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Die Jungle World wird 20! Zwanzig Jahre Journalismus, kritisch, frech, alternativ, in Journalismus, kritisch, frech, alternativ, in einer Auflage, bei der sich Springer vor Wut im Grab umdrehen würde, wenn er noch am Leben wäre. Andere Blätter nennen uns bereits "Berlins erstbestes Boulevard-Blatt".

Zum Jubiläum plaudert der Layout-Chef in einem großen Interview aus dem Nähkästchen: "Damals habe ich immer noch meine ganz persönliche Meinung hinzugefügt, nicht in Klammern und als Säzzer, sondern einfach so. Ist eh keinem aufgefallen." Aber auch an dem heute Fünfzigjährigen ist die Zeit nicht spurlos vorübergegangen - der Drei-Tage-Oberlippenbart mußte ab: "Seitdem die Mauer weg war, haben die Leute in Neukölln immer so komisch geguckt."

Für andere war die Jungle World der Durchbruch zum ganz großen Erfolg: Die öffentlich ausgehängten Stellenbewerbungen im Blatt haben ihr Ziel nicht verfehlt. Schließlich gilt der Dschungel als Brutstätte für hochbelastbare, nicht aus der Fassung zu bringende, extrem kreative Journalistinnen und Journalisten, denen kein Wortspiel zu flach, keine Grammatik unanfechtbar ist. Die finanziellen Ansprüche sind ebenfalls unterirdisch - manche waren vor allem in den Anfangsjahren froh, wenn sie am Monatsende noch die Hand in den Mund nehmen konnten.

Andere sind von der Politikberatung in Politik und Wirtschaft gewechselt: Der frühere Chefkorrespondent auf Kuba ist trotz fehlendem Gesichtspelz zum Nachfolger von Fidel Castro aufgestiegen und beweist dort Großzügigkeit im Verhängen von Todesurteilen. D. ist Hausmeister bei der Gewerkschaft in Alicante, Spanien geworden, gutbezahlt. Sein ehemaliger Chef, vormals starker Raucher ("aber holla!") hat vor einigen Jahren Andrea Fischer als Bundesgesundheitsministerin abgelöst. Und der Mann in Bonn, der sich seinerzeit am revolutionären 1. Mai mit der "stalinistischen RIM" herumgeschlagen hat, ist ins Auswärtige Amt vorgerückt, wo er bei Amtsantritt eine Büste von Klaus Kinkel aufgestellt hat. Im Alter werden die Leute eben konservativer.

Aber nicht alle finden gut, daß die Jungle World erwachsen geworden ist. Zur Geburtstagsparty hagelt es Stinkbomben, und Autonome verlesen mahnend Auszüge aus Herbert Marcuses Werk "Der eindimensionale Mensch". Daß die Zeitung, einst angetreten mit einem antimilitaristischen Anspruch, jetzt den Dritten Weltkrieg herbeigeschrieben habe, das sei "wirklich nicht nett", meinen sie.

Aber wahrscheinlich ist das Ganze nicht politisch, sondern eine Art Generationenkonflikt. Man kennt ja die Vorbehalte der Jugend gegen die Altersweisheit: "Trau keinem über zwanzig."