Cuba s'cher!

Castro sagt der Kleinkriminalität und dem unabhängigen Journalismus den Kampf an

Läßt sich "Cuba s'" demnächst als "Cuba sicher" ausschreiben? Denn Zuhältern, Einbrechern, Dealern und Straßenräubern soll es künftig an den Kragen gehen. Mitte Februar hat das kubanische Parlament abgesegnet, was maximo l'der Fidel Castro bereits Anfang Januar öffentlich gefordert hatte: härtere Strafen für sogenannte Kleinkriminelle. 20 Jahre Haft und mehr drohen nun Straftätern, die sich erwischen lassen. Gegen organisierte Drogenhändler soll ab sofort auch die Todesstrafe verhängt werden können.

Seitdem im Dezember letzten Jahres in Kolumbien mehrere Container mit insgesamt zehn Tonnen Kokain entdeckt wurden, die über Kuba nach Europa verschifft werden sollten, ist für Castro das Maß voll. Kuba dürfe nicht zum Transitland für den internationalen Drogenhandel verkommen, mahnte der 72jährige - sichtlich um Fassung bemüht - Anfang Januar bei seiner Rede zum 40. Jahrestag der Gründung der Revolutionären Nationalpolizei. Die Zukunft des Landes sei durch die zunehmende Kriminalität gefährdet, und bevor man 2 000 Drogenopfer zu beklagen hätte, müßten eben härtere Maßnahmen eingeführt werden.

Mit der Verschärfung der Haftstrafen hofft der Revolutionsführer vor allem, der sprunghaft angestiegenen Kriminalität in Havanna beikommen zu können: 80 Prozent aller Straftaten entfallen auf die Hauptstadt des Landes, der Organisationsgrad der Unterwelt Havannas steigt beständig. Banden, die sich auf das Sammeln von Klima-Anlagen spezialisiert haben, gibt es mittlerweile ebenso wie Einbrecher, die gleich mit dem Lastwagen vorfahren und den gesamten Hausstand abtransportieren. Auch Gewaltanwendung, jahrelang offiziell ein Fremdwort in Kuba, gehört mittlerweile zum Alltag, bewaffnete Überfälle auf Touristen sowie Drogen- und organisierter Frauenhandel sind keine Seltenheit mehr. Den bisherigen Höhepunkt stellte Mitte Dezember ein bewaffneter Überfall auf einen Geldtransporter dar, bei dem Wachleute und Passanten verletzt wurden.

Acht Jahre per'odo especial - so wird die permanente Wirtschaftskrise in Kuba genannt - haben Spuren hinterlassen. Die vom Staat gezahlten Löhne reichen oft nicht aus, Arbeitsplätze mit Perspektive sind rar und oft nur über gute Kontakte (oder über eine Spende) zu erhalten. Gleichzeitig haben viele Kubaner täglich Touristen vor Augen, die sich nahezu alles leisten können, was für Leute ohne Dollareinnahmen unerschwinglich ist.

Es könne kaum überraschen, daß Havanna seinen Ruf als sicherste Stadt der Karibik einzubüßen droht, erzählt Ricardo Cabrera. Der ehemalige Polizist meint, daß härtere Gesetze und die Aufstockung des Polizeiaufgebots vorerst nichts ändern werden: "Die Polizisten haben das gleiche Problem wie alle Kubaner - sie kommen mit ihrem Gehalt nicht aus und sind auf Nebeneinnahmen angewiesen".

Das weiß auch Fidel Castro. Doch für ihn steht, folgt man seiner Januar-Rede, nicht die Ursachenforschung im Vordergrund. Zuerst müsse die Kriminalität eingedämmt werden. Mit diesem Ansatz steht Castro nicht allein, viele ältere Bewohner Kubas wünschen sich die Sicherheit vergangener Tage zurück.

Daß dies nicht einfach wird, weiß auch Ernesto Gonzalez, Sekretär des kommunistischen Jugendverbandes in einem Forschungsbetrieb. "Wir haben all diese Phänomene diskutiert und analysiert. Jetzt ist es an der Zeit, neue Konzepte zu entwickeln, um dagegen anzugehen", sagt der 31jährige. Er setzt auf Überzeugungsarbeit und Prävention. Mehr soziale Arbeit müsse in den Schulen, in der Nachbarschaft und am Arbeitsplatz geleistet werden. Kein leichtes Unterfangen in Zeiten knapper Kassen. Deshalb müßten auch öffentliche Diskussionen geführt werden und die kubanischen Medien sollten ihren Teil beitragen, meint Gonzalez.

