Studierende klagen erfolgreich gegen die Rasterfahndung

Raster hin, Raster her

Studierende haben gegen die Rasterfahndungen an deutschen Unis geklagt. Nicht ohne Erfolg.

Ihr Auftrag lautete Terrorismusbekämpfung. Deshalb begannen die bundesdeutschen Landeskriminalämter im September des vergangenen Jahres bei Universitäten, Stadtverwaltungen und anderen Einrichtungen, Informationen über ausländische Studenten einzuholen. Schließlich könnte jeder ausländische Student ein Schläfer, also ein potenzieller Terrorist sein. Diese Meinung teilten offensichtlich die Universitätsverwaltungen. Einige Unis folgten dem Anliegen der Ermittlungsbehörden allzu bereitwillig und warteten noch nicht einmal die dafür notwendigen richterlichen Anordnungen ab.

Nachdem die Amtsgerichte ihren juristischen Segen erteilt hatten, konnten die Ermittlungsbehörden ihrer Datensammelwut freien Lauf lassen. In Nordrhein-Westfalen registrierten die Behörden die Daten aller männlichen Studenten. Andere Bundesländer verweigerten die Aussage über genaue Zahlen, was nicht darauf schließen lässt, dass es nur wenige waren, die überprüft wurden.

Doch das Vorgehen blieb nicht unwidersprochen. Bundesweit protestierten viele StudentInnenvertretungen gegen die Rasterfahndung, Klagen wurden eingereicht. Inzwischen ist eine gute Hand voll Beschwerden vor Gericht anhängig. In Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Berlin und Hessen klagten ausländische Studenten gegen die Weitergabe ihrer Daten. In Hessen und Berlin sind inzwischen erste Erfolge zu melden.

Am 8. Januar stellte das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt/M. die Rechtmäßigkeit der Rasterfahndung in Frage. Gleichzeitig wurde ein Urteil des Landgerichtes (LG) Wiesbaden, das die Beschwerde eines Gießener Studenten als unbegründet verworfen hatte, aufgehoben. Das OLG Frankfurt sah die vom LG Wiesbaden vorgenommene Ablehnung des Beschwerderechts als falsch an, da das Recht auf Beschwerde jedem zustehe, der durch den Beschluss des Amtsgerichts Wiesbaden beeinträchtigt ist. Andernfalls, so das OLG Frankfurt, müsste das grundgesetzlich verbriefte Recht auf effektiven Rechtsschutz »ins Leere laufen«.

»Da kann man nur sagen, dass das Landgericht Wiesbaden und auch schon das Amtsgericht Wiesbaden sich in Rechtsfehler verstrickt haben und das nächste Mal die Hausaufgaben, die ihnen das Oberlandesgericht Frankfurt aufgegeben hat, besser machen sollten«, meinte Christian Höflinger, der Finanzreferent des Gießener Asta. Darüber hinaus stellte das OLG Frankfurt in Frage, ob die juristische Grundlage für eine Rasterfahndung gegeben sei. Denn es muss eine »gegenwärtige Gefahr« vorliegen, um das Handeln der Polizeibehörden zu legitimieren.

Das Landgericht Berlin hob inzwischen den Beschluss zur Durchführung der Rasterfahndung auf. »Das Landgericht Berlin hat nach sorgfältiger Prüfung entschieden, dass für die Fahndung nach so genannten 'Schläfern' islamischer terroristischer Vereinigungen die Rasterfahndung unzulässig ist«, so Sönke Hilbrans, der Verfahrensbevollmächtigte von drei Berliner Studenten.

Die nicht nachzuweisende aktuelle Bedrohung ist auch in Berlin das Problem. Das LG Berlin erklärte zur Situation: »Die Polizei (kann) die Übermittlung personenbezogener Daten zum Zweck des Abgleichs mit anderen Datenbeständen nur verlangen, wenn sie eine gegenwärtige Gefahr für die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person abzuwehren hat. Eine gegenwärtige Gefahr ist jedoch weder vom Antragsteller (Polizeipräsident Berlin) dargelegt, noch sonst ersichtlich.«

Ganz offensichtlich wird die Frage nach der gegenwärtigen Gefahr in Deutschland je nach Belieben beantwortet. War es für den Einsatz der Rasterfahndung nötig, sie hoch einzuschätzen, wurde sie in anderen Fällen heruntergespielt. So hatte ein Antrag von Greenpeace gegen die letzten Castortransporte, der mit der potenziellen Gefahr terroristischer Anschläge begründet wurde, keinen Erfolg. Das niedersächsische Umweltministerium war der Auffassung, dass eine Gefahr gegenwärtig nicht bestehe. »Bei Zugrundelegung eines engen Gefahrenbegriffs im Sinne akuter Gefahren wäre unzweifelhaft ein in allernächster Zeit mit hoher Sicherheit zu erwartender Schadenseintritt nicht erfüllt«, hieß es in der Ablehnung.

Nicht nur die Gerichte verstricken sich zur Zeit in merkwürdige juristische Konstruktionen. Jean-Marcel Dossou, der Referent in der Ausländischen Studierendenvertretung an der Gießener Universität, berichtet: »Kurz nach Beginn der Rasterfahndung kamen viele ausländische KommilitonInnen zu uns und haben gefragt, was mit ihren persönlichen Daten passiert. Sie hatten einfach Angst. Wir haben daraufhin Anfragen an die Universität gestellt. Bis jetzt sind sie noch nicht richtig beantwortet.«

Die Universität stellte zwar in ihren Antwortschreiben fest, dass Studierende ein Recht auf Auskunft bei der Übermittlung der Daten haben, erteilte aber trotzdem keine Auskunft.

Die Gießener Stadtverwaltung antwortete auf die Anfragen von etwa 200 Studierenden, dass »auch nach Ausübung von Ermessen eine Auskunft nicht zu erteilen ist«. Als Reaktion auf das Verhalten der Stadtverwaltung und der Universität gab es aus dem Gießener Asta ein klares Signal. »Wenn Universität und Stadtverwaltung nach unserer erneuten Aufforderung nicht zu der Erkenntnis kommen sollten, die Anfragen wie datenschutzrechtlich vorgeschrieben zu beantworten, werden wir zur Klärung der Sache vor Gericht ziehen«, erklärte die Öffentlichkeitsreferentin Christina Romhányi.

Die Urteile aus Berlin und Frankfurt wurden in ganz Deutschland von den Studierenden positiv aufgenommen. Der Freie Zusammenschluss von StudentInnenschaften (fzs) resümierte: »Die Urteile stellen einen Etappensieg der StudentInnen im Kampf um ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung dar.« Sowohl der fzs als auch der ReferentInnen Rat der Humboldt-Universität zu Berlin weisen auf eine mögliche bundesweite Wirkung des Berliner Urteils hin. »Es ist zu erwarten, dass das Urteil des Landgerichts Berlin eine Signalwirkung auf die Rechtsprechung in Sachen Rasterfahndung haben wird«, erklärte Carmen Ludwig vom fzs-Vorstand.

Allerdings folgte der erste Rückschlag auf dem Fuße. Die Berliner Senatsverwaltung kündigte an, die Rasterfahndung fortzusetzen. Der Beschluss des Berliner Landgerichts sei nur an die erfolgreichen Beschwerden von drei ausländischen Studierenden der Humboldt-Uni gebunden. Das heißt, nur an der Humboldt-Uni wird vorläufig nicht mehr gerastert.

Tjark Sauer ist Mitglied des Bundesvorstands des Bündnisses linker und radikaldemokratischer Hochschulgruppen (Lira).