Bis zum Erbrechen

Der Feind steht rechts VII: Hamburgs Innensenator Olaf Scholz versucht, sich mit markigen Sprüchen gegen die rechte Konkurrenz zu behaupten.

Ich habe einen starken politischen Sachverstand und bin durchsetzungsfähig.« Der neue Hamburger Innensenator Olaf Scholz (SPD) ist völlig von sich überzeugt. So viel zur Schau gestelltes Selbstbewusstsein wie bei seinem Amtsantritt Ende Mai ist selbst in der SPD unter Bundeskanzler Gerhard Schröder nicht an der Tagesordnung. Aber Scholz traut sich einiges zu, und auch andere sehen in ihm den kommenden Mann. Angeblich soll Schröder ihm bereits Kanzlerformat attestiert haben, was Scholz aus der Seele gesprochen haben dürfte. Über seine Karriereplanung verriet er: »Helmut Schmidt war auch erst Abgeordneter und dann Innensenator.«

Aber noch muss Schröder keine Konkurrenz aus Hamburg fürchten, denn bevor Scholz tatsächlich in die Bundespolitik einsteigen wird, hat er sich vorgenommen, erstmal Hamburg zu säubern. Der 1958 in Osnabrück geborene Jurist und Fachanwalt für Arbeitsrecht löste im Mai dieses Jahres den damaligen Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) in seinem Amt ab. Wrocklage hatte wegen heftiger Kritik an seiner Sparpolitik bei der Hamburger Polizei zurücktreten müssen. Außerdem war ihm Parteibuchwirtschaft vorgeworfen worden. Scholz nahm die neue Aufgabe gerne an. Dafür legte der Vorsitzende der Hamburger SPD sogar sein Bundestagsmandat nieder, das er seit 1998 innehatte.

In den knapp zwei Monaten seiner Tätigkeit ließ er keine Zweifel daran aufkommen, dass er tun will, was von einem Innensenator erwartet wird. Er gibt den Law-and-Order-Mann, nach dem seine Partei verlangt. In Hamburg herrscht Wahlkampf, am 23. September wird eine neue Bürgerschaft gewählt. Das Thema innere Sicherheit beherrscht die Auseinandersetzung, vor allem wegen der Bemühungen des rechtspopulistischen Richters Ronald Schill, der mit seiner Partei Rechtsstaatliche Offensive (Pro) antritt (Jungle World, 28/01).

Kaum im Amt, preschte Scholz los, um sein Hardlinertum unter Beweis zu stellen. Markige Sprüche sollen die Wähler »in der gefährlichsten Stadt Deutschlands« (Spiegel) zum Votum für die SPD bewegen. Scholz will dafür sorgen, »dass jeder Täter einem Polizeibeamten begegnet, der deutlich macht: Junger Mann, ich hab dich im Auge.« In seiner Rede auf dem Landesparteitag der SPD Anfang Mai, als er noch einfacher Parteivorsitzender war, sagte er: »Das ist ja nicht die Polizei, die für die Verbrechen verantwortlich ist, übrigens auch nicht die sozialdemokratischen Innensenatoren, sondern es sind die Verbrecher. Jedenfalls sagt uns das die Logik.« Für den sozialdemokratischen Hoffnungsträger neben Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) gilt: »Sparen bei der inneren Sicherheit ist tabu.«

Angebliche Versäumnisse seines Vorgängers Wrocklage will er im Handumdrehen wieder gut und vergessen machen. Als erstes kündigte er einen Stopp des Personalabbaus bei der Polizei an, denn »die Polizei bekommt mit dem neuen Innensenator jemanden, den sie sich immer gewünscht hat: jemanden, der sich durchsetzen kann«.

Von der Boulevardpresse einschließlich des Spiegel wird in Hamburg die innere Sicherheit als Wahlkampfthema beschworen. Der Drogenhandel, die Prostitution und der Zuzug von Migranten werden in drastischen Bildern als Gefahr für den Bürger dargestellt. Scholz will dabei nicht abseits stehen und kündigte an, gegen den Drogenhandel mit »repressiven Mitteln« vorzugehen. »Im Kampf gegen Kriminelle habe ich keine Beißhemmung«, sagte er Spiegel-Online. »Als erstes werde ich damit beginnen, die offene Drogenszene in Hamburg zu bekämpfen, die bei vielen Menschen ein Gefühl von Unsicherheit erzeugt.« Wie er diesen Kampf führen will, hat Scholz auch schon mitgeteilt. Dealern, die den Stoff bei Razzien verschlucken, sollen Brechmittel verabreicht werden, jugendliche Drogenhändler sollen einen Vormund bekommen.

Auch in der Flüchtlingspolitik gibt Scholz sich keine Blöße; so kündigte er bereits an, sich für eine gerechte Verteilung der jährlich 20 000 illegal eingereisten, aber geduldeten Personen in Deutschland einzusetzen. Wenn sie auf die verschiedenen Bundesländer entsprechend deren Einwohnerzahl verteilt würden, kämen auf Hamburg statt 4 000 nur 550 Personen, rechnet Scholz der rechten Wählerklientel vor. Sowas hört man gern an deutschen Stammtischen.

Aber Scholz mimt den Law-and-Order-Mann nicht nur, weil er gerade Innensenator ist. Die innere Sicherheit habe stets seine Aufmerksamkeit erregt, behauptet er. Er war stellvertretendes Mitglied des Innenausschusses des Bundestages. In der jüngst von Bundeskanzler Schröder eröffneten Debatte um die Behandlung von Sexualstraftätern bewies Scholz seine Fähigkeit zum Populismus und zur einfachen Parole. Dem NDR verriet er: »Schröder hat Recht, wenn er sagt, dass man im wachsenden Maße die Erkenntnis gewinnen muss, dass Kinderschänder nicht therapierbar sind.« Scholz schlägt eine »Sicherheitsverwahrung« für den Fall vor, dass solche Täter rückfällig werden. Denn »die Menschen, die so etwas tun, meist in jungen Jahren, tun es immer wieder. Deshalb ist es notwendig, dass man eine sehr harsche Reaktion auch akzeptiert.« Dass sich hier die Politik auf äußerst fragwürdige Weise in die Belange der Justiz einmischt und zudem eine bedenkliche Stimmung in der Bevölkerung verstärkt, ist für den Juristen Scholz kein Problem.

Ob seine extremen Sprüche die Leute dazu bewegen, die SPD zu wählen, bleibt dennoch abzuwarten. Das Konzept, die Rechten rechts zu überholen, ist für die Hamburger Sozialdemokraten schon einmal schief gegangen. Bei der Bürgerschaftswahl 1997 hatte der damalige Bürgermeister Henning Voscherau auf ähnliche Weise versucht, die CDU mit Law-and-Order-Politik zu übertrumpfen. Doch die Wähler verpassten der Hamburger SPD das schlechteste Ergebnis seit 1945. Damals wählten immerhin noch 36 Prozent die SPD, heute liegt sie in den Umfragen bei 34 Prozent. Doch Umfragen deutet Scholz auf seine eigene Art: »Die Hamburger SPD befindet sich weiter auf dem Vormarsch. Drei Prozentpunkte Zuwachs gegenüber der Mai-Umfrage von forsa können sich sehen lassen.« Und er weiß auch, woran das liegt: »Gute Politik hat Zukunft.« Was angesichts seines politischen Kalibers allerdings zu bezweifeln ist.