Im Konflikt zwischen Serbien und dem Kosovo droht eine militärische Auseinandersetzung

Serbische Helden und Banditen aus Priština

An der Grenze zwischen dem Kosovo und Serbien nehmen die Spannungen zu. Die kosovarische Spezial­polizei geht im Norden des Landes repressiv vor, die Sicherheitsvorkehrungen wurden erhöht.

Menschen in Gewahrsam zu nehmen und zu befragen, ist eine Kerntätigkeit von Polizist:innen. Ihnen selbst widerfährt dies, gerade höheren Dienstgraden, eher selten. Doch nicht nur deshalb war es eine bemerkenswerte Nachricht, dass serbische Behörden am 17. April zehn kosovarische Polizisten festnahmen, darunter einen stellver­tretenden Generaldirektor der kosovarischen Polizei. Dabei handelte es sich um den ethnischen Serben Dejan Jan­ko­vić, der die serbische Minderheit in der Führung des kosovarischen Polizeiapparats repräsentiert.

Die Beamten befanden sich außer Dienst und reisten privat über Serbien ins Ausland. Festgenommen wurden sie bei verschärften Grenzkontrollen, mit denen serbische Behörden auf eine Abstimmung in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats reagierten, die sich für die Mitgliedschaft des Kosovo in dieser internationalen Organisation zur Förderung von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in Europa aussprach. Ein Beitritt zum Europarat wäre eine Anerkennung der Eigenstaatlichkeit Kosovos und würde den serbischen Anspruch auf die Region untergraben.

Kontrollen gegen Kosovaren

Die Kontrollen trafen alle Kosovaren, die nach oder durch Serbien reisten. Dass dabei besonders nach kosovarischen Polizisten Ausschau gehalten wurde, ist der nächste Schritt in der eskalierenden Auseinandersetzung um die kosovarische Spezialpolizei, die seit 2021 im serbischen Siedlungsgebiet im Norden Kosovos, in dem de facto serbische Institutionen Staatsaufgaben wahrnehmen, präsent ist. Seitens der kosovarischen Regierung unter Ministerpräsident Albin Kurti stellt dies den Versuch dar, endlich effektive Kon­trolle über diesen Teil des Landes zu erlangen.

Die NGO International Crisis Group beschrieb Anfang April in einem Papier, dass dies in der Region jedoch nicht gut ankommt: »Viele der Beamten sind ethnische Albaner, die kaum ein Wort Serbisch sprechen. In ihren stark befestigten Basen wirken die Polizisten für die Serben eher wie eine Besatzungsmacht denn wie Staatsdiener.« Der mehrheitlich von Albanern bewohnte Kosovo hatte 2008 seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt.

Im Januar wurde die Einfuhr und Benutzung der serbischen Währung Dinar und somit die Finanzierung serbischer Institutionen, aber auch die Zahlung von Renten und anderen Transferleistungen verboten.

Die Stationierung der Spezialpolizei zog Proteste und Boykottkampagnen seitens der serbischen Bevölkerung nach sich. Im September 2023 versuchten serbische Nationalisten, diese Si­tuation auszunutzen, und drangen mit einer bewaffneten Gruppe in den Ko­sovo ein, wo sie sich ein Gefecht mit kosovarischen Polizisten lieferten. Der Verdacht, dass diese Aktion dazu dienen sollte, einen umfassenden bewaffneten Aufstand der serbischen Minderheit im Kosovo auszulösen, wird durch die Funde mehrerer umfangreicher Waffenverstecke bestärkt, die offenkundig im Zusammenhang mit der Aktion standen.

Infolgedessen begann die kosovarische Regierung, Verbindungen zwischen dem Nordkosovo und Serbien zu kappen. So wurde im Januar die Einfuhr und Benutzung der serbischen Währung Dinar und somit die Finanzierung serbischer Institutionen, aber auch die Zahlung von Renten und anderen Transferleistungen verboten. Im Februar wurden Verwaltungsgebäude in serbischen Dörfern im Südkosovo durchsucht und geschlossen. Dinar, die in serbischen Postämtern gefunden wurden, über die unter anderem Rentenzahlungen abgewickelt werden, wurden beschlagnahmt.

