Euro-Tief im hohen Norden

Die nordeuropäischen Länder sind bei der Frage nach einem Beitritt zur Europäischen Währungsunion tief gespalten

Die Einsamkeit ist gr0ß, die Temperatur tief und die Sonne nur selten zu sehen. Umstände, die verbinden. Traditionell gelten in den nordeuropäischen Ländern die Gemeinsamkeiten mehr als die Unterschiede. In Berlin bauen die nordischen Länder gerade eine gemeinsame diplomatische Vertretung, außenpolitische Entscheidungen stimmt man häufig miteinander ab. Doch seit der Einführung des Euros ist es mit den Gemeinsamkeiten erstmal vorbei; die traditionell wirtschaftlich eng verbundenen nordischen Länder sind tief gespalten. Denn während Dänemark, Schweden und Norwegen, das mit der EU ohnehin nichts am Hut hat, der Währungsunion zunächst nicht beitraten, hatte sich Finnland gleich von Anfang an zur Teilnahme entschlossen.

Finnlands Euro-Teilnahme galt jedoch als entschuldigt, bedeutet sie doch für das ärmste nordische Land mit der höchsten Arbeitslosenquote eine Chance. Aber in den anderen nordeuropäischen Staaten sind die wirtschaftlichen Ausgangslagen höchst unterschiedlich: Während das EU-, aber nicht Euro-Land Schweden sich mitten in einer Wirtschaftskrise befindet, hat sich der Ölstaat Norwegen gerade von seiner ökonomischen Flaute erholt. Und daher kommt man in beiden Ländern zu diametral entgegengesetzten Antworten auf die Frage nach einem möglichen Beitritt zum Europäischen Währungssystem.

In einem Anfang Februar veröffentlichten gemeinsamen Report erklärten Arbeitgeber- und Gewerkschaftsvertreter die derzeitige schwedische Wirtschaftskrise damit, daß nun für die "Sünden der Ahnen" bezahlt werde. Gemeint ist der Sozialstaat, von dem sich das Land erst vor wenigen Jahren verabschiedete. Seitdem es in Schweden nicht mehr viel zu verteilen gibt und die Staatsverschuldung in die Höhe steigt, wurden die Sozialleistungen drastisch eingeschränkt. Wesentliche Entlastungen brachten diese Maßnahmen bislang jedoch nicht, der Inflation ist nicht beizukommen, Preise und Zinsen steigen weiterhin und die schwedische Krone ist nach wie vor eine relativ unstabile Währung.

Mit der Einführung des Euro hat sich die schwedische Situation nicht verbessert, denn der Rahmen, innerhalb dessen das Land eigenständig handeln kann, ist enger geworden. Unabhängig davon, ob man der Europäischen Währungssystem beitritt oder nicht. Soweit waren sich Arbeitgeber und Gewerkschafter einig, das Fazit des Reports - eine ausdrückliche Empfehlung für den Euro-Beitritt - wollten die Arbeitnehmervertreter jedoch ausdrücklich nicht mittragen.

Weiterhin an der alten Währung festzuhalten, darin sind sich beide Parteien einig, sei auf Dauer jedoch auch keine Lösung. "Wenn Schweden dem Währungssystem nicht beitritt, dann werden die schwedischen Lohnentwicklungen viel stärkere makroökonomische Konsequenzen haben. Ganz Schweden wird es an seinem Portemonnaie merken, wenn die Lohnzuwächse nicht auf europäischem Niveau gehalten werden."

Um diesen Konsequenzen auszuweichen und trotzdem eigenen Handlungsspielraum zu behalten, wird man, so der Report, dann eben in anderen Bereichen flexibler reagieren müssen. Mit anderen Worten: Schweden muß seine Wirtschafts- und Sozialpolitik drastisch deregulieren, wenn es sich an der gemeinsamen Währung beteiligen möchte. Arbeitszeiten werden verstärkt frei verhandelt, Lohnunterschiede können nicht mehr länger ausgeschlossen werden und von den Arbeitnehmern wird in Zukunft mehr Mobilität erwartet, während den schwedischen Politikern als "übrigbleibenden Handlungsbrocken" nur noch Mittel der internen Devaluierungen zur Verfügung stehen werden: also Senkung der Arbeitgeber-Anteile an den Sozialversicherungen oder Steuererhöhungen.

