Faschisten in Spanien

Francos Enkel

25 Jahre nach dem Ende der Diktatur sind die spanischen Faschisten wieder auf dem Vormarsch.

Antifaschisten führen in Spanien auch ein Vierteljahrhundert nach dem Ende der Franco-Ära kein ruhiges Leben. In den vergangenen Wochen habe sie zahlreiche Morddrohungen erhalten, erzählt Anita Dolores, die Präsidentin des Archivs über Krieg und Exil (AGE) in Madrid. Die Drohungen richteten sich vor allem gegen die Organisatoren der »Karawane der Erinnerung«, die anlässlich des Todestages von Franzisco Franco seit Anfang November quer durch Spanien zieht, um an die faschistische Vergangenheit des Landes zu erinnern.

An der Karawane sind Antifaschisten aus aller Welt beteiligt, um über die Geschichte zu berichten, »die niemand hören will, die verschwiegen wird, die von der Diktatur geschrieben wurde«, wie Dolores das Anliegen der Tour beschreibt.

In vielen Kommunen stoßen die »Guerilleros Antifrancistas«, wie sie sich selber nennen, die meistens 80 Jahre und älter sind, dabei auf erhebliche Schwierigkeiten. »Der erste Schlag ins Gesicht traf uns schon ganz zu Beginn«, so Dolores. In León verhinderten die 14 Abgeordneten der konservativen Partido Popular (PP) eine Rehabilitation von Antifaschisten, die während der Franco-Diktatur verurteilt und hingerichtet worden waren. Die spanischen Regierungsparteien des so genannten Demokratischen Übergangs, der Transición, erließen nach 1975 eine rasche Amnestie für Francos Anhänger und vermieden in der Folgezeit eine intensivere Auseinandersetzung mit der faschistischen Vergangenheit. Daran hat sich bis heute wenig geändert.

So wird auch in den Schulen dieses Thema nur am Rande behandelt. Wenn Alberto Iberio aus Kuba, der in der XV. Internationalistischen Brigade kämpfte, auf den zahlreichen Veranstaltungen der Karawane davon erzählt, wie während des Bürgerkrieges und der anschließenden Diktatur Tausende verraten, gefoltert und hingerichtet wurden und später in Massengräbern verschwanden, erntet er häufig nur fragende Blicke. Vielen Jugendlichen sind diese Geschichten unbekannt.

Die Namen der Täter schmücken heute Straßen, Plätze und Kasernen in ganz Spanien. Wer das kritisiert oder gar zu ändern versucht, muss mit Gewalt rechnen. So wurde in Murcia Anfang Oktober ein Mitarbeiter des AGE durch einen Kopfschuss ermordet. Der Antifaschist hatte sich seit Jahren dafür eingesetzt, Straßennamen zu ändern und in der Stadt ein Archiv über Krieg und Exil zu errichten. »Die Polizei erklärte damals, sie ermittle in alle Richtungen«, sagt Dolores. Den Recherchen des AGE zufolge steht vermutlich die Liga 88 mit diesem Mord in Verbindung.

Die rechtsradikale Organisation ist in ganz Andalusien aktiv und schürte Anfang Februar - mit Unterstützung des Bürgermeisters Juan Enciso von der PP - in El Ejido ein Pogrom gegen nordafrikanische Arbeitsmigranten. Augenzeugen berichten von Nazi-Skins, die mit Bussen aus mehreren andalusischen Städten anreisten und Flugblätter mit der Aufschrift »88« verteilten. Auf einer der spanischen Internetseiten von Nuevo Orden (Neue Ordnung) mobilisierte zum Beispiel die Gruppe Murcia88 zu den Ausschreitungen in El Ejido.

Die Entstehung der Liga 88 ist eng mit der Franco-Diktatur verbunden. Ende der fünfziger Jahre gründeten deutsche Mitglieder der Waffen-SS, die in Spanien untertauchen und eine eigenständige Organisationsstruktur aufbauen konnten, die spanische Sektion der Wiking-Jugend, die später in Revolutionäre Nationalsozialistische Jugend umbenannt wurde.

Im selben Milieu gründeten sich Die Freunde Europas (Cedade). Die Cedade kümmerte sich in den sechziger und siebziger Jahre um die Ausbildung von Funktionären und Kadern nach dem »Vorbild der NSDAP«, die später selbst in den höchsten Positionen von Justiz, Armee, Polizei sowie im Bildungswesen, in den Medien und der Kirche zu finden waren. Die aus der franquistischen Bewegung entstandenen Organisationen wie Falange, Bewegung der spanischen Katholiken (MCE) oder Patria Libre blieben stets dem Motto der »spanischen Einzigartigkeit« treu. Im Gegensatz dazu verteidigte Cedade die »europäische Idee« einer nationalsozialistischen Revolution.

Im Jahre 1984 ging aus den Cedade die Nationale Studentische Koordination der Nationalrevolutionäre (CNENR) hervor, die wenig später die »Bases Autonomas« initiierte, mit denen auch die Liga88 eng verbunden ist. Etwa 50 000 Personen sind in den autonomen Nazigruppen organisiert, die für ihre Gewalt gegen Linke bekannt sind und die gute Kontakte zu Fußballfans und Hooligans unterhalten. Jedes Jahr am 20. November organisieren sie einen Gedenkmarsch und andere Feierlichkeiten zum Todestag Francos.

Auch an den Universitäten nehmen die Aktivitäten der Nazis zu. So ließ eine studentische Nazi-Organisation vergangene Woche den argentinischen Historiker Norbeto Seresoles auftreten, der gegen Israel und die »zionistische Weltherrschaft« wetterte. Als eine Gruppe von antifaschistischen Studenten die Veranstaltung verhindern wollte, wurde sie von mit Messern und Baseballschlägern bewaffneten Ordern angegriffen. Das Rektorat leitete sofort eine Untersuchung ein, um die beteiligten »linksextremen« Studenten zu exmatrikulieren.

Ähnlich auch der Umgang des Madrider Regierungspräsidenten mit der antifaschistischen Demonstration, die sich den faschistischen Mobilisierungen entgegenstellte. »Die Demonstration stellt eine Provokation, eine Einschüchterung der Teilnehmer der Veranstaltung zum Gedenken an den 20. November dar«, hieß es in der Verbotsverfügung des Regierungspräsidiums. Deshalb übe sie »moralische Gewalt« aus. Die antifaschistische Demonstration, an der am Dienstag vergangener Woche rund 5 000 Personen teilnahmen, wurde daraufhin von der Polizei aufgelöst.