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Hof in Oberfranken, 25. Dezember, gegen 17 Uhr. Tumulte am Bahnhof, Menschen stürmen die Büroräume des Bahnhofsvorstehers. Sind das die ersten Anti-Euro-Riots?

Mitnichten. In Hof geht gar nichts mehr. Und in vielen anderen deutschen Städten auch nicht. Das Wort des großen Ökonomen Jürgen Kuczynski, Deutschland werde langsam zu einem Land der »Dritten Welt«, scheint sich zu bewahrheiten. Da kommt kein Schiff mehr bzw. kein Zug: weder nach Osten, nach Reichenbach oder Plauen im Vogtland, noch nach Süden zurück nach Marktredwitz (ja, so heißen Orte), geschweige denn nach Nürnberg. Die Deutsche Bahn kommt zwar, aber nicht mehr heute.

Deutschland versinkt im Schneechaos und verschluckt gleich zwei Jungle World-Redakteure. Nachdem der Bahnhofsvorsteher erklärt hat, dass nichts mehr geht, setzt sich der erste Redakteur in die Wartehalle. Die schließt um 19 Uhr. So geht Privatisierung eben auch. Eine Chinesin wartet auf ihren Mann? Das kann sie auch draußen tun. Es gibt keine Taxis? Wir sind die Deutsche Bahn. Aber die hübsche junge Frau nimmt der Lokomotivführer in seinem Privatauto mit. Ist eben ein ganz ein Netter.

Der Redakteur steht rum und kann nicht mal telefonieren, weil er kein Handy dabei hat. Und Münzfernsprecher, die funktionieren, sind so rar wie Züge. Es gibt sie einfach nicht. Was aber macht die Polizei? Sie kontrolliert erstmal die Ausländer, die nach Berlin fahren wollten und jetzt rumstehen, weil sie nicht wissen, was passiert ist. Wer uns nicht versteht, hat Pech gehabt. Das ist deutscher Service. Haben Sie schon mal eine Nacht in Hof verbracht? Sehen Sie.

Dem Redakteur, der es auf vier Rädern versuchte, erging es nicht anders. Er blieb im schon legendär gewordenen Stau auf der A 9 stecken, am 21. Dezember 2001. Er stand dabei. »Irgendwann wurden Decken verteilt und Notunterkünfte errichtet«, erzählt später ein Augenzeuge. »Aber bis nach Hof hat es das Rote Kreuz nicht geschafft.« Was aus unserem Redakteur wurde, wissen wir nicht. Niemand hat seitdem etwas von ihm gehört. Vermutlich steht er heute noch auf der Autobahn. Uns ist nur eines klar: Das war schlimmer als der deutsche Herbst. Bloß keinen Schnee mehr! Nächstes Mal fliegen wir - wenn es sein muss, bis nach Kairo. Oder besser gleich bis Hawaii. 2002 - diesmal klappt's.