Huren-Widerstand in Frankfurt am Main

Sex Sans-papiers

In Frankfurt am Main organisieren sich Huren ohne Papiere gegen neue Razzien der Polizei.

Sieben Razzien in drei Monaten. Alle im Frankfurter Bahnhofsviertel und in der Breiten Gasse. Das Muster der Repression wiederholt sich: Mannschaftswagen fahren vor dem Bordell vor. Zimmer werden gestürmt. Leibesvisitationen, auch in After und Vagina. Durchsuchungen der Räume nach Beweismitteln - das heißt vor allem nach Geld. Die Frauen werden aufgefordert, ihre Unterwäsche anzuziehen. Noch schnell eine Tasche packen. Foto. Festnahme.

Was die neue Frankfurter Razzien-Serie von den zahlreichen anderen der letzten Jahre unterscheidet, ist vor allem eines: der öffentliche Widerstand von über 200 illegalisierten ausländischen Huren. In einem Mitte März in taz und Frankfurter Rundschau veröffentlichten Aufruf fordern sie das sofortige Ende der Razzien, Aufenthaltsrecht und Arbeitserlaubnis. Dass sich illegalisierte Migrantinnen, die noch dazu einer gesellschaftlich tabuisierten Arbeit nachgehen, zu diesem Schritt entschließen, ist bemerkenswert.

Aktueller Anlass: Allein bei fünf Razzien im Februar ließ das Frankfurter Ordnungsamt nach Angaben der Organisation für soziale und politische Rechte, Do-a Carmen, 127 Frauen festnehmen. Die Vorhaltung ist immer die gleiche: Verstoß gegen das Ausländergesetz. 22 Frauen wurden sofort abgeschoben. Alle anderen erhielten Ausweisungsverfügungen mit einer Sieben-Tage-Frist.

Doch dem Großteil der aus Kolumbien und der Dominikanischen Republik eingereisten Frauen stinkt ihre Situation seit langem. Vor über zehn Jahren schon wurde die Frankfurter Umgangsweise mit Sperrgebietsverordnungen, Toleranz-Zonen und Bordell-Razzien modernisiert. In einem paradoxen Doppelschritt intensivierte die Stadt die polizeiliche Repression und erkannte gleichzeitig Sex-Dienstleistungen als Standortfaktor in der Messestadt an.

Es ist eine tradierte Frankfurter Besonderheit, dass in der Auseinandersetzung um die Entwicklung innerstädtischer Bereiche auch der Kampf um die Sperrgebietsverordnung instrumentalisiert wird. Die Toleranz-Zone im Bahnhofsviertel ist z.B. seit mehr als zehn Jahren äußerst umkämpft, weil die Gegend wegen ihrer gründerzeitlichen Bausubstanz und ihrer Lage - eingekeilt zwischen Messe, Hauptbahnhof und dem Bankenviertel Westend - unter hohem Modernisierungsdruck steht. Schon in den achtziger Jahren wollte die CDU-Stadtspitze das gesamte Bahnhofsviertel zum Sperrgebiet erklären und die einzige innerstädtische Toleranzzone in die Breite Gasse in der östlichen City verlegen.

Nach dem Wechsel im Römer 1989 entdeckte Rot-Grün jedoch Prostitution als weichen Standortfaktor und favorisierte ein anderes Modell, das man postfordistische Prostitution nennen könnte: Verabschiedung des Massenbordells und stattdessen diversifizierter sexueller High-Quality-Service in einer verkleinerten Toleranz-Zone im Bahnhofsviertel, der weiterhin das offene und weltstädtische Flair Frankfurts garantieren soll.

Das sollte mit einer intensivierten Kontrolle der Bordellbesitzer kombiniert werden. 1990 setzten zwei große Razzien den symbolischen Auftakt dieser neuen Politik: Allein bei der ersten wurden 120 Frauen festgenommen und 77 noch am nächsten Tag abgeschoben. Die rot-grüne Stadtspitze etablierte damit eine institutionelle Mixtur aus kruder Repression, gesteuerter Konzessionsvergabe und verschiedenen zivilgesellschaftlichen »Runden Tischen«, die selbstverständlich ohne die Prostituierten stattfanden.

Seit ein paar Monaten aber scheint sich ein reines Konzept durchzusetzen: rassistische Vertreibung bis hin zur Abschiebung. Da Prostitution nach wie vor nicht als Berufstätigkeit anerkannt ist, findet die Illegalisierung der ausländischen Sexarbeiterinnen auf zwei Ebenen statt: über die Regelung des Aufenthaltsrechts und die der Arbeit.

Während Prostituierte mit deutschem Pass oder mit Aufenthaltsrecht zunehmend ins Umland und in die weniger exponierten Clubs ausgewichen sind, wird die Arbeit in den Bordellen der Toleranz-Zonen fast ausschließlich von ausländischen Frauen verrichtet. Um die tausend Prostituierte arbeiten im Bahnhofsviertel und in der Breiten Gasse. 90 Prozent von ihnen haben keinen deutschen Pass, 80 Prozent überhaupt keine gültigen Papiere. Die Bordelle in den beiden innerstädtischen Toleranzzonen stehen halb leer. Immer öfter, so Do-a Carmen, greife die Kriminalisierung auch auf ausländische Frauen mit legalem Status über.

Sie seien zwar im Besitz einer Arbeitserlaubnis, diese verbiete jedoch selbstständige Arbeit - aber offiziell gelte die Prostituierte weiterhin als ihre eigene Unternehmerin. Die Folge ist, dass sich die Huren, die nicht gleich abgeschoben worden sind, in die Wohnungsprostitution oder auf den Straßenstrich zurückziehen müssen - und eine Verschlechterung bei der medizinische Versorgung und Rechtsberatung hinnehmen müssen.

Im Kern scheint das Ordnungsamt darauf zu zielen, sich der Kontrollbereitschaft der Bordellbetreiber zu versichern. Vergleichbar ist dieser Vorgang mit der Zwangsverpflichtung von TaxifahrerInnen an der ostdeutschen Grenze, die Papiere ihrer Fahrgäste zu überprüfen, falls sie sich nicht der Beihilfe zum Verstoß gegen das Ausländergesetz schuldig machen wollen. Verwaltungsgerichte haben in den letzten zwei Jahren Bordellbetreiber verpflichtet, die Aufenthalts- und Arbeitspapiere der Prostituierten zu überprüfen, obwohl das gültigen Datenschutz- und Mietrechtsbestimmungen zuwider läuft. Gegen mehrere Besitzer von Frankfurter Bordellen, in denen vor kurzem Razzien stattfanden, laufen inzwischen Ermittlungsverfahren. Wenn ihnen nachgewiesen werden kann, dass sie ihre neue Kontrollpflicht nicht erfüllt haben, müssen sie die Flüge der Frauen zahlen, die in den letzten Wochen abgeschoben worden sind.