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Eine Woche der Sekundärtugenden liegt hinter der Redaktion. Nicht nur, dass die pünktliche Abgaben von Artikeln mal wieder gefordert und meist sogar eingehalten wurden. Nicht nur, dass dieser unterbesetzten Redaktion das fleißige Arbeiten mit sehr unterschiedlichen Texten abverlangt wurde, nein es kam noch dicker, quasi sekundärtugendiger.

Es wurde geputzt.

Ein Kollege schleppte moderne Mopps herbei, dazu drei Eimer, Putzmittel und paar Schwämme und Tücher. Einer saugte das gründlich ab, was nicht zu Unrecht Auslegeware heißt, einer hampelte auf der Leiter rum, um Fenster zu putzen, und etliche Ressorts räumten sogar die Regale auf, fanden richtige Nachschlagewerke, früher mal leckeren Schnaps enthaltenes Leergut und durch das Leben hart gewordene Orangen.

Putztag nannte sich die Aktion und war wie immer, wenn Linke etwas tun, erkenntnisreich: 1. Redaktionsräume werden nicht deswegen sauber, bloß weil man einen Putzplan hat. 2. Die broken-windows-Theorie in der Soziologie hatte sich bewahrheitet, die besagt, dass, wenn in einem Haus die erste Fensterscheibe zerspringt, warum auch immer, es nicht mehr lange dauert, dass die anderen auch zerspringen. In diesem Laden bedeutet es, dass, wo erstmal dreckige Kaffeetassen stehen, wo erstmal Müll abgestellt wurde oder wo erstmal hingeascht wurde, so etwas bald wiederholt wird. 3. Auch Sauberkeit kann ungute Effekte zeitigen, etwa, dass neuerdings die Fruchtfliegen dort schwirren, wo es ihnen bislang zu eklig war.

Nun jedenfalls sind Redaktionsräume temporär sauber, und ob das zu dieser Zeitung passt, müssen andere entscheiden. »Zur linksradikalen Wochenzeitung Jungle World passt es nicht«, meint die taz, meint aber etwas ganz anderes, nämlich: »Es gibt ein T-Shirt, auf dem trägt die Comic-Figur ›Das kleine Arschloch‹ ein Schild mit der Aufschrift ›Kleinste radikale Minderheit‹ und guckt dazu grimmig. Dies ist in etwa das Bild, das junge Leute in diesem Land von der radikalen Linken haben.« Und was nicht zu uns passt, wie die taz meint. Dabei hindern uns doch nur die Temperaturen daran, in T-Shirts rumzulaufen.

Andere sehen es, das haben andere an sich, anders. Sollte es irgendwann mal »im Zusammenspiel von Politik und Musik« wieder zu revolutionären Zeiten kommen, weiß der Tagesspiegel, »dann eher im Umfeld der linken Zeitung Jungle World«. Und erstaunlicherweise gar nicht im Umfeld des Tagesspiegel.

Aber taz und Tagesspiegel haben ja auch Putzfrauen, die sie verklemmt Reinigungskräfte oder Raumpflegerinnen nennen, weshalb bei denen ein Lob der Sekundärtugend ja auch gleichermaßen geistig und unangenehm klingt.