Proteste gegen Privatisierung in Frankreich

Staatliche Steckdosen

Das erste Kräftemessen der sozialen Opposition mit der Mitte-Rechts-Regierung von Jean-Pierre Raffarin endete mit einem relativen Erfolg für die Gewerkschaften. Am 3. Oktober demonstrierten in Paris rund 60 000 bis 70 000 Menschen gegen die Privatisierung der öffentlichen Strom- und Gasversorgungsunternehmen EDF und GDF.

Nach ihrem Amtsantritt im Juni kündigte die neokonservative Regierung eine Teilprivatisierung dieser Betriebe an, die erst vor wenigen Jahren in zwei Unternehmen geteilt worden waren. Das wäre ein bedeutsames Signal, denn die Nationalisierung der Energieversorgung und die Gründung des damaligen Einheitsunternehmens EDF-GDF im Jahr 1946 zählte zu den wichtigsten Veränderungen in der Zeit nach der Befreiung vom Faschismus, in der noch die KP an der Regierung beteiligt war. Jahrzehntelang war das Unternehmen dann in enger Verquickung mit den Gewerkschaften verwaltet worden, und das Personal konnte wichtige soziale Errungenschaften bewahren.

Es gab aber in späteren Jahren Kritik von sozialen Bewegungen, etwa wegen der Atomenergiepolitik des Energieversorgers, der 75 bis 80 Prozent seiner Elektrizität aus Kernenergie bezieht, die von der Gewerkschaft CGT vorbehaltlos mitgetragen wurde. Gerade in den letzten Monaten verzeichnete aber die linksalternative Basisgewerkschaft SUD, die die Atomenergie ablehnt, Erfolge bei den Personalratswahlen, nicht zuletzt wegen ihres Widerstandes gegen die Privatisierung.

Vor allem die Privatisierung der Atomkraftwerke und die zu befürchtenden Auswirkungen auf die Sicherheit erschrecken derzeit die Öffentlichkeit.

Gleichwohl genießt der öffentliche Dienst des EDF besondere Sympathien, u.a. dank der erfolgreichen und nicht auf Rentabilität ausgerichteten Bewältigung der Folgen des verheerenden Sturms vom Dezember 1999 sowie der jüngsten Überschwemmungen in Südfrankreich.

Rund zwei Drittel der Demonstranten am 3. Oktober gehörten der CGT an, aber alle bei EDF vertretenen Gewerkschaften hatten zu dem Pariser Protestzug aufgerufen. Der sozialdemokratischen Gewerkschaft CFDT sowie Teilen der CGT-Führung geht es freilich vor allem darum, das spezifische öffentliche Statut, das die Beschäftigten des EDF haben, zu bewahren. Dies ist ein wichtiges Zugeständnis an die Regierung, denn deren Verhandlungsstrategie zielt darauf, dass den vor Beginn der Teilprivatisierung eingestellten Beschäftigten das bisherige Statut garantiert werden soll, wenn die Gewerkschaften die Teilprivatisierung akzeptieren. In Teilen der CGT und bei SUD gibt es dagegen allerdings erhebliche Widerstände.

Auch Beschäftigte der Fluggesellschaft Air France, deren Staatsanteil unter 50 Prozent gesenkt werden soll, und der Eisenbahn demonstrierten für das gemeinsame Anliegen, die Privatisierung abzuwehren. Allerdings ist der von manchen erhoffte Effekt, dass sich die Proteste auf andere öffentliche Dienste ausweiten, ausgeblieben. Deutlich über 80 Prozent der Demonstrationsteilnehmer waren Betriebsangehörige von EDF oder GDF. Und so könnte das Relative im Erfolg der Großdemonstration darin bestehen, den Widerstand gegen die Privatisierung in nur einem Sektor des öffentlichen Dienstes organisiert zu haben.