1,2,3, Dresdner Keilerei

Daniel Libeskind baut das sächsische Militärmuseum um. von ivo bozic
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Für die einen ist er ein Blender, für die anderen ein Genie. Der amerikanische Stararchitekt Daniel Libeskind schafft es immer wieder, zum Gesprächsthema zu werden. Der nach seinen Entwürfen errichtete Bau des Jüdischen Museums in Berlin wurde zum Publikumsmagneten, bevor auch nur ein Exponat eingeräumt war. Jedes Fenster, jeder Winkel, jede Schräge war mit Symbolik aufgeladen. Ein Haus als Kunstwerk. Auch an der Neugestaltung von Ground Zero in New York wird Libeskind beteiligt sein und damit seinen Ruhm vermutlich für alle Zeit verewigen.

In Dresden jedoch stößt Libeskind auf Widerstand. Es begann vor rund drei Jahren: Nachdem er den Zuschlag für einen Zweckbau an der Hauptstraße bekommen hatte, regte sich Protest, sowohl gegen den Ablauf der Ausschreibung als auch gegen den ausgewählten Entwurf. Libeskind hatte vor allem eine schräge Fassade und viel Glas vorgesehen. Da jedoch zu dem Zeitpunkt, als er den Entwurf vorlegte, die spätere Nutzung des Gebäudes noch offen war, blieb Libeskinds Symbolsystem bedeutungslos.

18 Dresdner Architekten legten Widerspruch gegen das Prozedere der Ausschreibung ein, und Henryk M. Broder bezeichnete Libeskind als »Scharlatan«, der »nicht zwischen einem jüdischen (Holocaust-) Museum und einem Verwaltungsgebäude unterscheiden mag, weil er immer schräge Linien zeichnet, egal was gebaut werden soll«. Broder kritisierte dabei auch, dass bestimmte Jobs, wie der Bau des Jüdischen Museums oder des Holocaustmahnmals in Deutschland immer gerne an Juden abgegeben werden, um politisch auf Nummer sicher zu gehen: »Nur wenn es um Juden geht, wird jeder Stuss zur metaphysischen Sensation.« Dennoch soll das Haus an der Hauptstraße in Dresden wie vorgesehen gebaut werden, inzwischen hat man sich auf die Nutzung als Kaufhaus und Kulturraum speziell für Kinder verständigt. Die mögen es bekanntlich immer schräg.

Bei seinem neuen Projekt in Dresden ist Daniel Libeskind allerdings eine glasklare und in jeder Hinsicht unzweifelhafte Symbolik gelungen. Im August hatte er von Verteidigungsminister Peter Struck den Zuschlag für den Umbau des Militärhistorischen Museums erhalten. Das Museum ist Teil einer Kasernenanlage, die auf der Neustädter Elbseite, also gegenüber dem historischen Stadtkern, auf einem Plateau liegt. Wie eine Akropolis thront das Hauptgebäude mit seinen neoklassizistischen Säulen über der Stadt. Es ist von der anderen, belebteren Elbseite aus sehr gut zu sehen. Umso größer ist die Aufmerksamkeit, die dem Umbau zuteil wird.

Libeskind hatte sich schon einmal an ein Militärmuseum gewagt – und dabei geglänzt. Das Imperial War Museum North im britischen Manchester wurde nach seinem Entwurf gebaut. Es erinnert in seiner Gesamtheit an einen zerbrochenen Globus und thematisiert damit das Elend von Kriegen und menschlicher Destruktivität. Auch in Dresden will Libeskind keine Ruhmeshalle für Militärdevotionalien errichten. Sein Entwurf sieht einen gläsernen Blitzkeil vor, der sich wie ein enormer Schiffsbug durch das aus dem 19. Jahrhundert stammende Gebäude bohrt und der die alten Gemäuer rigoros zerteilt. Der gläserne Gebäudeteil wird das Museum zergliedern und so auf die Brüche und Einschnitte in der Militärgeschichte hinweisen.

