Diskussion um Stammzellenimporte

Ethisch klont's sich besser

Mit Klonversuchen wollen die Forschungswütigen in Deutschland nichts zu tun haben. Aber ihre Empörung dient dazu, die Forschung an Stammzellen als ethisch vertretbar zu verkaufen.

Die Aufregung ist so groß wie nie. Der Ethikrat und die Enquete-Kommission meldeten sich rasch zur Stammzellenforschung in Deutschland zu Wort. Die einen waren dafür, die anderen dagegen. Am 30. Januar soll die Entscheidung über den Import von embryonalen Stammzellen fallen. Handlungswillige Forscher und staatliche Institutionen wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) schaffen eine beeindruckende Dramaturgie, um endlich am internationalen Wettbewerb um die begehrte Substanz teilnehmen zu können. Im Sog dieser medialen und politischen Aufmerksamkeit konfrontierte das Biotech-Unternehmen Advanced Cell Technology (ACT) die Weltöffentlichkeit mit den ersten geklonten menschlichen Embryonen.

In Presseerklärungen und populärwissenschaftlichen Artikeln stellte das Forscherteam der Kleinstfirma im US-Bundestaat Massachusetts seine »bahnbrechenden« Experimente vor. Michael West und seine Kollegen fusionierten menschliche Eier mit Zellkernen aus Körperzellen, beispielsweise der Haut. Der daraus entstandene Klon soll genetisch jenem Menschen gleichen, der die Hautzellen zur Verfügung stellte. Das Verfahren wird als »therapeutisches Klonen« bezeichnet und soll irgendwann einmal die Produktion von embryonalen Stammzellen möglich machen.

Körperersatzstoffe für bislang unheilbar Kranke, so das Versprechen, stünden in Aussicht. Mit dem gleichen Ziel wurden in einer anderen Versuchsreihe unbefruchtete Eizellen auf chemischem Wege manipuliert, ohne die Zutat fremder Zellkerne. Die Ergebnisse beider Experimentreihen zeigen überdeutlich, dass bis zu den in Aussicht gestellten spektakulären Heilerfolgen noch ein weiter Weg zurückzulegen ist, falls das Ziel überhaupt jemals erreicht wird. Denn kaum ein Klon schaffte es bis zur Zellteilung. Die Produktion von embryonalen Stammzellen misslang auf ganzer Linie.

Warum macht eine Firma trotz ihrer Misserfolge weltweit Furore? Wer keine gelungenen Verfahren anzubieten hat, kann mit Tabubrüchen Werbung für sich betreiben. Schon im Juli dieses Jahres bekannte das Unternehmen, seit einem Jahr mit menschlichen Eizellen Klonexperimente durchzuführen. Für die Eizellen zahlte die Biotech-Firma nach Angaben der New York Times jungen Frauen bis zu 5 000 US-Dollar - als Aufwandsentschädigung für Hormonbehandlungen und die Entnahme von Eiern.

Aktuell verbindet sich mit dem werbewirksamen Tabubruch die Botschaft: Wir sind dabei. Dass noch viele Fragen offen sind, stimuliert den Life-science-Sektor zusätzlich. Gleichzeitig wird mit der PR-Aktion die »therapeutische« Mission verstärkt. Menschen sollen natürlich nicht geklont werden. Die Visionen aus dem Hause der Advanced Cell Technology sind wissenschaftlich korrekt und biomedizinisch gedeckt. Die Motive für den gegenwärtigen Werbefeldzug bleiben im Hintergrund. ACT konkurriert mit der kalifornischen Firma Geron, die die Stammzellenforschung mit tiefgekühlten Embryonen bevorzugt und die entsprechenden Patente hält. Um im Spiel mit Wissensmonopolen mithalten zu können, werden eigene Verfahren und eigene Patente benötigt.

Was bewegt die Öffentlichkeit hierzulande? Spätestens mit dem Schaf »Dolly« ist der Klon zum Teil des gesellschaftlichen Bewusstseins geworden, gleichzeitig als Furcht vor dem geklonten Menschen und als therapeutischer Hoffnungsträger. Drohung und Verheißung liegen eng beieinander. Den geklonten Menschen soll es nicht geben, so die einhellige und oft verkündete Meinung. Es gibt noch »ethische Grenzen« im Wissenschaftsbetrieb und in der Politik.

Aber wenn es um die Therapie- und Überlebenschancen geht, die die Stammzellenproduktion angeblich eröffnet, fällt die Antwort nicht mehr so eindeutig aus. Dennoch stießen die Experimente im fernen Massachusetts auf Kritik. EntwicklungsbiologInnen und StammzellenforscherInnen winkten ab. Technologisch nichts Neues, wissenschaftlich uninteressant, so lautete das Urteil. Selbst die fortschrittsbegeisterte Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) und die DFG signalisierten ihre Ablehnung.

