Weltklimakonferenz in Bonn

Buy a Better Climate

Bei der Weltklimakonferenz in Bonn werden die Instrumente für einen schwunghaften Handel mit Emissionsgutscheinen entwickelt. Auch NGO finden das gut.

Die Welt des komplizierten Klimaschutzes, der verzwickten Emissionsberechnungen und Reduktionsziele ist einfacher geworden. Denn noch nie war es so eindeutig, wo die Bösen sitzen. Seitdem George W. Bush angekündigt hat, sein Land werde den Vertrag von Kyoto nicht ratifizieren, lädt sich die geballte Empörung über Klimaverderber auf den USA ab.

Die Länder der Europäischen Union richten sich indessen im Lager der Guten ein. Allen voran Deutschland, das als Musterknabe gilt, wenn es um die Emission von Treibhausgasen geht. »Wir sind auf gutem Weg«, lobte sich der deutsche Umweltminister Jürgen Trittin selbst, als er in der vergangenen Woche rund 6 000 Vertreter von mehr als 180 Staaten zur internationalen Klimakonferenz in Bonn empfing.

Anwesend sind auch die, die eigentlich ausgestiegen sind, doch halten sich die Abgesandten der USA diskret im Hintergrund. Dennoch schlägt ihnen ein Großteil des Zorns der Umweltschützer entgegen. Seit einigen Jahren vergeben NGO auf Klimakonferenzen die Auszeichnung »Fossil of the Day« an besonders auffällige Gegner des Klimaschutzes. George W. Bush bekam zum Auftakt dieser sechsten Ausgabe der Conference of the Parties (Cop6) gleich den »Fossil of the Century Award«.

Die Verhandlungsführer müssen sich derweil mit dem Schnee vom vergangenen Jahr befassen. Denn die letzte Gipfelkonferenz in Den Haag, die eigentlich die dreijährigen Verhandlungen über die Realisation des Kyoto-Protokolls zu einem Abschluss bringen sollte, ging vorüber, ohne dass sich die Beteiligten einigen konnten. Bereits 1997 waren in Kyoto konkrete Ziele proklamiert worden; die Emission von Treibhausgasen sollte bis zum Jahr 2012 um fünf Prozent reduziert werden. Doch über solche handfesten Vorsätze redet heute kaum jemand. Auf den folgenden Klimagipfeln stritt man in erster Linie darüber, mit welchen Mitteln eine wirkliche Reduktion zu umgehen sei.

Angesichts der komplizierten Klimabilanzen ist es zuweilen nicht ganz einfach, den Überblick zu behalten. In Den Haag lehnten die Umweltminister der EU in letzter Sekunde einen Kompromissvorschlag ab, der es den Industrienationen de facto erlaubt hätte, ihre Emissionen gar zu erhöhen, also genau das Gegenteil dessen zu tun, was das Kyoto-Protokoll vorsieht. Das jedenfalls kam heraus, als Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace im Anschluss an die Konferenz nachrechneten.

In Bonn liegen dieselben Instrumente des Klimaschutzes jetzt wieder auf dem Verhandlungstisch, so auch die Schaffung eines globalen Emissionsmarktes, für den sich vor allem die USA stark machten. »Das Recht, Luft zu verpesten, wird zur Ware«, stellt Hanno Raußendorf von der NGO Risingtide fest, deren AnhängerInnen am Mittwoch auf den Bonner Straßen demonstrierten. Die Umsetzung des Kyoto-Vertrags zeige »stark neokoloniale Züge« und läute die Ära eines »Carbon Colonialism« ein. Um seine Bilanzen aufzupolieren, kann der Norden billige Emissionskredite im Süden kaufen; die Industrieländer dürfen derweil weitermachen wie bisher. Risingtide lehne den Emissionshandel grundsätzlich ab, so Raußendorf.

Doch die Emissionsmakler hocken längst in den Startlöchern, denn das Geschäft mit der Luft verspricht durchaus lukrativ zu werden. Schätzungen von US-amerikanischen Wirtschaftsinstituten zufolge könnten auf dem Markt mit Emissionskrediten Billionen Dollar umgesetzt werden. Gehandelt würden hier unter anderem die carbon sinks. Weil Bäume Kohlendioxid absorbieren, dürfen Aufforstungen als Klimaschutzmaßnahme angerechnet werden.