Denn die Berichterstattung über die neuen gesellschaftlichen Phänomene wie Perspektivlosigkeit bei Jugendlichen, ansteigende Korruption und Kriminalität sowie die jeweiligen Hintergründe kommt bei kubanischen Regierungsjournalisten recht kurz. Daran werden auch die Sondersitzungen des kubanischen Parlaments von Mitte Februar nichts ändern. Im Gegenteil: Dort wurde ein weiteres Gesetz erlassen, das der unabhängigen Presse die Arbeit nicht gerade erleichtert.

Im Artikel 8 dieses Gesetzes werden Kubanern und Ausländern zwei bis fünf Jahre Freiheitsentzug angedroht - wenn sie "Beziehungen zu Radiostationen, Zeitungen, Magazinen oder Fernsehen unterhalten oder mit ihnen zusammenarbeiten, um die Umsetzung der Zielvorgaben des Helms-Burton-Gesetzes zu erleichtern". Für den Fall, daß der fragliche Journalist für seine Arbeit sogar noch bezahlt wird, kann die Freiheitsstrafe auf acht Jahre erhöht werden.

Das Dekret zur "Verteidigung der nationalen Unabhängigkeit und der kubanischen Wirtschaft" hat jedoch nicht nur die unabhängigen Journalisten im Visier. Generell gilt seit der Verabschiedung des Gesetzes, daß die Suche, das Sammeln, die Reproduktion und die Verteilung von Informationen mit dem Ziel, den "ökonomischen Krieg der USA gegen Kuba zu unterstützen", mit Strafen von drei bis fünf Jahren geahndet wird. Schon das Aufbewahren von US-Druckerzeugnissen kann strafbar sein, wie einer Passage zu entnehmen ist. Wer hingegen "direkt oder über dritte den USA, deren Agenturen, Repräsentanten oder Funktionären Informationen liefert, die benutzt werden können oder benutzt werden zur Anwendung des Helms-Burton-Gesetzes, der Blockade, des ökonomischen Krieges gegen Kuba, der Subversion oder ähnlicher Maßnahmen", muß mit Haftstrafen zwischen sieben und 15 Jahren rechnen. Winkt dem Informanten auch noch ein persönlicher Vorteil, drohen 20 Jahre.

Noch strenger soll die Justiz durchgreifen, wenn "Konterrevolutionäre" im eigenen Apparat sitzen und ihr öffentliches Amt zur Informationsbeschaffung und -weitergabe mißbraucht haben: 30 Jahre Haft drohen. Bei den wenigen unabhängigen Journalisten in Kuba hat die Gesetzesverabschiedung denn auch zu wenig Freude geführt. Für Raœl Rivero, Mitbegründer der Presseagentur Cuba Press sind Freiräume, die in fünf Jahren mühevoll erkämpft worden seien, mit einem Mal dahin.

Das Vorgehen der Regierung ist überraschend, da Journalisten in Kuba in jüngster Zeit nicht behelligt wurden und in Ruhe arbeiten konnten. Ob dies auch künftig noch möglich sei, fragen sich nun auch ausländische Korrespondenten. Für Juan Escalona, Generalstaatsanwalt der Insel, ist die Sache hingegen denkbar einfach. Wer wahrheitsgemäß berichte, werde keine Probleme haben.

Entscheidend wird jedoch sein, wie die neuen Paragraphen interpretiert werden. Der Wortlaut läßt den Behörden alle Möglichkeiten offen. So bleibt abzuwarten, was beispielsweise passiert, wenn der erste Bericht mit Informationen zu bevorstehenden Investitionsprojekten in Kuba erscheint. Wird dann der Wahrheitsgehalt geprüft, ab-gewartet, ob die USA reagieren und einen blauen Brief an den Investor versenden, oder kommt die kubanische Polizei direkt ins Haus - und wedelt mit den neuen Paragraphen?