Kosovo will seinen Militärhaushalt verdoppeln

Am 13. April schließlich wurde ein Serbe wegen Waffenbesitzes und Widerstands gegen die kosovarische Polizei verhaftet, der im Oktober 2021 durch Schüsse eines Spezialpolizisten verwundet worden war. Serbiens Präsident Aleksandar Vučić bezeichnete diese Maßnahme als Verhaftung eines »serbischen Helden« durch »Banditen aus Priština« und sagte, dass alle, die die verfassungsmäßige Ordnung Serbiens verletzen und sich dort aufhalten, wo Serbien Kontrolle ausübe, von serbischen Behörden »verfolgt, festgenommen und vor Gericht gestellt« würden.

Die Ingewahrsamnahme der kosovarischen Polizisten bei Grenzkontrollen in Serbien dürfte den Vollzug dieser Ankündigung darstellen. Der Konflikt droht immer mehr, zu einer militärischen Auseinandersetzung zu eskalieren. In der Nähe der Grenze zum Kosovo wurde serbisches Militär stationiert, am 9. April begannen Spezialeinheiten Manöver, bei denen dem Verteidigungsministerium zufolge die Durchführung »einer antiterroristischen Operation in einem ländlichen Umfeld« trainiert wird.

Kurti reagierte darauf mit der Ankündigung, der Kosovo werde den Militärhaushalt verdoppeln, Panzerabwehrraketen und Drohnen kaufen und den Personalbestand der Armee aufstocken. Das aggressive Auftreten Vučićs wird im Kosovo häufig auf seine Nähe zu den Präsidenten Wladimir Putin und Xi Jinping zurückgeführt, der serbische Präsident also als Marionette Russlands und Chinas wahrgenommen, deren Auftrag es sei, die Südostflanke der Nato zu destabilisieren. Vieles spricht jedoch dafür, dass es gerade auch die Politik west­licher Staaten ist, die Vučić zu einem selbstbewussten Auftreten ermuntert.

Sehr genau ist in Serbien verfolgt worden, dass die westlichen Staaten den von der Türkei unterstützten Überfall Aserbaidschans auf die international nicht anerkannte Republik Arzach (wie das armenische Siedlungsgebiet Bergkarabach von seinen Bewohnern genannt wurde) und die Vertreibung von deren kompletter Bevölkerung hin­genommen und mit Verweis auf die völkerrechtliche Zugehörigkeit Arzachs zu Aserbaidschan legitimiert haben. Denn aus Sicht der serbischen Regierung ist der Status des Kosovo durchaus vergleichbar mit dem, den Arzach hatte. Zudem findet die Politik der Regierung Kurti gegenüber der serbischen Minderheit im Westen kaum Unterstützung.

Die Nato bemüht sich derzeit zu demonstrieren, dass man nicht bereit sei, einen Angriff Serbiens auf den Kosovo hinzunehmen.

In ihrem Papier zur Situation legt die International Crisis Group dar, dass die Etablierung einer vollständigen Kon­trolle der kosovarischen Regierung über die serbischen Siedlungsgebiete derzeit nicht im Interesse des Westens sei. Deren Bevölkerung sei weithin von serbischen Sozialleistungen und Institutionen abhängig: »Ethnische Diskriminierung und Sprachbarrieren verhindern bis auf wenige Ausnahmen den Zugang von Kosovo-Serben zum Arbeitsmarkt. Wenn sie den Zugang zu serbischen Arbeitsplätzen und Sozialleistungen verlieren, werden viele auswandern. Die EU und die USA sollten den Kosovo dazu ermutigen, zu garantieren, dass diese Leistungen Serbiens unverändert bleiben.«

Dass man gleichwohl nicht bereit sei, einen Angriff Serbiens auf den Kosovo hinzunehmen, bemüht sich derzeit die Nato zu demonstrieren. Die Nato-Missionen im Kosovo und in Bosnien werden aufgestockt und die französische Luftwaffe fliegt von dem im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg in der ­Adria stationierten Flugzeugträger »Charles de Gaulle« aus Aufklärungsflüge über den Grenzen des Kosovo.