Der Senat will ein Denkmal für Rosa Luxemburg errichten

Flierl gibt eins aus

Wenn es nach dem rot-roten Senat geht, soll das Rosa-Luxemburg-Denkmal in Berlin spätestens 2006 errichtet sein. Zum Ärger der Konservativen.

Der alte moralische Lehrsatz, dass man die Toten ruhen lassen soll, gilt nicht für Konservative. Wo immer sie können, zerren sie ihre teuren Toten aus der Geschichte hervor und versuchen Stadt, Land und Fluss mit Denkmälern zu verschönern. Die Bismarcks, Blüchers und Wagners, die Könige und die Adenauers, die es jetzt schon gibt, scheinen ihnen nicht zu genügen, ständig wird allerorten ein neuer Antrag für ein Denkmal eingebracht und eine neue Bürgerinitiative zur Errichtung eines XY-Gedenksteines gegründet.

Wenn allerdings jemand auf die Idee kommt, ein Denkmal zu bauen, das an einen unliebsamen Teil der deutschen Geschichte erinnert, dann gibt es einen sagenhaften Aufruhr. Um das Holocaust-Mahnmal in Berlin gab es ein Gezerre und Getue, und ausnahmslos jeder deutsche Antisemit konnte in diversen Mainstream-Publikationen einen Artikel oder wenigstens einen Leserbrief über das Mahnmal platzieren. Wurde es zum Gegenstand einer völkisch-nationalen Rede, konnte sich der Redner meist ungeteilter Zustimmung sicher sein.

Ähnlich wie beim Holocaust-Mahnmal scheint sich das Stadt- und Staatsvolk nun anlässlich eines geringeren Gegenstandes verhalten zu wollen. Seit die PDS in Berlin mitregiert, wird wieder ernsthaft ein Plan verfolgt, der bereits 1974 entstand: ein Denkmal für Rosa Luxemburg auf dem Rosa-Luxemburg-Platz vor der Volksbühne im Ostteil der Stadt zu errichten. In ihrem Koalitionsvertrag haben sich die Regierungsparteien darauf verständigt. Wo in den Siebzigern und Achtzigern die östlichen Machthaber zögerten, weil sie befürchteten, dass die streitbare und dem Leninismus nicht unbedingt nahe stehende Kommunistin zur Symbolfigur der Bürgerrechtsbewegung werden könnte, will der SPD-PDS-Senat nun gern aktiv werden. Schließlich berufen sich beide Parteien nicht ungern auf die Politikerin, die als Frau, Polin, Gehbehinderte, Jüdin, Sozialistin und Ermordete, wie Martina Meister unlängst in der Frankfurter Rundschau festgestellt hat, in jeder Hinsicht dazu taugt, als reines Opfer dargestellt zu werden. Somit bietet sie sich als ideale Projektionsfläche für sozialdemokratisches Mitleid an und zeigt zugleich den GenossInnen, dass es lebensbedrohlich ist, gegen Reformismus, Machthunger und Regierungsbeteiligung in der Sozialdemokratie aufzubegehren. Ein Rosa-Luxemburg-Denkmal wäre daher ein Mahnmal im doppelten Sinne.

Sicherlich muss man sich fragen, welchen Sinn ein Luxemburg-Denkmal haben könnte - sofern Denkmäler überhaupt einen anderen Sinn haben als den, den Blick auf den Verlauf der Geschichte mit Symbolen restlos zu verstellen. Es gibt diverse Orte in Berlin, an denen der Ermordeten bereits mit Stelen oder Denkmälern gedacht wird. Nicht zuletzt an jenen Orten, wo Luxemburg ermordet oder beerdigt wurde. Doch der Berliner Kultursenator Thomas Flierl, der die Idee 1998, damals war er noch Baustadtrat in Mitte, wieder aus der Schublade hervorkramte, will eben keine »auratische Bindung an den Ort des Verbrechens und der Grablegung« aufkommen lassen. Vielmehr möchte er, wie er im Gespräch mit der FAZ betonte, mit der Figur Rosa Luxemburgs an das »Widersprüchliche« in der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts erinnern, dass sich in Luxemburgs Ablehnung der Bolschewisten, aber auch in ihren späterem Antiparlamentarismus ausdrücke. Es bleibt dabei unklar, ob der PDS-Politiker in der Rätekommunistin Luxemburg tatsächlich eine Antidemokratin sieht, oder ob er diese Meinung nur aus Gründen der Staatsräson vorgibt.

