Eine gegen »Nahost-Konferenz« Israel

Zum Roten Bock

Im »philosophischen Salon« fand eine »Nahost-Konferenz« statt. Antiimperialisten und Grundschulmarxisten kamen.

Der Antiimperialismus sei in gewissen Kreisen zu einem Schimpfwort geworden, sagte am vergangenen Samstag Charlie Kneffel, ein Redakteur der Kalaschnikow, und er meinte die so genannte antideutsche Linke. Der »philosophische Salon«, ein der PDS nahe stehender, rühriger, aber nicht gerade erfolgreicher Verein, hatte zu einer eintägigen »Nahost-Konferenz« ins ehemalige Gebäude des Neuen Deutschland eingeladen, und da konnte es nicht ausbleiben, dass sich auf der anderen Straßenseite eine von den Bahamas inspirierte Demonstrantengruppe versammelte, um gegen diese »schändliche« Veranstaltung, in deren Verlauf zweifellos nicht viel Freundliches über Israel gesagt werden würde, zu protestieren.

Draußen sechzig Demonstranten, drinnen vierzig Konferenzteilnehmer. Diese letzte Zahl werde sich aber, so versprach es Stefan Pribnow, der Vereinsvorsitzende, nach dem Ende einer am selben Nachmittag stattfindenden Solidaritätsdemonstration für das unterdrückte palästinensische Volk erheblich vergrößern. Allein, es wurde nichts daraus, und so blieben die wenigen aufrechten Kämpfer nicht nur gegen den Zionismus und den US-Imperialismus, sondern seit Neuestem auch noch gegen scheinbar linksradikale, antideutsche, objektiv aber den USA und der israelischen Militärjunta nützliche Renegaten, den ganzen Tag unter sich und lauschten den Referenten, wie sie sich mühten, den Antiimperialismus und den von ihm nur schwer zu unterscheidenden Grundschulmarxismus noch mehr zu diskreditieren.

Zum Auftakt verlas Kneffel eine Grußbotschaft des trefflichen Hans Lebrecht aus Israel, der sich, »Marx sei Dank«, noch immer gesund und munter, eine neue historische Metapher dafür ausgedacht hatte, was die Juden in Palästina treiben: »So glaube ich, zum Beispiel, dass die Feststellung, Israel betreibe eine Apartheid-Bantustan-Politik, nicht mehr aktuell ist. Die Politik der regierenden Sharon-Bande wird eher nach dem Modell der Landraub-Politik der Weißen Amerikaner gegenüber den Indianern im 19. Jahrhundert geführt. Auch damals hieß die irreführende Landraub-Parole 'Land für Frieden'. Allerdings wird das jetzt nicht mehr mit Glasperlen, Winchester Rifles und Whisky gemacht, sondern mit Panzern, Raketen, feuernden F-16 Kampfjets und Hubschraubern. Alles made in USA.« Und nun hätte man nach Hause gehen sollen. Denn es kam, mit der einzigen Ausnahme des Vortrags von Richard Herding, der grundsätzliche Überlegungen zur Ethik sozialer Befreiungskämpfe vortrug, nichts Nennenswertes mehr.

Sondern Fritz Teppich. Als Jude und Marxist, als Spanienkämpfer mit militärischer Erfahrung zudem, fühlte er sich berufen, über das Wesen des Zionismus aufzuklären, und en passant präsentierte er einige historische Tatsachen und Vermutungen, auf deren Grundlage die Geschichte des 20. Jahrhunderts wohl wieder einmal neu geschrieben werden muss. Dass der Zionismus bloß eine aggressive nationalistische Ideologie unter anderen sei, dass seine Organisationen mindestens bis 1935 von den Nazis geduldet, wenn nicht sogar gefördert wurden, hatte man wohl schon einmal gehört, und von dem Gedanken, dass die Zionisten gegenüber denjenigen Juden im Recht waren, die noch zu Beginn der dreißiger Jahre an die Assimilation glaubten, ließ Teppich sich selbstverständlich nicht irritieren.