Die Politikerin propagiert im Schulterschluss mit der DFG jedoch ständig den Import und die Produktion embryonaler Stammzelllinien, die aus übrig gebliebenen Embryonen der Fortpflanzungsmedizin gewonnen worden sind. Auch das bedeutet, menschliche Embryonen zu vervielfältigen und ökonomisch zu verwerten. Warum also die Empörung?

Um die Bevölkerung zu beruhigen, müssen demonstrativ Grenzen gesetzt werden. Mit ihren Lippenbekenntnissen könnten die Visionäre einer embryonalen Stammzellenproduktion im eigenen Land ihren Zielen näher gerückt sein. Wie gerufen kam die PR-Aktion aus dem Hause ACT, um alle Möglichkeiten diesseits des skandalisierten Verfahrens mit den Weihen der Ethik auszustatten.

Entsprechend reagierten die Entscheidungsträger in Politik und Wissenschaft auf die Voten der Enquete-Kommission und des Ethikrates. Die forschungswillige Fraktion, von der DFG bis zu Edelgard Bulmahn und Peter Hintze (CDU), begrüßt das Verhandlungsergebnis des von der Regierung eingesetzten Nationalen Ethikrates. Die Stammzellenforschung im Rahmen des neu gesetzten Limits ist mittlerweile mehrheitsfähig geworden. Das skeptische Ergebnis der Enquete-Kommission des Bundestages wird als uneinheitliches Meinungsbild verworfen. Die forschungsunwillige Fraktion hingegen bezieht sich lieber auf das parlamentarische Gremium. Beides ist folgenlos. Aber alle haben demonstriert, sich auf der Grundlage der viel beschworenen Ethik Gedanken gemacht zu haben.

Was die anstehende parlamentarische Entscheidung angeht, wird sich allerdings die Engführung der Argumention innerhalb beider Gremien auswirken. SkeptikerInnen wie BefürworterInnen benutzen dieselben Begründungen, wenn auch mit unterschiedlichen Ergebnissen. Die Kontroverse wird an den moralischen Status des Embryos geknüpft. Wertkonservative Stimmen verbinden die Abtreibungsdiskussion mit der embryonalen Stammzellengewinnung. Wer Abtreibung erlaubt, kann Embryonenforschung nicht verbieten. Gebärzwang oder freies Forschen? Eine Alternative, die garantiert nicht mehrheitsfähig ist. Die Fortschrittswilligen haben leichtes Spiel, wenn sie das Recht auf Abtreibung und ehrgeizige Therapieversprechen verkünden, um den Verbrauch von Embryonen zu begründen.

Die gesamte Debatte blendet die körper- und forschungspolitischen Dimensionen der Stammzelleneuphorie aus. Es kommt nicht darauf an, wer in welchem Labor gerade was macht. Der Diskurs ist entscheidend für die öffentliche Wahrnehmung. Skandale um Klon-Embryonen, die Kommissionsdebatten und die Berichterstattung über nutzbringende Embryonen aus dem Reagenzglas sowie andere stammzellenverdächtige Körpersubstanzen haben das allgemeine Bewusstsein bereits erreicht. Wissen und Wahrnehmung sind in Richtung »Rohstoffqualität« und »Produktivität« des Körpers verschoben worden.

Die Hoffnung auf eine universelle Heilung mittels Stammzellenproduktion wächst. Den Kranken werden Heilungsverfahren versprochen, die noch keineswegs in greifbarer Nähe sind und deren Erprobung riskant ist. So wird das Leben mit der Krankheit zur Nebensache, und Versuche am Menschen erscheinen, trotz der Gefahr, Tumore zu erzeugen, gerechtfertigt. Die politischen Weichenstellungen bleiben im Hintergrund.

Das Verarbeitungspotenzial der Stammzelle ist enorm und betrifft weit mehr als die allerorten diskutierte Gewebeproduktion für Transplantationen. Die Stammzelle - ob adult oder embryonal oder therapeutisch geklont - ist über Disziplinengrenzen hinweg zum begehrten Forschungsobjekt geworden: in der Hirn- und Krebsforschung, bei der Suche nach angeborenen Abweichungen, in der Gen-»Therapie« genannten genetischen Manipulation des Menschen und in der Medikamentenentwicklung.

Die Forschung konzentriert sich, neben dem zweiten Objekt der Begierde, dem »Genom«, auf das neue »Jahrtausend-Molekül«. Der Bedarf an Drittmitteln, Risikokapital und Körperstoffen wie Eizellen und Embryonen wird wachsen. Und wegen der ökonomischen Möglichkeiten ist es abzusehen, dass der Deutsche Bundestag den Weg ebnen wird.