Reizen und Drücken

Im letzten Moment gab Gauweiler-Freund Zimmermann doch dem Rechtsaußen Uhl den Vorrang auf den CSU-Kandidatenposten für die Wahl des Münchner Oberbürgermeisters

Die Welt ist schon ungerecht: Da wird "Mehmet" endlich mit großem Medienaufgebot abgeschoben - nicht, wie bei Abschiebungen sonst üblich, um fünf Uhr morgens, sondern zur journalistenfreundlichen Uhrzeit am Samstag mittag - und der einzige, der sich im Licht der Scheinwerfer sonnen darf, ist Bayerns Innenminister Günter Beckstein.

Ausgerechnet derjenige, dem Beckstein diese Möglichkeit zur ausländerfeindlichen Profilierung zu verdanken hat, bleibt im Schatten: Hans-Peter Uhl, bis vor einigen Monaten Chef des Kreisverwaltungsreferats (KVR) der Stadt München und alleiniger Urheber des "Falls Mehmet".

Uhl hat derzeit allen Grund dazu, mit seiner Partei zu hadern. Dabei hatte der CSU-Rechtsaußen doch eigentlich alles so geschickt eingefädelt: Erst als Kreisverwaltungsreferent kurz vor der Abwahl den Fall eines kriminellen 14jährigen geschickt aufbauschen und vermarkten, dann mit dem Rückenwind von rechts ein Bundestagsmandat im Münchner Westen gewinnen - und schließlich zum Sturm auf den Sitz des Münchner Oberbürgermeisters blasen, der im kommenden Jahr neu gewählt wird. Denn dort hockt mit Christian Ude von der SPD ein ausgewiesener Erzfeind von Hans-Peter Uhl. Einmal sind die beiden schon gegeneinander angetreten: 1987, bei der Wahl um den Posten des Kreisverwaltungsreferenten. Damals unterlag Ude. Pech nur, daß Uhl mehr als nur einen Erzfeind hat: Mit Peter Gauweiler, dem Münchner CSU-Chef, ist er sich ebenfalls spinnefeind.

An der Einstellung kann das nicht liegen - der schwarze Peter und der ebenso schwarze Hans-Peter sind Brüder im rechten Geiste. Aber Obergockel Gauweiler hat halt nicht gerne einen ebenso ehrgeizigen Streithahn vor der Nase.

Deshalb hatte Gauweiler ganz auf Monika Hohlmeier gesetzt. Die Strauß-Tochter sollte nach seinem Willen CSU-Kandidatin für das Oberbürgermeisteramt werden. Doch Ministerpräsident Edmund Stoiber lobte Hohlmeier auf den Posten der Schulministerin weg. Jetzt war der Weg eigentlich frei für Uhl, so schien es. Denn selbst unter seinen Gegnern innerhalb der CSU ist man sich einig: Wenn einer eine Chance gegen Amtsinhaber Ude hat, dann er. Doch Uhl fühlte sich so sicher, daß er mal wieder auftrat wie der Elefant im Porzellanladen: Die CSU müsse sich bedingungslos hinter ihn stellen, forderte er. Und überhaupt müsse die Partei ihre finanzielle Situation bereinigen. Schließlich schleppen die Münchner Christsozialen seit der Bürgermeisterwahl 1993 drei Millionen Mark Schulden mit sich herum.

Es müsse gefragt werden, ob die CSU sich überhaupt noch einen Bürgermeisterwahlkampf leisten könne, polterte Uhl: "Niemand würde von einem Soldaten verlangen, ohne Proviant, ohne Nachschub und ohne Waffen in den Kampf zu ziehen." Angesichts der leeren Parteikassen gliche "jeder CSU-Kandidat für die OB-Wahl einem zum Heldentod verdammten Krieger, der mit dem Pappschwert gegen Panzer anstürmt".

Mit seinen Ausfällen im Landserjargon lehnte sich der Kandidaten-Kandidat allerdings etwas zu weit aus dem Fenster. Denn Gauweiler hört derartige Verbalattacken äußerst ungern. Kein Wunder, daß der CSU-Chef in der Folge die Uhl-Feinde hinter sich scharte - und von denen gibt es bekanntlich einige. Schließlich suchte er hinter Uhls Rücken Unterstützung bei Ministerpräsident Edmund Stoiber. Und während Uhl noch in den Herbstferien weilte, ließ Gauweiler daheim in München die Katze aus dem Sack: Nicht der Ex-Kreisverwaltungsreferent, sondern der Landtagsabgeordnete und einstige Münchner Gesundheitsreferent Thomas Zimmermann sollte plötzlich Bürgermeisterkandidat werden.

Wieder schien alles klar: Uhl werde es angesichts des eindeutigen Votums der CSU-Spitze gegen ihn kaum wagen zu kandidieren, hoffte nicht nur Peter Gauweiler. Doch zu früh gefreut: Noch aus dem Urlaub ließ Uhl verkünden, er trete trotzdem an. Die Münchner CSU mußte also eine Zerreißprobe befürchten. Denn auf der Delegiertenversammlung am kommenden Samstag, auf der der Bürgermeisterkandidat nominiert werden soll, drohte nun die Kampfabstimmung zwischen Zimmermann und Uhl.

Bis dahin, so schien es, würden die beiden Lager versuchen, ihre Reihen zu schließen. Während der Bezirksvorstand der Münchner CSU Gauweilers Favoriten Zimmermann bereits abgesegnet hatte, sprachen sich die Kreisverbände im Münchner Westen, wo Uhl sein Bundestagsmandat errungen hat, für den Ex-KVR-Chef aus. Und auch die Kommunalpolitische Vereinigung plädierte einstimmig für Uhl.

SPD-Oberbürgermeister Christian Ude hatte sich derweil ob der unionsinternen Streitigkeiten bereits die Hände gerieben. Doch dann, sozusagen in letzter Minute, machte Zimmermann doch einen Rückzieher. Am Samstag vergangener Woche ließ er völlig überraschend wissen, daß er aus dem Bewerberrennen gegen Uhl aussteigen werde. Die innerparteiliche Diskussion habe "eine neue Dimension erreicht, die mich sorgenvoll stimmt", erklärte er in einem Schreiben. Der Entscheidung war ein Vier-Augen-Gespräch mit Gauweiler vorausgegangen.

Ob nun der Bundestagsabgeordnete Aribert Wolf, der zuvor zugunsten Zimmermanns seine Kandidatur zurückgezogen hatte, doch wieder ins Spiel kommen wird, blieb zunächst noch offen. Dennoch kann Sozialdemokrat Ude angesichts des "absurden Theaters in rasanter Inszenierung", wie Grünen-Fraktionschefin im Rathaus, Jutta Koller, die unionsinternen Querelen nannte, zufrieden sein. Seine Partei wollte in dem "peinlichen Rückzieher" sogar das Ende der Ära Gauweiler ausmachen.