Alternative Lebensformen

Farewell, Osterinsel

Neukölln, North-Central. Die "Thai-Thek" gegenüber macht jeden Abend Lärm bis zum Aufstehen. Während des Großen Frosts in der letzten Woche gab es sogar ein Auto, dessen den Verhältnissen gar nicht angepaßte Musik man sogar noch von der Kreuzung her hören konnte. Sonst gibt es hier noch die "Wissmannhöhe", wo man den Sixpack Schultheiß für fünf fünfzig bekommt, und natürlich den Multikulti-Laden den Berg runter mit Restaurant und Programm und so. Im "Prinz" auf der Ecke kann man eigentlich nur im Sommer draußen sitzen, aber wenn man es schon mal bis dahin geschafft hat, kann man auch gleich bis zur "Hasenschänke" im Park gehen, wo es sowieso viel netter ist und man die im Stadtteil beschäftigten Existenzialisten bei der Arbeit beobachten kann.

Und dann war da noch die "Osterinsel". "Geöffnet von 18 Uhr bis ???", stand in linkisch ausgeschnittenen Aufklebebuchstaben an der grauen Stahltür. Drinnen sah es nicht viel anders aus. Holztische und -stühle, Kicker, Billard, Flipper und irgendwo ein Fernseher, falls mal ein wichtiges Fußballspiel anstehen sollte.

Selbst als vor gut einem Jahr die Wandfarbe gewechselt wurde, änderte sich der Charakter der Kneipe nur wenig. Aber immerhin war es ein Fortschritt, daß von diesem Mintgrün, zu dem der Barkeeper auch noch das passende Shirt hatte, in ein weniger aggressives Sandgelb umlackiert wurde. Das geschmacklose Wandgemälde hinter dem Billard allerdings, auf dem alle Probleme dieser Stadt problematisiert werden sollten, blieb trotz meiner Proteste.

Und die Musik auch. Es gab in der "Osterinsel" ein ungeschriebenes Gesetz, nach dem nur komplette Platten abgespielt werden durften. Man konnte also Glück haben, gerade zur Leonard Cohen-Zeit zu kommen oder aber, wenn die Queen-CD lief. Am Kicker war das egal, da hat man davon eh wenig gehört.

Außerdem war Thomas der mit Abstand freundlichste Barkeeper Neuköllns. Wenn du mit dem Fahrrad die Straße herunterfuhrst, konntest du dir sicher sein, daß er dir aus seinem kleinen Barkeeperfenster heraus zuwinkte. Wenn du zuviel getrunken hattest, gab er dir noch einen Grappa drauf.

Und nun, ohne "Osterinsel"? Der Restetrinken-Abend ist nur ein schwacher Trost für die Opfergabe an den Strukturwandel. 42 Mark pro Quadratmeter, meint Thomas, seien für eine kleine Neuköllner Nebenstraße doch ein bißchen viel.

Einmal brummt der Laden heute noch richtig. "Eine schöne Kneipe, die Du hier gemacht hast", sage ich. "Ich habe noch gar nicht realisiert, daß es wirklich vorbei ist", antwortet er.