Türkei greift im Nordirak an

Bomben und Menschenrechte

Der vom inhaftierten PKK-Führer Abdullah Öcalan propagierte »Friedenskurs« stößt neuerdings auf Ablehnung. Immer größere Teile der Guerilla widersetzen sich der autoritären Parteiführung. Kein Wunder: Der türkische Staat hat bisher keinerlei Anstalten gemacht, auf die Kampfeinstellung der Guerilla und Apos staatstragende Offerten einzugehen. Ganz im Gegenteil setzen die türkischen Militärs offenbar alles daran, die Guerilla aufzureiben und selbst in ihren Rückzugsgebieten in der so genannten »kurdischen Schutzzone« im Nordirak zu verfolgen.

Jüngster Höhepunkt dieser militärischen Aktionen ist der Bombenangriff vom vergangenen Mittwoch auf die nur im Sommer besiedelten Gebirgsweiden in der Nähe der Stadt Sideka. Zwischen 32 und 45 kurdische Zivilisten wurden nach Angaben verschiedener kurdischer Quellen dabei getötet und Dutzende verletzt. Nach Informationen der Zeitung Kurdish Observer wurden bei dem Luftangriff auch Napalm und Giftgas eingesetzt. Selbst die Demokratische Partei Kurdistans (KDP), die große Teile des Nordirak kontrolliert und gewöhnlich die türkischen Streitkräfte gegen die PKK unterstützt, wirft nun der Armee vor, beim Kampf gegen die PKK ein kurdisches Hirtenlager bombardiert zu haben.

Zudem ist das Datum des Angriffes von hoher politischer Symbolkraft. Am 15. August 1984 hatte die PKK ihren bewaffneten Kampf in der Türkei aufgenommen. Der Tag gilt seitdem als »nationaler Feiertag des kurdischen Volkes«. Und noch in anderer Hinsicht verdeutlicht der Luftangriff das Verhältnis des türkischen Regimes zu internationalen Vertragsverpflichtungen. Denn genau einen Tag nach der Bombardierung der kurdischen Siedlungen unterzeichnete die Türkei zwei UN-Menschenrechtskonventionen, die sie zur Wahrung von Menschen- und Minderheitenrechten verpflichten.

Den staatlichen Kräften in der Türkei bleibt wegen der türkischen EU-Kandidatur nichts anderes übrig, als immer wieder zu beteuern, sie würden in absehbarer Zukunft eine Demokratisierung einleiten und die Menschenrechte in der Türkei durchsetzen.

Doch mit der Realität hat das wenig zu tun. So konnte das seit Jahren geschlossene Büro des türkischen Menschenrechtsvereins IHD in Diyarbakir vergangene Woche eine halbe Stunde öffnen. Dann wurde es von Sicherheitskräften erneut geschlossen. In der im kurdischen Gebiet liegenden Stadt Hasankeyf wurde der Bürgermeister daran gehindert, nach Deutschland zu reisen. Geplant waren ein offizielles Gespräch im Auswärtigen Amt sowie eine Pressekonferenz in Berlin, wo er gegen das Illusu-Staudammprojekt protestieren wollte, das Hasankeyf bedroht und von der rot-grünen Regierung mit einer Hermes-Bürgschaft über 167 Millionen Euro unterstützt werden soll.

So dürfte wohl die PDS-Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke mit ihrer Einschätzung des Bombenangriffs richtig liegen: Die Unterzeichnung der UN-Konventionen gebe »keinen Grund zur Hoffnung«, dass die Türkei auf ihrem Staatsgebiet »Menschenrechte je garantieren« werde. Vielmehr lege ihre Kurdenpolitik »Zeugnis darüber ab, dass internationale Abkommen für die Türkei wertlos sind«.