Länder der Extreme I

Alle Versprechen haben nichts genützt. Die brasilianische Regierung werde ihre Zahlungsverpflichtungen strikt erfüllen, versichert das Finanzministerium täglich in Brasilia. Das Land verdiene das Vertrauen der Investoren, beteuert Präsident Fernando Henrique Cardoso unaufhörlich. In Rekordzeit hat das Parlament schließlich eine "Rentenreform" verabschiedet und damit die Kürzung der Altersbezüge der Staatsangestellten beschlossen. Zudem will die Regierung ihren Angestellten die Gehälter erst später zahlen. Die Regierung steckt in einem Dilemma: Sie muß die Zinsen erhöhen, um die Anleger im Land zu halten. Damit würgt sie aber die Binnenkonjunktur völlig ab, eine Rezession ist in diesem Jahr unausweichlich. Gleichzeitig benötigt sie höhere Steuereinnahmen, um den Haushalt zu konsolidieren.

Viel Zeit steht ihr dafür nicht mehr zur Verfügung, denn die Flucht aus der Landeswährung Real hält unvermindert an: Jeden Tag fließen 300 bis 400 Millionen Dollar aus Brasilien ab, der Real verlor alleine am vergangenen Donnerstag gegenüber dem US-Dollar fast acht Prozent an Wert, seit der Kursfreigabe sind es 30 Prozent. Auch Interventionen der brasilianischen Notenbank konnten den Verfall am Wochenende nicht stoppen.

Händler befürchten nun, die Währung könnte ins Bodenlose stürzen. Der Markt ist ausgetrocknet, Dollars sind nur noch schwer zu haben. Wer kann, versucht daher, seine Ersparnisse noch schnell in Greenbacks anzulegen. Das gelingt zwar den Unternehmen und der Ober- und Mittelschicht. Für die übrigen - und dazu zählt mindestens jeder zweite der 150 Millionen Brasilianer - bedeutet der dramatische Kursverfall eine soziale Katastrophe.