Die Rechte in Israel rücken zusammen

Alles neu definieren

Die Aufnahme Effi Eitams in die Regierung zeigt das Zusammenrücken der weltlichen und der religiösen Rechten in Israel.

So wie die jüdische Geschichte geprägt ist von Diaspora und Verfolgung, ist die israelische Geschichte geprägt von den Kriegen mit der arabischen Welt. Im Zusammenfließen der beiden Erzählungen und der notwendigen ständigen Verteidigungsbereitschaft konnte sich ein autoritäres Milieu entwickeln, in dem politische Themen mit theologischen verflochten sind. Wachsender Einfluss fundamentalistischer Strömungen des Judentums und die Verbreitung der von ihnen propagierten drastischen »Maßnahmen« gefährden den säkularen Bestand der israelischen Gesellschaft. Der Mörder Yitzhak Rabins kam aus diesen Kreisen, und die Mobilisierung von 60 000 Demonstranten der äußersten Rechten im März in Tel Aviv verdeutlichte, dass die Bedrohung nicht nur eine äußere ist.

Mit Effi Eitam hat der israelische Minis-terpräsident Ariel Sharon nun auch einen gewichtigen Vertreter der extremen Rechten in die Regierung und ins Sicherheitskabinett geholt. Ein erklärtes Ziel des 50jährigen ehemaligen Militärs ist es, »wie König David« die Bevölkerung zu führen. Er hat nach eigenen Aussagen den Weg zur Transzendenz im Gefecht gefunden, aus dem Jom-Kippur-Krieg kehrte er 1973 gläubig heim. Als Brigadegeneral war Eitam schließlich der höchste religiöse Offizier der israelischen Streitkräfte. Dieser Umstand ist insofern bemerkenswert, da in der »zionistischen Epoche« Israels Staat und Militär weltliche Domänen waren, die von orthodoxen Juden sogar abgelehnt wurden.

Den »Postzionismus« prägt dagegen die Einflussnahme Religiöser auf die Strukturen und Institutionen des israelischen Staates. Die Wahrnehmung dieses Epochenbruchs setzt allerdings eine tatsächliche Kenntnis des Zionismus jenseits der pathischen Projektionen des »Antizionismus« voraus. Beispielhaft für die Annäherung der weltlichen Rechten an die religiöse ist die National-Religiöse Partei.

Die ehedem moderat-konservative Partei, deren Wurzeln in der zionistischen Bewegung liegen, war in fast allen Regierungen Israels vertreten. Seit dem forcierten Siedlungsbau im »biblischen Kernland« der Westbank hat sie sich radikalisiert und sich kontinuierlich ins extreme rechte Lager bewegt. Heute repräsentiert sie das Spektrum militanter Siedler und hält in der Knesset 4,1 Prozent, ihr Potenzial gilt aber als sehr ausbaufähig.

Im Gegensatz zur konservativen Weltabgewandheit der jüdischen Orthodoxie, die sich auf die Führung eines gottgefälligen Lebens beschränkte, gibt es nun auch einen modernen Typus, der sein Schicksal selbst in die Hand nimmt. Für ihn steht Eitam. Nach seinem Ausscheiden aus der Armee rief er 2001 »Mayam« ins Leben, eine außerparlamentarische rechte religiöse Bewegung, denn Eitam ließ sich lange auf keine einzelne Partei festlegen. Das steigende Ansehen seiner Person sollte ihn als Mehrheitsbeschaffer und Integrationsfigur einer rechten Regierungskoalition attraktiv machen. Nach dem kürzlichen Rücktritt des Chefs der National-Religiösen Partei, Itzhak Levi, übernahm er schließlich dessen Nachfolge. In einem Bündnis der weltlichen Rechten mit dem »religiösen Block« der Knesset will er sich den Weg an die Spitze des Staates bahnen.

Den »religiösen Block« verbindet mit Eitam das Ziel, Israel müsse ein jüdischer Staat im halachischen Sinne - d.h. gemäß der religiösen Gesetze - werden. Der Begriff des »jüdischen Staates« war zwar schon im Zionismus präsent, doch unterließ man es bewusst, seinen »jüdischen Charakter« jenseits des Gedankens eines Refugiums für verfolgte Juden zu bestimmen.

Im Zuge der Fundamentalisierung des innerjüdischen Diskurses fordert Eitam konsequent, das israelische Selbstverständnis umzudefinieren. Eine »Synthese aus jüdischen Inhalten und westlicher Technologie« müsse den »westlich-liberalen, säkular-demokratischen Charakter Israels« ersetzen. Doch vor allem betrifft dieses Staatskonzept das Thema, mit dem sich Eitam zu profilieren versteht: den israelisch-palästinensischen Konflikt. Im Januar trat er als Sprecher einer Gruppe von Offizieren auf, die eine totale Zerstörung der Autonomiebehörde und die Festnahme Arafats forderten.

Eitam wendet sich auch gegen einen palästinensischen Staat westlich des Jordans, statt dessen sollte ein solcher Staat auf der ägyptischen Sinai-Halbinsel und in Jordanien gegründet werden. Israel solle Maßnahmen ergreifen, Palästinenser dorthin »zur Auswanderung zu ermutigen«. Damit kokettiert er mit dem, was der Rechten euphemistisch mit »Transfer« bezeichnet wird: eine Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung aus den besetzten Gebieten in die arabischen Anrainerstaaten.

Arabische Israelis sieht Eitam als »tickende Zeitbombe«, er droht ihnen mit dem Entzug des Wahlrechts. Unter seiner Herrschaft, da ist er sich sicher, würden sie es ebenfalls bald vorziehen, östlich des Jordan zu leben. Präventivschläge gegen den Irak und den Iran hält er derzeit für unabwendbar. Selbst wenn sein politisches Engagement nicht den erhofften parlamentarischen Erfolg bringen sollte und die religiöse Mehrheit scheitert, zeitigt das Wirken rechter politischer Kräfte in Israel deutliche Folgen. Unter dem Eindruck palästinensischer Terroranschläge werden immer mehr rechte Inhalte von der Mitte der Gesellschaft angenommen.

Das wird sich nicht allein auf die palästinensisch-israelische Frage auswirken. Eitam weiß auch, dass seine Positionen zu einem offenen Krieg mit den arabischen Nachbarn führen könnten. Doch gemäß seiner militärischen Sozialisation scheint er ihn herbeizusehnen »Im Falle eines Krieges«, verspricht er, »werden hier nicht viele Araber übrig bleiben.«

Eitams Wählerpotenzial besteht aus dem militanten Flügel der Siedler, politischen Religiösen, antiarabischen Chauvinisten sowie Terror- und Kriegsgeschädigten. Es wächst beständig und ist Ausdruck der auch in Israel wachsenden Ablehnung weltlicher Staatskonzepte. Mit der Berufung Eitams hat sich Sharon gegen das Ausscheiden der Arbeitspartei aus der Regierungskoalition abgesichert. Mit dem »starken Mann« Eitam werden die National-Religiösen zu attraktiven Partnern. Liberale und linke Israelis kündigen nun langsam den Konsens: »Wir sind keine Brüder, Effi!« Das Land droht sich an der Nachfolge König Davids ein zweites Mal zu spalten.