Die Jakarta-Connection an der Porta Westfalica

Die deutsch-indonesische Völkerfreundschaft blüht auch unter Rot-Grün. Der aktuelle Renner: Weltanschauungsunterricht für Indonesiens Polizeikräfte

Indonesische Diktatoren haben seit drei Jahren ein bevorzugtes Urlaubsland: Die Herren über Java, Bali und Sumatra zieht es nicht auf eine tropische Insel, sondern nach Norddeutschland. Das aktuelle Staatsoberhaupt Bacharuddin Jusuf Habibie kehrt regelmäßig nach Niedersachsen zurück, seit der Absolvent der TH Aachen als Flugzeugbauer bei Messerschmidt-Bölkow-Blohm (MBB) in Hamburg debütierte. Bei seinen Besuchen in Deutschland benutzt der mittlerweile zum Chef eines mehrere hundert Millionen Dollar schweren Firmenimperiums avancierte Staatspräsident seine Villa in dem ostniedersächsischen Kaff Kakerbeck.

Schon sein Vorgänger Kemusu Suharto, der das Inselreich 33 blutige Jahre lang regierte, erholte sich von den Strapazen des Despotendaseins am liebsten dort, wo Germanien am germanischsten ist: in Bad Oeynhausen, zwischen Teutoburger Wald und Wesergebirge. Da die dortigen Einheimischen schon gewöhnt sind an den Anblick schwerer Limousinen und schwerbewachter Potentaten, soll sich unbestätigten Informationen zufolge momentan auch Suhartos Schwiegersohn Prabowo Subianto in dem Kurort an der Porta Westfalica aufhalten; ein Mann, der bestens trainiert war, für Suharto die Dreckarbeit zu erledigen, seit er 1981 in Hangelar bei Bonn eine Spezialausbildung bei der Rambo-Einheit GSG-9 erhalten hatte. Zurückgekehrt nach Indonesien, stieg Prabowo schnell zum Chef der gefürchteten Spezialeinheiten der kasernierten Polizei auf.

Nachdem er bereits im Mai seine Funktion als Chef der Sondereinheiten verloren hatte, wurde Prabowo Mitte August 1998 Opfer der aktuellen Machtkämpfe im indonesischen Staatsapparat. Die Armee entließ ihn, weil er Oppositionelle verschleppt und ermordet habe - eine der wenigen Schandtaten, an denen Prabowo nicht beteiligt war: Der Verantwortliche war in diesem Fall wohl der nicht minder sympathische Armeechef, General Wiranto.

Während seiner Besuche der norddeutschen Heilquellen kann Prabowo einem Verfahren gelassen entgegensehen - zumal er darauf hoffen darf, einem Militärtribunal gegenüberzustehen, welches schon nicht zu hart mit seinesgleichen umspringen wird.

Ist es allein die spröde Schönheit der norddeutschen Tiefebene, die die Führungsclique des südostasiatischen Inselreichs in das Land von Bier und Bockwurst zieht? Ihre deutschen Gesprächspartner verfügen zwar nicht annähernd über Finanzmittel wie etwa der ehemalige Widerstandskämpfer Suharto, der seriösen Schätzungen zufolge im Laufe seiner Regierungszeit ein Privatvermögen von 40 Milliarden Dollar angehäuft hat (das aber durch die Asien-Krise stark dezimiert wurde). Dafür haben sie, was Auslandsreisen angeht, Vorlieben, die eher am Massengeschmack orientiert sind als diejenigen der indonesischen Potentaten.

So flog Ende November ein bayerischer Polizeidirektor ins sonnige Java, um auf Einladung der CSU-nahen Hanns-Seidl-Stiftung vor indonesischen Kollegen einen Vortrag über den Umgang mit Demonstranten in Deutschland zu halten. Man kann sich gut vorstellen, was der Mann den Polizeioffizieren, die seit Suhartos Putsch von 1965 der Armee unterstellt sind, mitzuteilen hatte: Schlagstockeinsatz geht in Ordnung, das handhaben wir in Bayern kaum anders. Aber beim Schußwaffengebrauch verfahren wir etwas zurückhaltender, und trotzdem haben wir bisher immer ganz gute Wahlergebnisse gehabt. Immerhin scheint der Vortrag die indonesische Führung schwer beeindruckt zu haben: Schon ab April, so teilte Armeechef Wiranto wenig später mit, könnten gewisse Reformen der Polizei umgesetzt werden. Genaueres wollte Wiranto vorsichtshalber noch nicht mitteilen. Schon nach dem Einsatz gegen Demonstranten, die Mitte November das Gebäude der beratenden Volksversammlung in Jakarta stürmen wollten, hatte die Polizei mitgeteilt, auf scharfe Schüsse habe man diesmal zugunsten von Gummigeschossen und Platzpatronen verzichtet. Danach stellte sich allerdings heraus, daß wohl doch mindestens 16 Bleikugeln geflogen sein müssen - soviele, wie Menschen erschossen worden waren.

Dennoch scheint auch die rot-grüne Regierung in Bonn von der Hoffnung auf Reformen ohne personelle Veränderungen beseelt zu sein: In der vergangenen Woche teilte Rudolf Scharpings Verteidigungsministerium mit, auch der Militärattaché an der deutschen Botschaft in Jakarta, Generalmajor a.D. Georg Eschle, habe vor indonesischen Offizieren einen Vortrag gehalten. Eschle kann sich außerdem, wie die taz berichtet, "die Entsendung indonesischer Polizisten zu Lehrgängen in Deutschland oder das Einfliegen deutscher

Polizisten, um Trainings in Indonesien abzuhalten", vorstellen. Schon am 1. Dezember hatte die indonesische Tageszeitung Suara Pembuaran von Planungen für ein Seminar berichtet, bei dem Anfang 1999 Bundeswehroffiziere ihren indonesischen Kollegen das Prinzip der "Inneren Führung" nahebringen sollen.

