Regierung gegen außerparlamentarische Opposition

Auf den Putz gehauen

Österreichs rechtskonservative Regierung tilgt die Symbole der außerparlamentarischen Opposition. Nach mehr als zwei Jahren friedlicher Koexistenz mit den Demonstranten setzt die Staatsmacht auf Konfrontation.

Ein kleiner Zettel ist alles, was von dem wohl bekanntesten Symbol des Widerstandes gegen die rechtskonservative österreichische Bundesregierung übrig blieb. Darin werden die zähen Widerständler informiert, dass ihre »Botschaft der besorgten Bürger« behördlich geräumt worden sei.

Seit mehr als zwei Jahren stand sie da, die »Botschaft«: Eine Hütte, ein paar Klappstühle, ein Zeltvordach. Mehr nicht. Dennoch war diese »Botschaft der besorgten Bürger« seit dem Amtsantritt der österreichischen Bundesregierung im Februar 2000 eine Anlaufstelle für die Opposition, die auch geografisch perfekt platziert war. Die »Botschaft« stand am Ballhausplatz, also genau dort, wo sich das Machtzentrum der österreichischen Republik befindet. Zur Linken steht das Bundeskanzleramt, rechts davon die Präsidentschaftskanzlei, ein wenig weiter hinten das Außen- und das Innenministerium. Und in unmittelbarer Nachbarschaft liegt der Heldenplatz mit der Hofburg.

Insofern war sie unter all den Symbolen des ohnehin langsam erlahmenden Widerstandes gegen die blau-schwarze Regierung zugleich ein wichtiges Zeichen: »Wir sind noch da«, konnte die Opposition bis zuletzt vermitteln, auch wenn die Zeiten der Massendemonstrationen mit 250 000 Teilnehmern schon längst Vergangenheit waren. Beinahe rund um die Uhr war die »Botschaft« besetzt, fanden Lesungen statt. Selbst Österreichs Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP), der im Februar 2000 durch einen Tunnel zur Vereidigung im Präsidentenpalast gelotst werden musste, um dem Zorn der Demonstranten zu entkommen, hatte sich daran gewöhnt. Wenn Schüssel vorbeiging, grüßte er schon mal, und die BotschafterInnen grüßten zurück. Friedliche Koexistenz oder ein Stellungskrieg? Zumindest gab es für beide Seiten keine großen Gebietsgewinne.

Selbst die noch immer wöchentlich stattfindenden Donnerstagsdemos gegen die Regierung sind mittlerweile zu einem Ritual geworden. Jeden Donnerstag spielt die Polizei ihr Tonband »Dies ist eine unangemeldete Demonstration«, jeden Donnerstag rufen die Demonstranten »Zugabe«, und wenn die Polizisten gut gelaunt sind, wird das Band eben nochmal gespielt. Zu Ausschreitungen kommt es nicht, man hat sich arrangiert, österreichische Beschaulichkeit eben.

Doch seit der vorvergangenen Woche kam Bewegung in das Arrangement. Denn seither mehren sich die Anzeichen dafür, dass die Regierung die Opposition auf der Straße nun endgültig satt hat. Auf Betreiben des Burghauptmannes Wolfgang Beer, der für das Areal rund um die Hofburg zuständig ist, wurde die »Botschaft«, die er als »Gerümpel« bezeichnet, mitten in der Nacht und ohne größeres Aufsehen geräumt und in ein Lager gebracht.

Offiziell gibt er verwaltungstechnische Gründe für die Räumung an. Für die »Botschaft« gab es keine Baugenehmigung, Miete für den Standplatz wurde auch nicht bezahlt. Der Burghauptmann verweist auch auf die Unordentlichkeit auf dem Platz, der zu den touristischen Attraktionen Wiens gehört. Selbst Verhandlungen über Verschönerungen der »Botschaft« seien gescheitert: »Der Container hat kein Recht da zu stehen. Wir haben verhandelt, damit er nicht so ein Misthaufen ist, und es waren immer Ausländer, die bei uns waren.« Er habe nichts gegen Ausländer, »aber interessant« sei das schon, sagt Beer.