Neu war jedoch die Enthüllung, der damalige britische Premierminister Arthur Neville Chamberlain habe Deutschland in einen Krieg gegen die Sowjetunion hetzen wollen und deshalb 1938, während einer Verhandlungspause der Münchner Konferenz, Hitler die Erlaubnis erteilt, mit den Juden in Deutschland und in Osteuropa so zu verfahren, wie es ihm beliebte. Teppich war zwar nicht dabei, es gibt auch keine einschlägigen Dokumente; aber das Wissen, anders könne es gar nicht gewesen sein, nennt man eben den historischen Materialismus. Und wenn es, wie Teppich sagte, kein Zufall war, dass einen Monat nach der Münchner Konferenz die Reichspogromnacht stattfand, so war es gewiss auch kein Zufall, dass während seines Vortrags der große Gerhard Branstner in der ersten Reihe saß.

Wie aber geht es weiter in Palästina? Und soll man dem Staat der Zionisten überhaupt so etwas wie ein Existenzrecht gewähren? Die erste Frage beantwortete Shraga Elam. Im Mai hatte er dem Landtagsabgeordneten Jamal Karsli einen Brief geschrieben: »Als kritischer israelischer Journalist hat es mich sehr gefreut zu lesen, dass Sie die israelischen Nazi-Methoden angegriffen haben. Ich finde es beschämend, dass es in Deutschland heute nur beschränkte Möglichkeiten gibt, die israelischen Kriegsverbrechen und die gefährlichen Mechanismen beim Namen zu nennen.«

Der Mann lebt in Zürich, und die Tatsache, dass er trotzdem so wenig versteht, was in Deutschland geschieht, ließ von seinem Vortrag über die israelischen Zustände das Schlimmste befürchten. Zunächst meldete er einen »freiwilligen Militärputsch«, der vor kurzem in Israel stattgefunden habe und der von der gleichgeschalteten deutschen Presse natürlich verschwiegen wurde. Während es die Absicht der Regierungen Yitzhak Rabin und Ehud Barak gewesen sei, die Palästinenser, die bisher von den Israelis unterdrückt worden waren, von der eigenen Autonomiebehörde unterdrücken und diese »die dreckige Arbeit« tun zu lassen, habe vor zwei Jahren eine »Militärjunta« die zweite Intifada provoziert, um ihren brutalen Krieg gegen palästinensische Zivilisten rechtfertigen zu können.

Schon 1996 hätten israelische Militärs die »Operation Dornenfeld« geplant, die nicht weniger zum Inhalt habe als die Vertreibung aller Araber aus ganz Palästina. »Israel wird diese Vertreibung auf jeden Fall versuchen«, fraglich sei bloß noch, ob der bevorstehende Krieg der USA gegen den Irak zum Anlass dienen werde oder ein »Mega-Attentat« mit einigen hundert israelischen Opfern. Die Frage aber, wer ein solches Attentat begeht, ob die Junta auf die Hamas warten oder den Mossad beauftragen wird, durften Elams Zuhörer, da sie nicht gestellt wurde, sich selbst beantworten.

Fürs Existenzrecht Israels war Dieter Elken zuständig. Das ewige Geschwätz vom Holocaust fällt den Marxisten schon lange auf die Nerven, denn es solle doch nur von der wahren Ursache des Faschismus, von der Krise des Kapitalismus nämlich, ablenken. Außerdem legitimiere es den jüdischen Staat, dessen Gründung mit dem Mord an den europäischen Juden aber eigentlich nichts zu tun habe. Die Linke sei dem Säkularismus verpflichtet und müsse deshalb »das Existenzrecht Israels, d.h. seinen zionistischen Charakter als nach innen und außen aggressiver Kolonialsiedlerstaat in Frage stellen«.

Vom US-Imperialismus und seiner Weltherrschaft war des Öfteren die Rede, und natürlich von Israel, dem »Hinterland« oder »Eckpfeiler«, aber nicht von Deutschland. Dennoch durfte man während dieser Konferenz zumindest erahnen, was der Antiimperialismus von der Bundesregierung verlangt. Deutschland habe »eine spezielle Verantwortung einzugreifen« zugunsten der Palästinenser, erklärte Elam. »Deutsche, schüttelt die Schuld ab, die man euch auferlegt seit Adenauer!« posaunte Teppich. Er meinte die militärische und ideologische Unterstützung Israels.