Auf Klimakonferenzen streiten Politiker darüber, wie frei der Markt sein darf. Wie viel eigener Klimaschutz muss sein, wie viel Schadstoff darf nach Freikaufaktionen in die Welt geblasen werden? »Eine Tonne CO2 ist eine Tonne CO2«, sagt dazu Brian Flannery, »je freier der Markt ist, desto niedriger wird ihr Preis sein.« Flannery ist Mitarbeiter von Exxon-Mobil und einer der Hauptsprecher der International Chamber of Commerce (ICC). Mit ihm waren Hunderte von Industriemanagern zur Klimakonferenz gereist. Allein der Ölkonzern Shell hatte über 40 Mitarbeiter zum Gipfel entsandt. In der Empfangshalle lagen Magazine wie Carbon Market Analyst oder The Carbon Trader aus. »Cop6 glich mehr einer Fachmesse als einer internationalen Regierungskonferenz, die nach Lösungen für eines der dringendsten ökologischen und sozialen Probleme der Welt sucht«, kommentierte Corporate Europe Observer, eine europäische NGO, die die Entwicklungen auf dem Emissionsmarkt in ihrer Veröffentlichung »Greenhouse Market Mania« beschreibt.

»Die Industrie hat ihre agressive defensive Strategie geändert und nimmt mehr und mehr eine 'konstruktive' Haltung ein«, so CEO. Längst wittern auch führende Klimakiller ihre Chance in der neuen Carbon Economy. Transnationale Ölkonzerne wie Shell oder BP haben ihre Strategie geändert. Statt wie früher als Gegner des Vertrags von Kyoto aufzutreten, präsentieren sie sich heute als Klimaschützer, und neben dem Handel mit klimaschädlichem Erdöl investieren sie auch in erneuerbare Energien.

In Bonn warb die Initiative »e-mission 55«, der über 100 vorwiegend europäische Unternehmen angehören, darunter Telekom, Metro, Credit Suisse und Ricoh, am Rande des Gipfels für eine Ratifizierung des Kyoto-Vertrags. »Klimaschutz wird der Wirtschaft Vorteile bringen«, so der Sprecher der Initiative. Von den positiven Auswirkungen eines kontrollierten Emissionshandels sind auch viele Umweltschutzorganisationen überzeugt. »Ein funktionierender internationaler Emissionshandelsmarkt würde einen heilsamen Druck auf alle Industrieländer ausüben, ihre Ziele tatsächlich zu erreichen«, schreibt etwa Germanwatch.

Auch George W. Bush dürfte inzwischen von Unternehmen unter Druck gesetzt werden, die sich für ein Wachstum des globalen Emissionsmarktes stark machen. Den wird es jedoch vor allem nach einer Ratifizierung des Vertrags geben. In Bonn richteten sich nach dem Rückzug der USA alle Augen auf Japan, denn ohne japanische Zustimmung kann das Abkommen nicht in Kraft treten. »Nicht ohne die USA«, hatte das Land dekretiert. Das nordamerikanische Nein zum Kyoto-Vertrag kam wie gerufen, um die eigene Verhandlungsposition zu stärken. Japan will, dass seine eigenen Wälder stärker als Beitrag zum Klimaschutz angerechnet werden. Auf dieser Klimakonferenz haben solche Forderungen auch dank der Zustimmung der EU-Minister neuerdings Aussicht auf Erfolg.

Was im Detail für jeden dabei herausspringen wird, muss nach der Konferenz im Kleingedruckten nachgelesen werden. Das werden auch US-amerikanische Firmen mit Interesse tun und sich dann für Gut oder Böse entscheiden. Dass auch in der Industriewelt eine solche Trennlinie klar zu erkennen ist, machte am Rande des Gipfels die US-amerikanische NGO Families Against Bush (FAB) klar. »Buy a better climate«, heißt es in einem Aufruf, der konkrete Hilfe zum klimatisch korrekten Einkauf gibt. BP zum Beispiel wird hier schon in der Rubrik »buy« geführt, denn »BP really cares about the climate«.