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Wer ist eigentlich die Multitude? Das war eine der Fragen, die unausgesprochen durch den großen Saal der Volksbühne am Berliner Rosa-Luxemburg-Platz geisterte, als dort am vergangenen Mittwoch Michael Hardt zusammen mit Thomas Atzert auftrat, um »Empire« vorzustellen.

Sind wir das, die wir hier im Saal sitzen? Wenn ja, dann wir alle? Auch die, die die ganze Zeit ihren Quatsch dazwischenrufen? Oder nur die, die auch zuhören? Geht die Multitude zu Vorbereitungstreffen für die Demo am 1. Mai oder stöhnt sie, wenn jemand sagt, da komme er gerade her?

Wir hier in der Redaktion können mit Fug und Recht für uns in Anspruch nehmen: Wir sind die Multitude. Nicht nur im Sinne der deutschen Ausgabe des Buchs - aber auch das, schließlich sind wir eine ganze Menge -, sondern auch, wenn man Multitude mit »Vielheit« übersetzt, trifft das auf uns zu. Wir haben mehrere Ressorts und damit unterschiedliche Planungsstäbe und nähern uns den Phänomen dieser Welt auf verschiedene Arten und Weisen. Im Feuilleton glaubt man, der Ansatz müsste immer so breit wie möglich sein und möglichst neu und noch nie gedacht. Auf den vorderen Seiten geht man davon aus, dass bestimmte Sachen sich bis zum Tag X nicht ändern werden, weshalb man sich auch nicht alle paar Tage neue Begriffe ausdenken muss. Und zusammen wird dann eine Strategie daraus.

So funktioniert die Multitude: Auf der Disko-Seite werden Imperialismus und Antiimperialismus, bzw. das, was davon übriggeblieben ist, von den bewährten Kräften untersucht und unter Feuer genommen, während auf den Feuilleton-Seiten das Empire zerlegt wird. Mit Querverweisen, aber ohne Wiederholungen. Und alles in einer Zeitung. Unwahrscheinlich, dass sich der Kapitalismus von diesem Zangenangriff erholen wird. Wären wir das Empire, würden wir uns schon mal einen anderen Planeten suchen. Sind wir aber nicht.