Das wäre freilich nichts Neues. Schon seit 1969 leistet Deutschland Polizeihilfe für Indonesien. Drei Jahre vorher hatte Suharto im Anschluß an seine Machtübernahme mindestens 500 000 Anhänger der kommunistischen PKI ermorden lassen; mehr als zwei Millionen Menschen wurden in Straflager verschleppt, die den deutschen KZ nachempfunden waren. In der von Suharto proklamierten "Neuen Ordnung" kam dem Militär eine "dwifungsi", eine Doppelfunktion aus äußerer Verteidigung und innerer Ordnungsmacht zu. Der Regierung Brandt fiel darauf auch keine andere Antwort ein als der Regierung Schröder: Fortbildungskurse für indonesische Offiziere an der Bundeswehr-Akademie für Innere Führung in Hamburg-Blankenese. Seitdem sind die indonesischen Uniformträger Dauergäste der Führungsakademie.

BND-Chef Reinhard Gehlen lobte 1966 Suhartos Putsch als "Erfolg der indonesischen Armee", die ja schließlich nur "die Ausschaltung der kommunistischen Partei mit aller Konsequenz und Härte" verfolge. Solchen Sprachgebrauch hatte sich Gehlen in den Jahren 1942 bis 45 als Abteilungsleiter "Fremde Heere Ost" in der "Abwehr" des NS-Staates angeeignet. Zum Dank für Konsequenz und Härte bildet der BND bis heute in Deutschland indonesische Agenten aus. Dafür durfte der Dienst in der deutschen Botschaft in Jakarta eine sogenannte legale Residentur - Codename FB-70 - einrichten; er arbeitet nach wie vor eng mit dem indonesischen Geheimdienst zusammen.

Doch auch an Material lassen es die deutschen Freunde nicht fehlen. Zuletzt wurde 1984 ein Abkommen geschlossen, das neben Polizisten-Ausbildung auch die Lieferung von Polizeitechnologie regelte - getarnt als "Entwicklungshilfe" und auf deutscher Seite unterzeichnet von der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ).

Wirtschaftlich interessanter dürfte für die deutsche Seite die umfangreiche Waffenhilfe sein, derer sich Indonesien erfreut. 680 Waffenlieferungen für Suhartos Regierung genehmigte das Bundesamt für Ausfuhr im hessischen Eschborn allein in den Jahren 1986 bis 1996. 16 Korvetten "Parchim" aus den Beständen der Nationalen Volksarmee ließen sich in Südostasien ebensogut vergolden wie erst jüngst fünf U-Boote vom Typ U-209. Deren Verkauf dürfte der notleidenden deutschen Werftindustrie ebensogroße Freude bereitet haben wie dem Generalstab in Jakarta, dessen Aufgabe es ist, auch Aufständischen auf abgelegeneren Inseln wie Irian Jaya oder Ost-Timor hin und wieder bombige Grüße aus der Hauptstadt zu überbringen. Hubschrauber seines einstigen Arbeitgebers MBB darf Habibie gleich in einer seiner eigenen Fabriken in Indonesien bauen - in Lizenz selbstverständlich. Doch auch die Konzerne anderer europäischer Länder verdienen an der Aufstandsbekämpfung kräftig mit: Die gepanzerten Wasserwerfer etwa, die man allwöchentlich im Fernsehen bewundern kann, wurden 1985 von dem britischen Hersteller Glover Webb geliefert.

Mit all dem sollte nun eigentlich Schluß sein. "Bei Rüstungsexportentscheidungen", so steht es in der gerade erst zehn Wochen alten rot-grünen Koalitionsvereinbarung zu lesen, "wird der Menschenrechtsstatus möglicher Empfängerländer als zusätzliches Entscheidungskriterium eingeführt." Statt Waffen zu exportieren, so heißt es an gleicher Stelle, werde die Bundesregierung "verstärkt Maßnahmen der Demokratisierungshilfe fördern und dafür zusätzliche Mittel bereitstellen".

Doch wer diese Aussage so interpretiert, daß nun Schluß sein müsse mit der Unterstützung für das indonesische Regime, der hat den Geist des Koalitionsvertrags nicht verstanden. "Wir wollen beim Übergang zu demokratischen Strukturen helfen", begründete Militärattaché Eschle seine Fortbildungsveranstaltung für Offiziere der indonesischen Armee. Und das Auswärtige Amt von Joseph Fischer, der zum Amtsantritt erklärt hatte, das einzige, was sich ändern werde, sei die Haltung zu den Menschenrechten, gab sich so wenig gesprächig wie zu besten Kinkel-Zeiten: Jawohl, Gespräche habe es gegeben, über den Inhalt könne man aber derzeit nichts sagen.

Fischers Parteifreundinnen Claudia Roth und Angelika Beer forderten immerhin annähernd gleichlautend, die Unterstützung für Indonesien an Bedingungen zu knüpfen: Polizei und Militär müßten getrennt werden, außerdem solle Indonesien künftig auf den Einsatz militärischer Spezialeinheiten gegen Demonstranten verzichten. Wahrhaft keine revolutionären Forderungen. Doch mit Militärattaché Eschle werden sie nicht zu verwirklichen sein: "Wir können doch keine Bedingungen stellen", erklärte der.