»Ökologie - ein knallharter Wirtschaftsfaktor«

Interview mit Gunda Röstel, Vorstandssprecherin von Bündnis 90 / Die Grünen

Würden Sie in diesen Tagen nicht gerne mit ihrem Vorstandskollegen aus der FDP, Wolfgang Gerhardt, tauschen?

Nein, mit dem würde ich wirklich nicht tauschen wollen, schon allein deshalb nicht, weil mir die Inhalte dieser Partei nicht entsprechen. Ich bin auch in schwierigen Zeiten wie den jetzigen ganz gerne an der Spitze von Bündnis 90/Die Grünen.

Dennoch geht den Grünen derzeit das ab, was der FDP in der parlamentarischen Opposition wieder gelingt: "politisches Profil zu zeigen".

Es ist ohne Zweifel richtig, daß wir mit der Wahlniederlage von Hessen einen bundesweiten Trend nach unten erneut nicht haben stoppen können. Da müssen wir uns schon fragen, ob der Impetus, mit dem wir Politik machen und der durch die auch schon in die Jahre gekommenen Alt-68er in unserer Partei repräsentiert wird, noch dem Anspruch genügt, junge Partei zu sein.

Wir werden reduziert auf die original-grünen Themen, bei denen man uns Kompetenz zutraut: also Umweltpolitik im alten Stile. Dabei haben wir es nicht geschafft zu vermitteln, daß Ökologie ein knallhartes Wirtschaftsthema ist, ein Innovationsfaktor, der natürlich ganz zentral mit Arbeitsplätzen zusammenhängt.

Machen das die anderen Parteien nicht viel besser?

Nein. Wir sind eine inhaltlich sehr moderne Partei geworden und bewegen uns da auch im Parteienspektrum auf einem sehr eigenständigen Weg. So sind wir dabei, uns verstärkt dem Mittelstand zu widmen. Wo spricht Herr Henkel denn noch für die Klein- und Mittelständler, gerade hier im Osten?

Herr Henkel vielleicht nicht, die PDS aber schon.

Die PDS macht eine fundamentale Opposition ...

... in Mecklenburg-Vorpommern regiert sie schon mit und in Thüringen vielleicht bald ...

Das glaube ich nicht. Abwarten muß man trotzdem, wie die PDS diesen Spagat, nach außen hin Fundamental-Opposition zu sein, in Mecklenburg-Vorpommern aber auch mit leeren Haushalts-Kassen agieren zu müssen, vornehmen kann. Konzeptionell ist da jedenfalls nichts von einem zukunftsfähigen modernen Ansatz zu spüren.

Denselben Spagat, den Sie bei der PDS beschreiben, machen die Grünen in der Bundesregierung. Besteht nicht die Gefahr, daß Sie sich hier der SPD völlig anpassen?

In der Regierung haben Sie natürlich nicht das reine grüne Programm - wir haben ja auch keine absolute grüne Mehrheit. Deshalb ist es umso wichtiger, daß die Partei ein zwar loyaler, aber auch sehr kritischer Begleiter ist. Und daß wir als Partei unsere Lebendigkeit, unsere Diskussionsfreudigkeit erhalten. Wenn wir das tun, werden wir diesen sicher nicht einfachen Spagat ganz gut bestehen.

Dabei führt Sie der Kanzler vor, wie er will.

Man muß ganz klar sagen, daß der politische Stil einiger Sozialdemokraten in den letzten Wochen nicht zum Erfolg der Regierung beigetragen hat. Die Grünen sind belastbar, sie sind auch berechenbar und kompromißfähig - aber nicht endlos strapazierbar. Doch werden wir das nicht über die Medien, sondern am Kabinettstisch und in der Koalitionsrunde klären.

Und das dann mit "Mehr Fischer und weniger Trittin", wie es sich der Kanzler wünscht?

Herr Schröder und Herr Lafontaine haben auch sehr unterschiedliche Politikstile. Ich würde mich schwer davor hüten, in diese internen Fragen einzugreifen. Was aber nicht geht, ist, daß die SPD ihre eigenen Probleme vor unserer Haustür abkippt. Von der SPD erwarte ich mehr Berechenbarkeit im Umgang.

Bei einem der wenigen urgrünen Themen, dem Antimilitarismus, ist selbst der Parteivorstand gespalten: Während sich Ihre Kollegin, Frau Radcke, an das Parteiprogramm hält, stimmen Sie einem Einsatz deutscher Truppen auch ohne Uno-Mandat zu. Lautet hier die Grünen-Linie der Zukunft: Mehr Röstel, weniger Radcke?

Beides sind nicht die Linien, die Sie so auf den Vorstand zurückführen können. Die neue Bundesregierung war schon vor ihrem Amtsantritt einer hohen Verantwortung ausgesetzt. Der Konflikt ist jetzt eskaliert, so daß die Verhandlungspartner ohne militärisches Drohpotential nicht an einen Tisch zu bekommen waren. Ich habe deshalb keine Lust, mich bei diesem wirklich hochsensiblen Problem in definitorische Spitzfindigkeiten zu begeben. Das ist wirklich nicht das Ding.

Das Grünen-Programm formuliert dennoch das Gegenteil: Bundeswehreinsätze nur mit Uno-Mandat. Wieso geben Sie als Parteisprecherin diese Position auf? Sie sitzen doch nicht einmal in der Regierung.

Es geht überhaupt nicht darum, etwas aufzugeben. Natürlich ist ein Uno-Mandat das Beste, was man für einen solchen Einsatz bekommen kann. Das schließe ich doch überhaupt nicht aus. Und im Gegensatz zu anderen militärischen Konflikten, wo ich mir unsererseits auch mehr Kritik gewünscht hätte, ist es nun so, daß Uno-Generalsekretär Kofi Annan in die Verhandlungen eingebunden ist. Eines will ich zum Schluß klar sagen: Ich stehe nicht für eine Selbstmandatierung der Nato. Insofern gibt es auch im Bundesvorstand keine zwei Positionen.