Flüchtlingspolitik in Australien

Die Insel als Festung

In australischen Internierungslagern wächst der Widerstand der eingesperrten Flüchtlinge. Die Regierung versucht derweil, die Landesgrenzen hermetisch abzuriegeln.

Es war bereits der fünfte Riot in einem australischen Flüchtlingslager in diesem Jahr. Am Nachmittag des 1. Juni versuchten zwischen 100 und 200 Insassen des westaustralischen Auffanglagers Curtin, das Verwaltungszentrum zu stürmen. Sie rissen Anstaltszäune nieder und warfen Fensterscheiben ein. Der private Sicherheitsdienst Australisian Correctional Management (ACM), der das Lager betreibt, setzte nach Angaben der australischen Zeitung The Age Tränengas und Schlagstöcke ein, um den Aufruhr zu stoppen.

Das Ereignis kann angesichts der seit Monaten herrschenden Zustände in den sechs australischen Auffanglagern für illegalisierte Flüchtlinge kaum verwundern. Die internierten Asylbewerber versuchten immer, durch Hungerstreiks, Massenausbrüche und militanten Widerstand auf ihre Situation aufmerksam zu machen: zu kleine Zellen, überflutete sanitäre Anlagen und keine Möglichkeiten der Freizeitgestaltung. Die Lager ähneln Hochsicherheitstrakten, sie sind festungsartig ausgebaut, umgeben von Stacheldrahtzäunen oder meterhohen Mauern und werden mit Videokameras überwacht.

Die konservative australische Koalitionsregierung unter Premierminister John Howard reagiert auf den Aufruhr in den Lagern mit Härte. So stürmte am Morgen des 26. Mai ein Großaufgebot von 170 Polizisten und Sicherheitsbeamten des ACM das Auffanglager Port Hedland, um 22 Personen festzunehmen, die am 11. Mai eine Revolte angezettelt haben sollen. Aus Protest gegen den martialischen Einsatz und die Verlegung der 22 Festgenommenen ins Gefängnis traten mehr als 500 Flüchtlinge zeitweilig in den Hungerstreik. Philipp Ruddock, der als Hardliner berüchtigte Minister für Immigration und multikulturelle Angelegenheiten, verteidigte das massive Vorgehen nach Angaben der Zeitung Australian Financial Review lapidar mit den Worten, es sei nötig, »ausreichend Beamte zur Verfügung zu stellen, um die Situation unter Kontrolle zu bringen«.

Im Auftrag der Regierung betreibt das ACM sechs solcher Abschiebelager, die isoliert in wüstenähnlichen Gegenden liegen. Hier sitzen derzeit insgesamt rund 4000 Personen ein. Die Mitarbeiter des ACM sind vertraglich zum Schweigen verpflichtet. Offenbar nicht ohne Grund: Eine ehemalige Krankenschwester des ACM, die acht Jahre lang in diesen Lagern gearbeitet hatte, bezeichnete gegenüber The Age die Haftbedingungen für Asylsuchende im Lager Maribyrnong als »seelische Folter«.

Einer der Hauptkritikpunkte von Menschenrechtsgruppen und antirassistischen Initiativen wie der Free the refugee campaign ist der oft jahrelange Aufenthalt von Flüchtlingen in den Lagern. Mitte Juni kam ein vom Parlament eingesetztes Menschenrechtskomitee, das aus Abgeordneten aller Parteien bestand, nach der Untersuchung der Bedingungen in den Camps zu der Empfehlung, die Inhaftierungszeit auf 14 Wochen zu begrenzen und nach Ablauf dieser Frist die Flüchtlinge freizulassen. Es war der dritte derartige Untersuchungsbericht in diesem Jahr. Immigrationsminister Ruddock wies die Kritik des Komitees als »oberflächlich« und »naiv« zurück.

Premierminister John Howard stellte sich hinter Ruddock und lehnte den Freilassungsvorschlag der Tageszeitung Sydney Morning Herald zufolge rundweg ab: »Das Schlimmste, das Australien machen kann, ist, den potenziellen illegalen Immigranten, die in dieses Land kommen, ein Signal zu geben, (...) dass wir eine günstige Gelegenheit bieten.« Auch die oppositionelle Labor-Partei scheut sich angesichts der Ende des Jahres fälligen Wahlen, eine klare Position zu beziehen.

Trotz einiger Ansätze zur Aufarbeitung der rassistischen Vergangenheit unterstützen große Teile der australischen Gesellschaft die harte Politik gegen Flüchtlinge. Australien war nach dem Zweiten Weltkrieg ein klassisches Einwanderungsland, in das von 1945 bis 1960 etwa 1,6 Millionen Menschen immigrierten - allerdings überwiegend Weiße. Das Land gehörte 1951 zu den ersten Unterzeichnern der Genfer Flüchtlingskonvention und war maßgeblich an deren Ausarbeitung beteiligt.

Heute aber betreibt Australien als einziges westliches Land eine Politik der »obligatorischen Haft« für alle Personen, die ohne gültige Einreisepapiere ankommen und die Art ihrer Verfolgung nicht nachweisen können. Ihnen werden elementare Sozialleistungen verweigert, und sie dürfen keinen Kontakt zu ihren Familien herstellen.

Nach Angaben des australischen Ministeriums für Immigration und multikulturelle Angelegenheiten (Dima) kam im Fiskaljahr 1999/2000 fast ein Drittel der Asylsuchenden ohne gültige Einreisepapiere - ungefähr 1 600 Personen - über den Luftweg nach Australien, 400 Personen weniger als im Jahr zuvor. Denn mittlerweile hat die australische Regierung mit Thailand, Singapur und Malaysia spezielle Abkommen geschlossen. Auf Anweisung dieser Staaten stellen die Fluggesellschaften nur noch Passagieren mit gültigen Ausweisen Bordkarten für Flüge in Richtung Australien aus.

Dafür landeten in demselben Zeitraum 4 174 Personen mit 75 Booten an Australiens Küste, was einer Steigerung von 354 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Im laufenden Jahr gelang bereits etwa 4 000 Menschen die Flucht nach Australien auf dem Seeweg - so vielen wie im gesamten Vorjahr. Die meisten Bootsflüchtlinge stammen aus Irak, aus Iran und Afghanistan. Sie gelangen über Indonesien auf australischen Boden, wo sie sich auf oft seeuntüchtigen Booten einschiffen.

Also muss nach staatlicher Logik der Seeweg versperrt werden. Die australische Küstenwache und Luftüberwachungseinheiten wurden unlängst verstärkt. Außerdem wurden Polizeieinheiten gebildet, die versuchen sollen, »Schlepperringe« in Indonesien und anderen Herkunftsländern ausfindig zu machen, um die Infrastruktur für die Bootsflüchtlinge zu zerstören. Dabei kooperiert Australien mit den jeweiligen Regierungen.

Die Wochenzeitschrift Green Left Weekly bezeichnete das Vorgehen des australischen Staates gegen die Bootsflüchtlinge als »Staatsparanoia« und als rassistisch. Gegenüber Weißen zeige sich die Regierung toleranter. Allein Ende 1997 haben »51 000 Menschen vor allem aus den USA und Großbritannien ihre Visadauer überschritten und halten sich damit illegal in Australien auf«.