Pinochet ist wieder in Chile

Die Rückkehr des Caudillo

Während die einen feiern, sehen die anderen nun auch ihre Hoffnungen in die europäische Justiz enttäuscht: Der General ist zurückgekehrt. Auferstanden aus dem Rollstuhl. Das Vaterland hat den 84jährigen Greis wieder, der einst bei der Entdeckung eines Massengrabes mit Überresten »verschwundener« Gefangener die »Wirtschaftlichkeit« dieser Beerdigungsmethode feierte.

In der Geografie der Hauptstadt Santiago ließ sich die Grenze zwischen Anhängern und erbitterten Gegnern des Augusto Pinochet am Abend seiner Rückkehr ganz deutlich ablesen: Oberhalb der Plaza Italia, im wohlhabenden Stadtviertel Providencia, feierten Unternehmer und Angehörige der politischen Klasse auf offener Straße. Unterhalb dieser Grenze zwischen Arm und Reich hofften viel mehr Leute nur auf das möglichst rasche Ende des alten Mörders. Als ob damit das abgeschlossen wäre, wofür der Caudillo in der Geschichte Chiles steht.

503 Tage lang blieb das Land von der physischen Gegenwart des allmächtigen Uniformträgers verschont - 503 Tage, die nicht zur krititschen Reflexion der eigenen Geschichte ausreichten. Als Senator auf Lebenszeit könnte Pinochet seine Stiefel bald wieder in ein Gremium setzen, welches das Paktieren zwischen dem bürokratischen Konglomerat der Concertaci-n - zusammengesetzt aus Christ- und Sozialdemokraten - und einer rückwärts gewandten und antidemokratischen Rechten institutionalisiert hat.

Die gegenwärtige politische Führung hängt der Heuchelei des Dritten Wegs an: Sozialisten, die unter der Knute des heute defensiv auftretenden Pinochet verfolgt wurden, die das Exil und den Tod von Genossen erlebten, gaben alles für die Rückkehr des Caudillo. Und sie geben noch mehr für die Aufrechterhaltung einer falsch verstandenen gesellschaftlichen Stabilität - schließlich sollen die volkswirtschaftlichen Indizes nicht der sogenannten jungen Demokratie schaden. So wird die politische Klasse weiter das sein, was sie in Chile immer war: der Eseltreiber auf dem Rücken der Bevölkerungsmehrheit.

Was nun mit Pinochet geschieht, darüber kann man nur spekulieren. Die letzten Hoffnungen der Gegner Pinochets ruhen nun auf einem Justizsystem, das sich während der 17 Jahre der Militärdiktatur selbst zum Schweigen brachte. Es käme nicht unerwartet, würde der Fall Pinochet in stillschweigendem Vergessen münden. Auf einige Informationen über die Opfer der düsteren Jahre des Staatsterrorismus wird man dann wohl auf ewig verzichten müssen.

Pinochet wird sterben, früher oder später, und auf die schlechteste denkbare Art - verstoßen von der Welt. Bleiben werden die Spuren seines politischen Programms: der Durchsetzung des ökonomischen Liberalismus und des Klerikal-Faschismus in der Gesellschaft.

Pinochet wird sterben, aber seine Ideen werden ihn überleben, nicht nur in Chile und als Wirtschaftsmodell, dem mittlerweile ganz Lateinamerika folgt, sondern in der ganzen so genannten Dritten Welt. Und hier in diesem kleinen Land wird es auch weiterhin nur Pinochetisten und Anti-Pinochetisten geben.