Europarat rügt Deutschland

Sechs. Setzen!

Die Freude über den vorläufig größten Erfolg deutscher Menschenrechtspolitik, die Verschleppung Slobodan Milosevics nach Den Haag, war noch nicht verflogen, als unverhofft die Menschenrechtslage in Almanya in die internationale Öffentlichkeit geriet. Zu verdanken ist dies der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (Ecri), die in der vergangenen Woche ihre Berichte über Kroatien, die Türkei, Zypern und Deutschland vorstellte.

Die zum Europarat gehörende Kommission konstatiert eine Zunahme rassistischer und antisemitischer Straftaten in Deutschland. Zwar sei die Zahl der Gewalttäter relativ klein, jedoch gebe es eine »weitaus größere Zahl von Menschen«, die mit rassistischen und antisemitischen Ideen sympathisiere. Daher müsse man die Gewalt als Ausdruck eines »allgemeinen Klimas von Rassismus, Antisemitismus und Intoleranz« werten, was kein rein ostdeutsches Problem sei. »Einige Medien« verbreiten, so die Ecri weiter, »negative Klischeevorstellungen und Vorurteile« und tragen ebenso zum Rassismus bei wie die Diskussion um den Begriff »Leitkultur«, in dem sich das Konzept der »deutschen Identität als homogene Gesellschaft« widerspiegele.

Thema sind auch soziale Aspekte wie Diskriminierungen auf dem Wohnungsmarkt, die Unterrepräsentation von Migrantenkindern in höheren Schulen sowie die hohe Arbeitslosigkeit unter den Migranten. Davon besonders betroffen seien Roma und Sinti. Ferner wendet sich die Ecri gegen Flughafenschnellverfahren und die Kürzung von Sozialleistungen und mahnt generell, »Asylbewerber nicht als Kriminelle zu behandeln«. Auch wird davor gewarnt, durch eine verzerrende Darstellung etwa der Entschädigung jüdischer Zwangsarbeiter den Antisemitismus »noch zu verstärken«.

Auch wenn die Kritik nicht viel schärfer ausfiel als in jüngst veröffentlichten Berichten über Großbritannien und Dänemark, war die Empörung hierzulande groß. Man habe Deutschland »in eine Reihe mit Kroatien, Zypern und der Türkei« gestellt, meldete der deutsche Dienst von Associated Press, und fast alle Blätter druckten den Unsinn empört nach. »Die Menschen, die das aufgeschrieben haben, kennen Deutschland nicht«, schimpfte Innenminister Otto Schily in der ARD. Zur Seite sprang ihm der stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Michel Friedman. Deutschland sei, so Friedman in der Neuen Osnabrücker Zeitung, »insgesamt kein rassistisches oder antisemitisches Land«. Das sind die Momente, die die Friedmans und Özdemirs so wertvoll machen, weshalb man ihnen ihre gelegentlichen Angriffe auf die deutsche Normalität nachsieht. Indessen hat man in Berlin bereits die Verantwortlichen für die »schwere Schlappe« (Spiegel) identifiziert: die zuständigen Berichterstatter Elizabeta Gorgieva aus Mazedonien und Gün Kut aus der Türkei. Herrisch riet Schily ihnen, sich um die Zustände in »ihren eigenen Ländern« zu kümmern.

Kurz darauf ruderte der Europarat zurück. Sein Vize-Generalsekretär Hans-Christian Krüger erklärte der Welt am Sonntag, der Report sei »etwas überspitzt« formuliert, um die Debatte anzuregen. Deutschland lässt sich aber nicht von irgendwelchen Mazedonierinnen und Türken zur Debatte anregen. »In Berlin beklagt man nun die personelle Zusammensetzung der Ecri«, berichtet der Spiegel und zitiert einen Beamten aus dem Innenministerium: »Was die brauchen, ist ein Schuss vor den Bug.« Wenn Vertraute dieses Ministeriums künftig über die hiesigen Zustände berichten, dürfte Deutschland eine ähnliche internationale Blamage erspart bleiben. Was Menschenrechtsverletzungen sind, bestimmen - siehe Jugoslawien - die Deutschen.

Der Bericht aus der Feder eines internationalen Gremiums kann, auch wenn er wenig Neues enthält, als Argumentationshilfe dienen. Interessierte Antira- und Antifa-Aktivisten sollten sich das Dokument downloaden, bevor das Geschoss aus Berlin im Internet einschlägt: www.europarat.de.