Indonesiens Beratende Volksversammlung hat getagt

Wahids Rettung

»Das Militär ist der Feind«, skandierten etwa 1 000 studentische Demonstranten Mitte vergangener Woche vor der Beratenden Volksversammlung (MPR) in Jakarta. Aber ihre Rufe verhallten ungehört. Am Freitag, als die diesjährige zehntägige MPR-Sitzung zu Ende ging, standen zwei Sieger fest: der amtierende Präsident Abdurrahman Wahid und das Militär.

Wahid hat es verstanden, sich nicht auf eine Statistenrolle in der indonesischen Politik reduzieren zu lassen. Gerade das hatte die überwiegende Mehrheit der MPR - mit Ausnahme von Wahids Unterstützern, die weniger als zehn Prozent der MPR-Sitze kontrollieren - zunächst anvisiert. Sie wollte, dass Wahid sich auf die Außenpolitik beschränkt und einen Großteil seiner Exekutivmacht auf Megawati Sukarnoputri, die Vizepräsidentin, überträgt. Denn die beiden größten Fraktionen in der MPR, Megawati Sukarnoputris säkular-nationalistische PDI-P und ihr ehemaliger Erzfeind Golkar, der ehemalige politische Apparat von Ex-Diktator Suharto, hatten eine Art politisches Bündnis geschlossen.

Wahid war mit ökonomischen Maßnahmen, die weitgehend vom Internationalen Währungsfonds (IWF) diktiert wurden, dem Militär und den alten Günstlingen von Suharto in die Quere gekommen - beispielsweise mit der Eliminierung alter Schutzkonzessionen für indonesische Unternehmen und dem Versuch, die ökonomische Rolle des Militärs einzuschränken. Und Megawati Sukarnoputri, die selbst über gute Kontakte zum alten Suharto-Establishment verfügt, nutzte dies, um zusammen mit Golkar Druck auf Wahid auszuüben.

Das Resultat, das hinter den Kulissen ausgehandelt wurde, war dennoch günstig für Wahid: Er soll nun ein neues, von 35 auf 24 Minister reduziertes Kabinett bilden, und innerhalb dieses Kabinetts soll Wahid zusammen mit zwei »koordinierenden Ministern« und Megawati Sukarnoputri einen Führungsstab stellen.

Aber der Preis dafür ist, dass das Militär weiter eine wichtige Rolle in der indonesischen Politik spielt. Es wird seine 38 nicht gewählten Vertreter nun bis 2009 - statt wie geplant bis 2004 - in der MPR behalten. Die Rechtfertigung dafür: Nach Angaben von BBC erklärte Subiago Anam von der PDI-P, es sei besser, die offizielle politische Rolle des Militärs beizubehalten, als einen Staatsstreich zu riskieren.

Darüber hinaus wurde der Armee die Aufgabe zuerkannt, die »nationale Integrität« aufrechtzuerhalten - eine besonders heikler Punkt. Denn in den vergangenen Monaten haben verschiedene hochrangige Regierungsmitglieder sowie Wahid wiederholt »schmutzige Hände« oder »alte Kräfte« für die Eskalation kriegerischer Auseinandersetzungen auf den Molukken oder Aceh verantwortlich gemacht - ein deutlicher Hinweis auf alte Seilschaften in Militär und Polizei, Politik und Wirtschaft aus der Suharto-Ära, die mit solchen Manövern angeblich Wahids Herrschaft zu unterminieren suchten.

Schließlich sorgte noch eine Verfassungsänderung für lange Gesichter bei den Menschenrechtlern: Es wurde eine Klausel eingefügt, dass Gesetze nicht rückwirkend angewendet werden dürften. Nun befürchten amnesty international und Human Rights Watch, dass die Verantwortlichen für dreißig Jahre Massaker unter Suharto mit mindestens 800 000 Toten ungestraft davonkommen.

Das ist nicht unwahrscheinlich: Seit dem Finanzcrash in Asien dümpelt Indonesien am Rande des wirtschaftlichen Kollapses herum. Separatistische Bewegungen stellen zudem die staatliche Einheit des indonesischen Archipels in Frage. Suhartos Massakerherrschaft war im Westen immer als »Stabilisierungsfaktor« in Asien unterstützt worden. Warum sollte dann heute eine Art historischer Kompromiss zwischen angeblichen Reformkräften des Establishments wie Wahid und Megawati und den Kräften von Suhartos alter Ordnung nicht das angemessene Mittel sein, einige weitere Jahre kapitalistische »Stabilität« herzustellen?