Arbeitnehmer und Arbeitgeber befürchten, daß das Land sonst für Investitionen uninteressant wird, "denn selbst die vorhandene Infrastruktur, die Kompetenz und die stabile Wirtschaftspolitik können eine gewisse (Währungs-)Unsicherheit, entstehend durch den Nicht-Beitritt, nicht ausgleichen". Zumal schwedische Betriebe nach der offiziellen Euro-Einführung gleich zwei Probleme befürchten müssen: Zum einen fallen für die europäischen Konkurrenten Wechselgebühren sowie hohe Gebühren für Auslandsüberweisungen weg, zum anderen wird die Konkurrenz härter werden, denn die Preise können einfacher verglichen werden. Langfristig werde es für Schweden sogar schwierig werden, EU-Mitglied zu bleiben, ohne den Euro einzuführen.

Während die Arbeitgeber daher den Beitritt befürworten, ziehen es die Gewerkschafter vor, sich in diesem Punkt bedeckt zu halten - von der eigenen Klientel nimmt man wohl an, daß sie nicht bereit ist, nationale Besonderheiten zugunsten Europas aufzugeben.

Auch in Norwegen befürchtet man mit der offiziellen Euro-Einführung Nachteile für das eigene Land. Dabei hat man dort gerade eine Wirtschaftskrise halbwegs überstanden, die Ende letzten Jahres sogar in einem Privatkrieg zwischen Finanzminister Gudmund Restad und dem ehemaligen Chef der eigenständigen Zentralbank Norges Bank, Storvik, ausgeartet war.

Restad hatte sich immer wieder für einen flexiblen Wechselkurse ausgesprochen, um auf den Preisverfall beim Hauptexportprodukt Öl reagieren zu können. Storvik befürwortete hingegen vehement Festkurse - in einem Anfang März veröffentlichten Interview bezeichnete Restad die damalige Situation als "gezielte Mobbingkampagne" gegen ihn. Die norwegische Zentralbank hatte sich während dieser Zeit immer wieder geweigert, mit Stützungskäufen zugunsten der Landeswährung auf dem Finanzmarkt einzugreifen. Steigende Zinsen, Konkurse und Entlassungen waren die Folge.

Finanzminister Restad wurde schließlich, so schrieb das norwegische Dagbladet, "Ende des letzten Jahres zum meistbeschimpftesten Mann Norwegens. Die Krone sank und sank, egal, was er tat oder sagte, die angekündigten Zinssenkungen rückten dagegen in immer weitere Ferne." Zum Jahreswechsel wurde schließlich Sven Gjedrem zum neuen Chef der Zentralbank berufen, ein Mann, der die Geldpolitik als seine wichtigste Aufgabe bezeichnet und der sich in wesentlichen Punkten mit Finanzminister Restad einig zeigt.

Nun gilt es für beide, das norwegische Verhältnis zum Euro zu klären. Denn Norwegen ist vom Ölexport abhängig: Fallen die Preise, kann durch flexible Wechselkurse noch Einfluß genommen werden, eine eigenständige Währungspolitik ist für die wirtschaftliche Zukunft des Landes entscheidend.

Mit einer Anbindung an den Euro entfiele diese Möglichkeit. Restad: "Wir wissen, was wir wollen. Eine eventuelle engere Anknüpfung der Krone an den Euro kann nur auf Grundlage der derzeit geltenden Geldpolitik geschehen. Die Unterschiede zwischen dem Ölland Norwegen und den Nicht-Ölländern der EU sind beträchtlich. Falls also eine der Bedingungen für eine Zusammenarbeit sein sollte, daß wir dieselbe ökonomische Politik wie die EU-Länder machen sollen, wird es sehr problematisch."

Zuvor war Norwegen als erstem Nicht-EU-Land Land von der Europäischen Union eine gemeinsame Arbeitsgruppe - das ist offiziell die niedrigste Form einer formalen Zusammenarbeit - zu Euro-Fragen angeboten worden. Aber für das kleine Land gilt: "Unsere Geldpolitik steht fest. Zum Festkurs-Regime werden wir auf keinen Fall zurückkehren, und unsere Wirtschaftspolitik wollen wir absolut nicht von der EU überwachen lassen." Schon gar nicht jetzt, wo man sich intern gerade so schön einig ist.