NPD- und Versammlungsverbot

Aufstand der Unanständigen

Preisfrage: Was haben die Plakatmaler von Linksruck mit dem bayerischen Innenminister Günther Beckstein gemein? Richtig, beide fordern: Weg mit der NPD. Es gibt Linke, die mit solchen Widersprüchen leben können. Es gibt auch Bürger, die gehen zum »Aufstand der Anständigen«, wenn die Regierung sie dazu auffordert. Die Situation eines Menschen, der in Abschiebehaft sitzt, berührt das jedoch kaum.

»Wir überlassen den Braunen nicht unsere Stadt«, hat Bundestagspräsident Wolfgang Thierse letzten Samstag den Demonstranten gegen den NPD-Aufmarsch in Berlin zugerufen. Seit Wochen schon präsentiert er sich als aufrechter Kämpfer gegen Rechts. Dass er allerdings 1992 für die Änderung des Asylrechts stimmte und damit die Neonazis - kurz nach dem Pogrom in Rostock und dem Mordanschlag von Mölln - stärkte, darüber schweigt er heute. Geht es gegen die NPD, kann er momentan schließlich eine große gesellschaftliche Mehrheit auf seiner Seite wissen. Doch Transparente, auf denen steht: »Der Staat schiebt ab« wurden sogar am 9. November, beim Aufstand für Menschlichkeit und Toleranz, von Zivilpolizisten abgegriffen.

Angeblich holt der Staat gerade zum Schlag gegen Rechts aus. Wie 1992 soll auch jetzt wieder ein Grundrecht dran glauben. Damals wurde das Asylrecht geändert, heute geht es um die Beschränkung der Versammlungsfreiheit. Bald wird man keine linken Gegendemonstranten als Alibi mehr brauchen, um eine Demo von Rechtsextremisten abzubrechen oder zu verbieten. Und andersrum sowieso nicht. Aufmärsche, die Gewalt und Willkürherrschaft verherrlichen, sollen untersagt werden können.

Im Gespräch ist bei den deutschen Innenministern, die vorige Woche in Bonn ihre Herbsttagung abhielten, auch die Schaffung so genannter befriedeter Orte. Gemeint sind das zukünftige Holocaust-Mahnmal oder das Brandenburger Tor. An den »emotionalen Orten« (Beckstein) sollen keine Nazi-Aufmärsche mehr stattfinden. Keine Nazi-Aufmärsche oder überhaupt keine Demos? Wer weiß.

Die Einrichtung einer bundesweiten Datei über rechte Gewalttäter ist so gut wie beschlossen. Und als Krönung des Ganzen ist das NPD-Verbot durch das Bundesverfassungsgericht vorgesehen.

Das wirkt unfair gegenüber einer Partei, deren Inhalte man längst zur Regierungspolitik erhoben hat. »Ausländerstopp - jetzt!« lautete ein NPD-Wahlslogan von 1980. Spätestens 1992 war dies Konsens unter den Demokraten. Während Merz, Merkel und Co. über deutsche Leitkultur und nationale Identität salbadern, Stoiber das Asylrecht ganz abschaffen will, Schily den deutschnationalen Unmenschen mimt und selbst die PDS über eine Begrenzung der Zuwanderung sinniert, demonstriert die NPD für Meinungsfreiheit und gegen den Turbokapitalismus. Die Verwirrung könnte größer nicht sein.

Doch dahinter wird der Konsens der deutschen Gesellschaft sichtbar: das Vertrauen in den starken Staat und das Misstrauen allem Fremden gegenüber. Wenn Thierse poltert, es dürfe nicht sein, »dass wir als Steuerzahler Feinde der Demokratie mitfinanzieren«, dann weiß er ein Volk von Ökosteuer-Zahlern hinter sich. Dieses Volk geht am Samstag lieber einkaufen und will dabei von niemandem belästigt werden, denn es ist der Meinung: Die Polizei muss das regeln mit den Rechten - und den Linken. Und auch das mit den Ausländern. Und zwar anständig.

Das NPD-Verbot wird die rassistischen Übergriffe nicht stoppen. Aufgabe der Linken kann es nicht sein, beim Ausbau eines autoritären Staates mitzuhelfen. Nötig wäre es, den Rechtsradikalen und ihren Fans in der Bevölkerung zu zeigen, dass sie mit ihren Inhalten nicht durchkommen. Das Gegengift gegen Nazis lautet: Grenzen auf für alle. Weg mit den Abschiebeknästen. Aufstand der Unanständigen.