Isolationshaft für Demonstranten

Pardon gibt es nicht

Die nach dem EU-Gipfel in Göteborg inhaftierten Demonstranten sind Haftbedingungen ausgesetzt, die an die siebziger Jahre in Deutschland erinnern.

Für die inhaftierten Globalisierungsgegner gibt es kein Pardon. Der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder bezeichnete sie nach dem EU-Gipfel in Göteborg als Verbrecher, die mit der ganzen Härte der Gesetze zu rechnen hätten. Entsprechend verhalten sich jetzt die schwedischen Behörden. Von den sieben nach einem Terroristenparagraphen des Ausländergesetzes verhafteten Deutschen sind immer noch fünf unter verschärften Bedingungen inhaftiert.

Sie sitzen isoliert in sechs Quadratmeter großen Zellen und konnten bisher nur mit ihren schwedischen Pflichtverteidigern kommunizieren. Kontakte zu deutschen Anwälten und den Angehörigen sind ihnen nicht erlaubt. Eine Stunde Einzelhofgang pro Tag und die Erlaubnis, gelegentlich fernzusehen und Radio zu hören, stellen die Lockerung der Haftbedingungen nach drei Wochen dar. Was den Gefangenen im Einzelnen vorgeworfen wird, wissen sie nicht.

»Eine solche Behandlung von Häftlingen kenne ich nur aus der Zeit der Terroristenprozesse in den siebziger Jahren in Deutschland«, sagte Volker Ratzmann, der deutsche Anwalt eines Inhaftierten, in der Berliner Zeitung. Auch Christian Ströbele, Mitglied des Bundestages für die Grünen, ist überzeugt, dass diese Behandlung den europäischen Mindeststandards nicht entspricht. »Wenn weder die Angehörigen noch die deutschen Anwälte Zugang zu den Verhafteten haben, ist das mit rechtsstaatlichen Grundsätzen und dem auch von Schweden anerkannten Menschenrecht auf ein faires Verfahren nicht zu vereinbaren«, erklärte er der Jungle World.

Ebenso bedenklich erscheint es ihm, dass den Verhafteten bisher nicht mitgeteilt wurde, was ihnen konkret vorgeworfen wird. Auch nach den Haftprüfungsterminen bleibt die schwedische Staatsanwaltschaft bei der allgemeinen Formulierung »gewaltsamer Aufruhr« und Landfriedensbruch.

Das ist auch nicht weiter verwunderlich. Bis auf einen Demonstranten, der durch einen Schuss ins Bein verletzt wurde, verhaftete die Polizei die Verdächtigen in Situationen, die nichts mit den gewaltsamen Ausschreitungen zu tun hatten. Einer wurde auf dem Heimweg in sein Hotel festgenommen, andere auf dem Weg zu einer Bushaltestelle. Trotzdem werden sie seit Wochen wie Schwerverbrecher behandelt.

Im deutschen Auswärtigen Amt hat man dagegen keine Probleme mit der Vorgehensweise der schwedischen Behörden. »Die schwedischen Haftbedingungen entsprechen mindestens deutschen Anforderungen«, meint ein Pressesprecher des Amtes. Es sei doch versucht worden, über die Pflichtverteidiger einen indirekten Kontakt mit den Angehörigen herzustellen, so die Argumentation. Auch seien alle Angehörigen über die Verhaftungen rechtzeitig informiert worden und hätten die Möglichkeit, die Gefangenen zu besuchen. Der Widerspruch, dass auch drei Wochen nach der Inhaftierung noch nicht allen Gefangenen der Kontakt zu den Eltern gewährt wurde, scheint da nicht weiter zu stören.

Für die Verwandten der Inhaftierten sind die schwedischen Haftbedingungen nicht hinnehmbar. Erst in der letzten Woche verweigerte die schwedische Behörde einer Mutter die Besuchserlaubnis. Telefongespräche waren bisher nicht möglich, Briefe an die Verhafteten sollen nicht angekommen sein. Eine Mutter berichtet, dass sie erst fünf Tage nach der Verhaftung ihres Sohnes von den schwedischen Behörden davon in Kenntnis gesetzt wurde.

Besonders beunruhigend sind auch die ersten Nachrichten von den Inhaftierten. In den Briefen, die letzte Woche bei Angehörigen ankamen, klagen die Gefangenen über psychische und physische Probleme, was bei diesen Haftbedingungen nicht verwundert.

Die Vorsitzende des Jugendvorstandes von verdi Berlin-Brandenburg, Kati Becker, verlangt daher, dass die Situation der Gefangenen, von denen einige Mitglieder der IG-Medien sind, sofort verbessert werden muss, »um ihre Gesundheit nicht weiter zu gefährden«. Diese Forderung wird auch unter anderen von den Bundestagsabgeordneten Heidi Lippmann (PDS) und Annelie Buntenbach (Grüne) unterstützt.

Die Göteborger Staatsanwaltschaft ist dagegen von der Rechtmäßigkeit des Verfahrens überzeugt. Bis zur ersten Gerichtsverhandlung sei eine Kontaktsperre in Schweden durchaus üblich. Von den negativen Folgen der strikten Isolation sei nichts bekannt. »Und wenn es Probleme gäbe, sind Ärzte im Gefängnis vorhanden«, erklärt Magnus Bohlin, der zuständige Staatsanwalt, lapidar. Für Freitag dieser Woche ist der nächste Haftprüfungstermin festgesetzt, sieben Tage später sollen die Prozesse beginnen.

Bis dahin werden konkrete Anklagepunkte nicht veröffentlicht. Zum Beweis für die Anschuldigungen des »gewaltsamen Aufruhrs« und des Landfriedensbruchs sollen Videoaufnahmen und Polizeizeugen dienen. Wobei dann schon als »sichere Identifizierung« gelten muss, dass ein Beschuldigter angeblich auf einem Polizeivideo erkannt wurde, weil er als einziger eine kurze Hose getragen haben soll. Außerdem seien Beweismittel im Eigentum der Verhafteten gefunden wurden, wie der leitende Staatsanwalt Tomas Eliasson erklärte. Seiner Meinung nach haben die Festgenommenen schwere Verbrechen begangen. Ihnen droht nun eine Höchststrafe von 10 Jahren.

In Schweden sind die Haftbedingungen derzeit kein Thema. Stattdessen werden die Ausschreitungen zum Anlass genommen, um die Einschränkungen des Demonstrationsrechts weiter voranzutreiben. Nachgedacht wird auch über ein Vermummungsverbot, wie es in Deutschland bereits besteht.

Gegen die insgesamt 48 nach den Protesten in Göteborg Inhaftierten, darunter neben Schweden und Dänen auch Russen und Briten, ermittelt eine Spezialtruppe aus über 60 Polizeibeamten und neun Staatsanwälten, die auch von deutschen Behörden durch den Transfer von Akten und personenbezogenen Daten tatkräftige Unterstützung erhält.