Frauenkirche statt Synagoge

Millionen für den Mythos

Beim Wiederaufbau der Frauenkirche steht die Dresdner Bank ganz vorn. Für die zerstörte Synagoge in Dresden will sie aber nicht spenden.

Der Job ist vielfältig genug, doch nichts braucht ein Pressesprecher nötiger als die Fähigkeit zur Distinktion. Seine Aufgabe ist es, zwischen Situationen zu unterscheiden, in denen es an der Zeit ist zu sprechen und solchen, da er am besten schweigt. Sobald es nicht mehr um beredte Selbstdarstellungen und fröhliche Imagekampagnen geht, ist es seine Aufgabe, den Ruf des eigenen Hauses zu schützen und öffentliche Kritik zu unterbinden. Dann wird der Pressesprecher zum Nicht-Sprecher.

So auch bei der Dresdner Bank. Wenn man nach der Bereitschaft des Finanzinstituts fragt, mit Spenden zum Wiederaufbau der Dresdener Synagoge beizutragen, wird man höflich weiter verwiesen: vom Sprecher in Dresden zum zuständigen Büro in Leipzig, von Leipzig dann nach Frankfurt/Main, von der dortigen Praktikantin der Pressestelle zur Leiterin, und von der wieder drei Zimmer weiter. Aber eine Auskunft erhält man nicht.

Die Zurückhaltung der Bank hat Gründe. Erst Ende September hatte es das Geldinstitut abgelehnt, in irgendeiner Weise für den Neubau der Dresdner Synagoge und des jüdischen Gemeindezentrums aufzukommen. Begründung: Das Engagement der Dresdner Bank für die derzeit im Aufbau befindliche Dresdner Frauenkirche und die für dieses Projekt rückläufige Spendenbereitschaft. Voraus gegangen waren zweijährige Verhandlungen und mehrere Bittbriefe - darunter einer des sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf (CDU).

Am 9. November 1938 war die Dresdner Synagoge niedergebrannt worden. Von den ehemals 6 000 Juden und Jüdinnen in der Stadt überlebten nur 70 den Nationalsozialismus - und das auch nur deshalb, weil nach den Bombenangriffen der US-amerikanischen und der britischen Luftwaffe die Deportationszüge in die Konzentrationslager nicht mehr abfahren konnten.

Heute zählt die Jüdische Gemeinde Dresden 350 Mitglieder. Die derzeit als Synagoge genutzte ehemalige Totenhalle des jüdischen Fiedhofes fasst gerade ein Viertel von ihnen. Eigentlich sollen die neue Synagoge sowie das Gemeindezentrum am 9. November nächsten Jahres eingeweiht werden. Kosten: 21,5 Millionen Mark.

Zum Vergleich: Der Wiederaufbau der im Februar 1945 von britischen und US-amerikanischen Bombern zerstörten Frauenkirche wird mit 250 Millionen Mark veranschlagt. Allein durch die Spenden von Privatleuten, Firmen und anderen Trägern hat die Stiftung »Wiederaufbau Frauenkirche« bisher 125 Millionen Mark eingenommen, 60 Millionen steuerten öffentliche Einrichtungen bei. Sorgen um die Beschaffung der noch fehlenden 65 Millionen bis zur Rohbaufertigstellung im Jahr 2004 braucht sich die Stiftung nicht zu machen.

Ganz anders sieht dagegen die Situation des Fördervereins »Bau der Synagoge zu Dresden« aus. Obwohl nur ein Bruchteil dessen benötigt wird, was die Frauenkirche kostet, ist die Finanzierung immer noch nicht endgültig gesichert. Von Land und Stadt kamen jeweils fünf Millionen Mark. Der Förderverein hat 2,9 Millionen aufgetrieben. Vier Millionen sollen es werden. »Das ist auch in jedem Fall zu schaffen«, zeigt sich der Sprecher des Fördervereins, Jan Post, optimistisch.

Wo jedoch die fehlenden 7,5 Millionen Mark herkommen sollen, bleibt unklar. Sachsens Ministerpräsident Biedenkopf, der zugleich Schirmherr des Fördervereins ist, wandte sich zu Beginn dieses Jahres mit einem Spendenaufruf an 38 große deutsche Unternehmen. Das Resultat verwundert angesichts der Debatte über die Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern nicht: Lediglich ein Drittel der angeschriebenen Firmen war zu einer Spende bereit.

Zu denen, die nichts zahlen wollen, gehören neben der Dresdner Bank auch Siemens, die Allianz und Volkswagen. Am Engagement der Stadt für die Konzerne kann das nicht liegen. Im Zentrum Dresdens baut Volkswagen derzeit eine so genannte Gläserne Fabrik, wo man die Autoproduktion wird beobachten können. Auch zu den Spendern der Stiftung »Wiederaufbau Frauenkirche« zählt VW.

Die Dresdner Bank steht ebenfalls zu Dresden - doch zunächst eben nur zur Frauenkirche. Ein Sprecher des Unternehmens, der nicht genannt werden will, sieht darin »ein Symbol für die Kultur der Aussöhnung zwischen Ost und West, zwischen Osteuropa und Westeuropa, zwischen Alliierten und ehemaligem Dritten Reich«. Und natürlich ein »Symbol für die Wiedervereinigung Deutschlands«. Das ist Motivation genug für die Bank, das Projekt Frauenkirche mit vollem Einsatz zu unterstützen. 85 Millionen Mark an Privatspenden hat die Dresdner Bank aufgetrieben. Acht Millionen kommen vom Bankhaus selbst. Eine Million haben die MitarbeiterInnen gespendet. Der Rest ist das Ergebnis einer von der Dresdner Bank geleiteten und zugunsten der Frauenkirche kostenlos durchgeführten »Stifterbriefaktion«. Dass bei soviel Engagement die Synagoge vielleicht zu kurz kam, dafür bittet der Banksprecher um Verständnis.

Im Gegensatz zur bundes-, wenn nicht gar europaweiten Ausstrahlungskraft der Frauenkirche handele es sich bei dem jüdischen Gotteshaus um ein regionales Projekt. Der Förderverein für den Synagogenbau erhielt deshalb lediglich eine einmalige Zahlung in Höhe von 50 000 Mark. »Anschubfinanzierung« nennt das der anonyme Pressesprecher der Dresdner Bank. Denn auch die Wortschöpfung gehört zu seinem Job.