Neuanfang mit Kontinuität

Jugoslawische Metamorphosen

»Die schnelle Umbesetzung von Führungspositionen bei Polizei und Militär würde ohne Zweifel den Staatsinteressen schaden, weil sie zur Destabilisierung führen würde«, erklärte Jugoslawiens neuer Präsident Vojislav Kostunica Anfang des Monats. Nebojsa Pavlovic, der Generalstabschef der jugoslawischen Armee, sieht das natürlich genauso. Er habe keinen Moment gezögert, die neue Regierung zu unterstützen, bekräftigte der ehemalige Milosevic-Getreue den legalistischen Wechsel an der Spitze des Staates. Der nationale Wille sei ihm Befehl, beteuerte der General, der während des Kosovo-Krieges die jugoslawischen Truppen führte und jetzt von Kostunica im Amt gehalten wird, um die Stabilität zu wahren.

Diese Männerfreundschaft verdeutlicht den etwas eigenwilligen Charakter des Umsturzes vom 5. Oktober, als Kostunicas Anhänger das Parlament in Belgrad stürmten und Slobodan Milosevic absetzten. So viel wollten die Umstürzler nämlich gar nicht umstürzen.

Selbst der Chef des Geheimdienstes, Rade Markovic, darf im Amt bleiben. Zunächst hatte sich das DOS-Bündnis geweigert, mit den ehemaligen Milosevic-Sozialisten eine Übergangsregierung zu bilden, solange der mehrerer politischer Morde bezichtigte Markovic nicht zurückgetreten sei. Doch dann strich die EU ihn und 183 andere ehemalige Milosevic-Getreue letzte Woche von einer Schwarzen Liste, auf der die Bösewichte des Ancien Régime verzeichnet sind.

Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge hat Kostunica selbst den Persilschein für Markovic erwirkt, schließlich habe dieser den friedlichen Sturz Milosevics ermöglicht. Jetzt hat auch DOS kein Problem mehr, sich an einer Übergangsregierung zu beteiligen, die die Neuwahlen zum serbischen Parlament am 23. Dezember vorbereiten soll.

Kontinuität und Reform treten nun als höchste Maximen des jugoslawischen Übergangs hervor. Deutlich wurde dies schon bei der Bildung der jugoslawischen Föderationsregierung vor zwei Wochen. Der neue Premierminister Zoran Zizic von der Sozialistischen Volkspartei Montenegros (SNP) erklärte den Abgeordneten die Leitlinien der neuen Exekutive: »Die föderale Regierung wird unser Land der Welt öffnen.« Privatisierungen und Marktreform stünden auf dem Programm. Bis vor wenigen Wochen waren Zizic und seine SNP noch Alliierte von Milosevic. Publikumswirksam wetterten sie gegen den »Neoliberalismus«, den Zizic nun propagiert.

Der Generalstabschef, der Geheimdienstboss und der Premierminister sind keine Ausnahmefälle: Die Vertreter der alten Nomenklatura klammern sich an die Macht. Dabei arrangieren sie sich mit Kostunicas Truppe ohne ideologischen Vorbehalt - und diese mit ihnen. Schließlich zogen die Funktionsträger bislang ebenfalls ihre Legitimation daraus, die Interessen der Nation zu verteidigen. Das machen sie jetzt einfach weiter. Nur ein paar allzu bekannte Köpfe dürfen nicht dabei sein. Jugoslawien soll schließlich vor der internationalen Öffentlichkeit gut dastehen.

Während im Staatsapparat auf nationale Kontinuität gesetzt wird, soll die Ökonomie drastisch umgestaltet werden. Privatisierung und Integration in den Weltmarkt sind nun auch für ehemalige Sozialisten erstrebenswert. In den staatlichen Unternehmen sind die Metamorphosen von Parteibürokraten zu Managern in vollem Gange. Was die Ex-Genossen in den osteuropäischen Nachbarländern schon geschafft haben, holen die Leitungskader der Staatsbetriebe nun in Jugoslawien nach.