heißt. "Hier wird so getan, als sei der Staat immer der andere", sagte er damals und ahnte wohl schon, daß der Staat sich eines Tages in Otto Schily inkarnieren würde.

Würde Otto Schily selbst, was der liebe Gott der Anthroposophen verhindern möge, das Opfer einer Mordtat, so stünde auf seinem Grabstein wohl: "Es ist bekannt, daß der SPD die Verfassungsänderung gewiß nicht leichtfällt." Und Johannes Rau, unser kommender Bundespräsident, könnte auf dem Staatsbegräbnis wiederholen, was er einst über Gustav Noske sagte, einen anderen sozialdemokratischen Innenpolitiker: "Er ist auch in meiner Partei umstritten. Aber sein Beitrag war unverzichtbar."