Die PKK heißt jetzt Kadek

Schwätzen statt schießen

Vergessen Sie Negri/Hardt! Wirklich bahnbrechende Worte kommen von einer Insel im Marmarameer bzw. von einer Veranstaltung, die kürzlich irgendwo im Nordirak, vielleicht auch im Nordiran stattfand.

Sie glauben es nicht? Dann lesen Sie das: »Zu Beginn wurden die Thesen behandelt, die unser Vorsitzender Abdullah Öcalan zur Bewertung durch unseren Kongress eingereicht hatte und die einen wegweisenden Charakter für die Menschheit im neuen Jahrhundert besitzen.« Und das: »So erklärte unser Vorsitzender seine Eingabe an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gleichzeitig zum Rechenschaftsbericht für den VIII. Kongress unserer Partei.« Und das: »Dieser wurde von unserem Kongress zum Manifest einer demokratischen Zivilisation erklärt. In diesem Manifest herrscht ein gedankliches Niveau, das als eines der systematischsten und umfassendsten der Menschheitsgeschichte bezeichnet werden kann.«

Jetzt ist die Anfang des Jahres von der PKK angekündigte und Ende März von den türkischen Medien voreilig gemeldete Umbenennung der Arbeiterpartei Kurdistans tatsächlich erfolgt (Jungle World, 15/02). 285 Delegierte kamen nach Angaben der Ex-Guerilla zusammen und befanden, dass die PKK »durch das erwachte kurdische Nationalbewusstsein unwiderruflich ihren Platz in der Weltgeschichte eingenommen« und damit »ihre historische Mission erfüllt« habe. In den 24 Jahren des »heldenhaften Kampfes« muss es zwar hier und da zu - mit keiner Silbe näher erläuterten - »Fehlern und Mängeln« gekommen sein. Diese aber seien einem »innerhalb der PKK entstandenen Bandenwesen« anzulasten. Deswegen heißt die PKK jetzt Kongress für Freiheit und Demokratie Kurdistans (Kadek), der Vorsitzende aber bleibt der alte: Abdullah Öcalan.

Und was hat die PKK der Menschheit, also auch Ihnen, zu sagen? Zum Beispiel, dass »die Zukunft der demokratischen Zivilisation gehört. Demnach bedarf die Menschheit eines demokratischen Wandels im Zuge der wissenschaftlichen und technischen Revolution, der sich auf sämtliche Bereiche des Sozialwesens, der Kultur, der Ideologie und Politik erstreckt.« Super!

Lustig auch, dass in dem fünfseitigen Dokument zwar 65 Mal das Wort »Demokratie« und dessen Derivate vorkommen, aber nicht erwähnt wird, ob es Gegenkandidaten zu dem in Abwesenheit gewählten Öcalan gab und ob er erwartungsgemäß das Traumergebnis von 100 Prozent Ja-Stimmen einfuhr.

Das aber spricht nicht gegen die Demokratietauglichkeit des Apo-Wahlvereins. Autoritärer Führungsstil, Mord und Korruption sind keine Ausschlussgründe, sondern geradewegs Voraussetzungen, um im Parlamentarismus alla turca mitzumachen. Allein, die Partei, die das Land wirklich regiert und gleich auf sinnlose Kongresse verzichtet, nämlich das Militär, will die PKK nicht mitspielen lassen.

Folglich richten sich die Augen der Ex-Guerilla gen Westen. Um die ersehnte Anerkennung zu erheischen, ist sie - davon zeugt das Gründungsmanifest des Kadek - zu allen Zugeständnissen bereit. Man erteilt dem Nationalismus eine offizielle Absage, auch wenn das Papier von völkischen Kategorien nur so wimmelt; distanziert sich von Gewalt, selbst wenn man die bewaffneten Verbände nicht auflösen will; verzichtet ausdrücklich darauf, bestehende Grenzen in Frage zu stellen, obwohl weiter von der »Einheit des kurdischen Volkes« die Rede ist; beseitigt jeden Verdacht, dass man noch klassenkämpferische Ziele verfolge und enthält sich- und das ist neu - jeder kämpferischen Aussage zum wichtigsten Konflikt in der Region, nämlich zum israelisch-palästinensischen.

Kurz, die PKK gibt sich moderat, versucht aus der Inhaftierung ihres Chefs Kapital zu schlagen (Mandela!) und benennt sich nach dem südafrikanischen Vorbild in »Kongress« um (ANC!). Jetzt müsste sich nur noch jemand der kurdischen Sache annehmen.