Die Friedensbewegung ruft zu Ostermärschen auf

Schießen verboten

Die Friedensbewegung ruft zu Ostermärschen gegen den Krieg, gegen die Politik der USA und für einen palästinensischen Staat auf.

Die Wut über die Arroganz der einzigen Weltmacht ist groß und wird viele Menschen auf die Straße bringen.« Peter Strutynski vom Bundesausschuss Friedensratschlag ist sich sicher, dass die Ostermärsche der Friedensbewegung am Wochenende ein Erfolg werden. Und er könnte Recht behalten, wenn auch aus einem anderen Grund.

Denn stand im vorigen Jahr vor allem die Militarisierung der deutschen Außenpolitk im Zentrum der Kritik auf den Ostermärschen, so geht es nach dem 11. September und dem Krieg gegen die Taliban nun vor allem gegen »die Arroganz der USA«. Und das zieht die Leute an.

Die aktuelle Politik der »einzigen« Weltmacht hat die Friedensbewegung in den vergangenen Wochen noch einmal bestärkt. Vor allem die Drohung der USA, zusammen mit Großbritannien den so genannten Krieg gegen den Terror auch auf andere Länder wie Somalia oder den Irak auszuweiten. Hinzu kommt das Papier aus dem Pentagon, wonach der Einsatz von Atomwaffen im Falle feindlicher Attacken etwa im Nahost-Konflikt, auf der koreanischen Halbinsel oder nach einem Angriff Chinas auf Taiwan nicht ausgeschlossen sei. (Siehe Seite 21) Und in der vergangenen Woche verkündete der britische Verteidigungsminister Geoff Hoon, Großbritannien sei im Ernstfall zu einem Einsatz von Atomwaffen gegen den Irak bereit.

Dagegen will ein heterogenes Bündnis am Wochenende in rund 30 deutschen Städten protestieren. Aber auch gegen Rassismus, den Abbau demokratischer Rechte, gegen Armut und Hunger in der Welt. Die Krise in Nahost wird ebenso ein Thema sein.

Von einer Bedrohung durch den islamischen Extremismus ist in den Erklärungen zahlloser Gruppen, von der Friedensinitiative Lingen bis zum Bremer Friedensforum, weniger die Rede, dafür umso mehr von den USA und ihren geostrategischen Interessen. Dabei kommt die Friedensbewegung bis heute nicht über die Formel hinaus, die sie seit dem 11. September bemüht: Die Anschläge in den USA waren schrecklich, aber ...

Die Argumentation in den Aufrufen folgt meistens der Behauptung, mit dem Krieg in Afghanistan hätten sich die USA auf dieselbe moralische Stufe gestellt wie die islamistischen Terroristen. Krieg sei aber keine Lösung, man müsse die wahren Ursachen des Terrorismus, wie Hunger und Armut, bekämpfen. Und schließlich gehe es den USA gar nicht um den Kampf gegen den Terrorismus, sondern um die Ölfelder im Kaukasus oder am Persischen Golf und um den Bau von Pipelines. Vor allem im letzten Punkt scheint man sich völlig sicher.

Eine gewisse Geschichtsvergessenheit ist erkennbar, wenn sich große Teile der Friedensbewegung zu dem Thema Israel und Palästina äußern. Dass Israel ein Terrorstaat sei, wie manche Linksradikale behaupten, kann man in den Erklärungen zu den Ostermärschen nicht lesen, das Bild ist differenzierter. Aber schön ist es trotzdem nicht.

So appelliert der Bundesausschuss Friedensratschlag an Israel, endlich »das natürliche Recht der Palästinenser auf ein menschenwürdiges Leben und auf Heimat« anzuerkennen und auch das »Recht auf einen palästinensischen Staat mit Ostjerusalem als Hauptstadt«. Von einem »Recht auf Heimat« sprachen bisher nur die Sudetendeutschen. Und ob Israelis auch ein »natürliches Recht« haben, eine Pizza zu essen oder Bus zu fahren, ohne dabei in die Luft gesprengt zu werden, lassen die Friedensbewegten ebenfalls offen.

Ziemlich unreflektiert betet der Friedensratschlag die Forderungen der Palästinenser nach und mahnt die »Anerkennung des Prinzips eines Rückkehrrechts vertriebener Palästinenser« an, obwohl es das Ende des israelischen Staates bedeuten würde. Denn aus hunderttausenden palästinensischen Flüchtlingen sind in den vergangenen Jahrzehnten in den Flüchtlingslagern in den arabischen Nachbarländern mehrere Millionen Menschen geworden. Ihre Rückkehr dorthin, wo sie nie gelebt haben, ist schlicht unmöglich.

Von den palästinensischen Selbstmordattentätern und vom Konzept des Jihad ist in den meisten Erklärungen nichts zu lesen. Hat die Friedensbewegung hierauf keine Antwort oder sieht sie das Problem nicht? Oder will sie davon nichts wissen, weil es nicht ins Weltbild passt?

Die »doppelte Solidarität«, zu der sich der Friedensratschlag aufgrund der »besonderen Verantwortung gegenüber dem israelischen Volk« verpflichtet fühle, erschöpft sich in der Versicherung, sich auch für das Existenzrecht Israels einzusetzen. Wenn man das Existenzrecht Israels jedoch tatsächlich verteidigen will, wäre es dann nicht auch an der Zeit, sich gegen den Terror der Hamas und des Islamischen Jihad zu wenden? Bedrohen diese Israel doch mehr als jemals zuvor in seiner Geschichte.

Stattdessen wähnt man sich selbst als Ziel von Angriffen. »Wenn das Pulverfass Naher Osten explodiert, regnen die Funken und die Asche auch auf Europa«, warnt Strutynski. Diese Selbststilisierung zum potenziellen Opfer hat eine lange Tradition in der Friedensbewegung. Schon im Aufruf zum Ostermarsch 1966, den noch Günther Anders, Ernst Bloch und Walter Jens unterschrieben, ist zu lesen: »Ein Krieg in Mitteleuropa wäre das Ende der Existenz unseres Volkes.«

An den Ostermärschen werden sich verschiedene den Palästinensern verbundene Solidaritätsgruppen beteiligen. In Berlin gehört die Vereinigte Palästinensische Gemeinde e.V. zu den Initiatoren des Marsches. Der Verein steht auch hinter dem »Solidaritätsbündnis für Palästina«, das in der vorletzten Woche in der Stadt demonstrierte. Dem Bündnis geht es um mehr als um einen palästinensischen Staat im Westjordanland und im Gaza-Streifen. Auf der Demonstration wurden Plakate getragen, die das ganze israelische Staatsgebiet in den palästinensischen Farben zeigten. Selbst gebastelte israelische Fahnen, die teilweise mit Hakenkreuzen bemalt waren, wurden öffentlich verbrannt.

Das Verhältnis zu solchen Gruppen hat die Friedensbewegung nicht geklärt. Und auch zu den Anschlägen vom 11. September fehlen überzeugende Analysen. Am 22. Mai wird US-Präsident George W. Bush in Deutschland erwartet. Und nicht nur die Friedensbewegung wird dabei sein.