Einen politischen Auftrag zur Räumung der »Botschaft« will er nicht bekommen haben, obwohl der Zeitpunkt schon seltsam ist. Schließlich marschierten nur kurz vor der Räumung Burschenschafter und eine ganze Reihe Rechtsextremer ungehindert am Heldenplatz, in der Nähe der »Botschaft« gegen die derzeit in Wien gastierende Wehrmachtsausstellung auf. Die Gegendemonstration linker Gruppierungen wurde dagegen von der Polizei unsanft gestoppt.

Nun ist für den 8. Mai, den 57. Jahrestag der deutschen Kapitulation, erneut ein Aufmarsch rechtsextremer Gruppierungen am Heldenplatz geplant. Schlagende Verbindungen wollen dort der im Krieg gefallenen Wehrmachtssoldaten gedenken. Auch eine Kranzniederlegung soll stattfinden, derentwegen der Heldenplatz für Gegendemonstranten gesperrt werden soll.

Doch so leicht dürfte es der Polizei wohl nicht fallen, die beiden Seiten auseinanderzuhalten. So wollen linke Gruppierungen ebenso demonstrieren wie die Wiener Hochschülerschaft. Und auch die Stadt Wien will sich an den Aktivitäten beteiligen und plant ein »Fest der Freiheit«. Eine interessante politische Konstellation also.

Während die Regierung die Gegendemos am liebsten vollkommen verbieten würde, wehrt sich der sozialdemokratische Wiener Oberbürgermeister Michael Häupl gegen das Totschweigen der Opposition und will feiern. »Wir werden nicht zusehen, wenn alte und neue Nazis demonstrieren«, kündigt Häupl an, der bei den letzten Wahlen in Wien immerhin die absolute Mehrheit für sich und seine Sozialdemokraten gewinnen konnte.

Das Monopol rechtsextremer Organisationen auf den historisch wahrscheinlich wichtigsten Platz Wiens - auf dem Heldenplatz hielt auch Adolf Hitler 1938 beim »Anschluss« Österreichs an das deutsche Reich eine Rede - und der Umgang der Behörden mit der linken Opposition ist für die Kritiker der blau-schwarzen Regierung ein deutliches Indiz: »Hier findet eine Frühjahrsoffensive statt«, verlautet es aus dem Hauptquartier der österreichischen Grünen. Denn all das, so schlussfolgern die Gegner der Regierung, kann kein Zufall sein.

Für diese Annahme spricht, dass auch der Ton im Parlament schärfer wird, seit es bei den Demos anlässlich der Wehrmachtsausstellung zu Ausschreitungen kam. So fordert etwa der Generalsekretär der FPÖ, Peter Westenthaler, ein Vermummungsverbot für Demonstranten einzuführen. Er hat auch gleich den passenden Strafrahmen für Verstöße gegen dieses Verbot parat: bis zu einem Jahr Haft.

Als der grüne Nationalratsabgeordnete Karl Öllinger während der Demo anlässlich der Wehrmachtsausstellung zwischen linke Demonstranten und die Polizei geriet, wurde er von der Regierung gleich als gewalttätiger Marschierer geoutet: »Die Grünen sind der parlamentarische Ansprechpartner, Vertreter und Förderer der linksextremen, (teils) gewaltbereiten Szene«, heißt es in einem Dossier, das die konservative österreichische Volkspartei (ÖVP) über die Grünen verfertigt hat.

Vielleicht hat das damit zu tun, dass die Grünen besonders der ÖVP zusetzen. Laut Umfragen werden sie immer stärker, und mit Alexander van der Bellen, einem Uni-Professor für Volkswirtschaft, haben sie noch dazu einen selbst bei ÖVP-Anhängern ungemein beliebten, sehr gemütlichen und gar nicht gewaltbereit aussehenden Vorsitzenden, der Wirtschaftskompetenz und behagliche Ruhe ausstrahlt. In der Dramaturgie der ÖVP aber soll er nun eher zu einer österreichischen Version des ehemaligen Putzgruppen-Kommandanten Joseph Fischer werden.

Die österreichische Regierung verfolgt also eine geschickte Doppelstrategie. Die parlamentarische Opposition wird desavouiert, die außerparlamentarische Opposition schlicht verboten. Zwei Jahre nach der rechtskonservativen Regierungsübernahme wird Österreich normalisiert. Um jeden Preis.