Sein Plan zur Errichtung des Denkmals jedenfalls ist in gewisser Hinsicht brillant. Denn zum einen erweist sich der rot-rote Senat, insbesondere die PDS, als genau das Gespenst, als das es Konservative immer darstellen. Der Senat, der zum Schrecken der Erzkonservativen aus Ex-SEDlern, Schwulen und Linken gebildet wird, beweist nun seinen Bruch mit der bisher in Berlin herrschenden Politik ausgerechnet mit einem Denkmal für die Mitbegründerin der Kommunistischen Partei Deutschlands - jener Partei, aus der 29 Jahre nach Luxemburgs Ermordung die DDR-Staatspartei hervorgehen sollte. Und er errichtet dieses Denkmal zudem auf einem zentralen Platz im Osten der Stadt, den bereits die SED für ein solches Denkmal vorgesehen hatte.

Da Rosa Luxemburg zugleich für die Klientel der PDS eine Symbolfigur ist, nicht zuletzt weil ihre Schriften jede politische Brisanz verloren haben, seitdem sie zum Opfer verklärt wurde, finden die potenziellen Wählerinnen und Wähler der PDS angesichts der allgemeinen Empörung über dieses Denkmal zu ihrer Partei zurück. Sie stellen sich hinter die PDS, versuchen Partei und Symbol vor der vereinigten bürgerlichen Presse zu schützen, und erlauben es den Sozialisten damit zugleich, eine harsche und sozial ungerechte Sparpolitik zu betreiben, die aber mittels symbolischer Gesten, die kaum etwas kosten, komplett verdeckt wird. Flierl kalkuliert die Kosten des »Denkzeichens« mit 300 000 Euro. Solange ein aufrechter Linker seine arme Rosa gegen die wütende Bourgeoisie verteidigen muss, denkt er nicht mehr über die Schwimmbadpreise nach.

Doch das Luxemburg-Denkmal hat für Flierl noch einen anderen Effekt. Als er antrat, haben sich die versammelten Edelfedern des Feuilletons unter Führung von Gustav Seibt auf ihn gestürzt und ihm jeglichen Glamour abgesprochen. Er sei ein sturer Verwaltungshengst hieß es, der es nicht verstehe, mit dem Kulturestablishment umzugehen. Just jener Kultursenator aber, der anders als seine Vorgänger und Vorgängerinnen, vor allem anders als die beiden eitlen Gockel Peter Radunski und Christoph Stölzl, das grausamste Sparprogramm in der jüngeren Geschichte verteidigen muss, hat es geschafft, mit diesem verhältnismäßig günstigen Denkmalsvorschlag - ein Denkmal für die ZwangsarbeiterInnen soll eventuell noch folgen - ein Symbol zu setzen. Er ist ein Kultursenator, der tatsächlich etwas Neues plant und eben nicht nur das ererbte Elend verwalten will. So kann sich Flierl, dessen Aufgabe das Beschneiden und Kürzen ist, als ein Macher und Gestalter verkaufen.

Er lässt sich zudem von seinen erklärten Feinden helfen, indem er ihre Entrüstung lenkt. Im FAZ-Gespräch sagt er: »In Frankreich zum Beispiel ist die Erinnerung an historische Personen eines breiten politischen Spektrums sehr viel selbstverständlicher. Aber wenn es um Linke geht, ist es in Deutschland immer noch ein Problem.« Das gut gewählte Beispiel Frankreich zeigt, dass Flierl sehr genau weiß, dass Deutschland noch immer kein klassisch-bürgerlicher Staat ist, der souverän mit seinen Linken umgeht. Und folglich scheint er auch zu wissen, dass es in Deutschland einem, der unter rechten Kleinbürgern als »linker Hund« gilt, in der Realpolitik oft ziemlich bequem gemacht wird.