Aber auch das Gebäude selbst, das ansonsten in seiner alten Form bestehen bleiben soll, hat eine wechselhafte Geschichte. Fünf verschiedene politische Systeme haben dort ihre Sicht auf die Militärgeschichte dargestellt. 1897 war die Historische Waffen- und Modellsammlung eröffnet worden, in der Weimarer Republik wurde sie zum Sächsischen Armeemuseum umgewandelt. Unter den Nazis wurde das Haus 1940 zum Heeresmuseum erklärt und mit militärischem Beutegut des Krieges gefüllt. In der DDR nutzte man das Gebäude zunächst als Kaserne, 1972 eröffnete dort das Armeemuseum der DDR. 1990 übernahm dann die Bundeswehr den Bau. Im Fundus finden sich heute wertvolle Waffen, Uniformen, Fahnen, Medaillen und Fotografien, aber auch jede Menge billiger Schnickschnack. Es stapeln sich alter NVA-Schrott, ein Stück Berliner Mauer, Wehrmachtsorden, Schiffsmodelle und unzählige Kanonen. Eine Rumpelkammer deutscher Militärgeschichte, die eben nicht nur eine Geschichte von Brüchen ist, sondern immer auch von Kontinuitäten. Der Libeskind-Entwurf bringt beides zum Ausdruck.

Genau dieser kritische Blick auf die Geschichte ist es, der in Dresden nun Protest gegen den Umbau ausgelöst hat – und gegen die Person Libeskind selbst. Ausgerechnet ein Jude soll einem solch geschichtsträchtigen Bau seinen Stempel aufdrücken. Das empört vor allem die Rechtsextremisten der Stadt. Und zwar so sehr, dass sie sich zu einem Nationalen Bündnis Dresden (NBD) zusammengeschlossen haben. Von der neofaschistischen NPD über die deutschnationale DVU bis zu Vertretern der rechtskonservativen Republikaner finden sich alle Rechtskräfte der Stadt in diesem Bündnis wieder. Die antisemitische Kampagne »Stoppt das Libeskind-Projekt am Heeresmuseum« ist ihr zentrales Anliegen. Mit ihr wollen sie es schaffen, bei den Kommunalwahlen im Juni ein Stadtratsmandat zu gewinnen, was angesichts der Tatsache, dass es keine Fünf-Prozent-Hürde gibt, wohl auch nicht ausgeschlossen ist.

Libeskind bezeichnen die Rechten als »jüdischen Weltenwandler«, der mit dem Projekt »seinen Triumph über die baugeschichtlich gewachsene Albertstadt dokumentieren« wolle. Libeskind wolle eine »weitere Buß- und Umerziehungsstätte zur Verbreitung antifaschistischer Geschichtsauffassungen (…) errichten«. Vorsitzender des Bündnis ist Holger Apfel, der auch stellvertretender Parteivorsitzender der NPD ist; der ehemalige Vizechef der Republikaner, Frank Rohleder, ist einer der Sprecher. Auf einer Veranstaltung der Gruppierung im November des vergangenen Jahres in Coswig trat der ehemalige FDP-Rechtsaußen und heutige Vorsitzende der Deutschen Partei, Heiner Kappel, auf. Er klagte in seiner Rede, Libeskind wolle »symbolisch einen Keil in das deutsche Geschichtsbewusstsein treiben«. Und Rohleder forderte den »Wiederaufbau der Dresdner Innenstadt nach historischem Vorbild«. Indirekt kritisierte er auch den modernen Neubau der 1938 von den Nazis niedergebrannten jüdischen Synagoge direkt an der Elbe innerhalb der historischen »Skyline« Dresdens neben Zwinger, Semperoper und Frauenkirche. »Fremde Gotteshäuser«, so Rohleder, »und abstrakte Architektur dürfen nicht das Stadtbild verschandeln.«

Die Reaktionen zeigen, wie richtig Libeskind mit seinem Entwurf für das Militärmuseum liegt. Und die Bundeswehr mit ihrer Entscheidung für Libeskind. Wenn schon ein Militärmuseum, dann muss es genau jene Ewiggestrigen verschrecken. Die Symbolik ist in diesem Fall ganz offensichtlich keine Wichtigtuerei, sondern trifft genau dort, wo sie treffen soll. Der Glaskeil durchschlägt – auch wenn vom Architekten vermutlich nicht einmal geplant – nicht nur die alten Fassaden des Museums, sondern auch das reaktionäre Geschichtsbild und den nationalistischen Dünkel dieser alten und neuen Kameraden. Im Sommer soll Baubeginn sein. Spätestens 2008 wird die größte deutsche Militärsammlung dann wieder geöffnet.