Der Patenonkel aus Amerika

FSK haben sich für ihr neues Album Shake Shakir ins Studio geholt. von buster bloodvessel

Als wir ihn vom Flughafen abholten und zu uns nach Hause fuhren, äußerte er die Angst, dass wir mit unserer Produktion genau klingen wollten wie er«, erinnert sich Thomas Meinecke von FSK an die erste Begegnung mit Anthony Shake Shakir. Aber Shakirs Bedenken legten sich spätestens im Studio, als er nämlich merkte, dass sich FSK in der Zusammenarbeit mit ihm ausprobieren wollen (und umgekehrt).

Der Autor (»Tomboy«) und Radio-DJ Thomas Meinecke verehrt Shakes House- und Technoproduktionen schon lange. Anthony Shake Shakir gilt als legendäre Figur unter den Detroiter Technoproduzenten, arbeitete im berühmten Plattenladen Metroplex, gründete mehrere Labels und hat mit seinen eigenwilligen Platten (z.B. »Tracks for my Father«) an der Engführung von R&B und Techno gearbeitet. Die fünf FSKler dagegen arbeiten als gleichberechtigte demokratische Band. Sie nehmen bei dem Münchner Label Disko B ihre Platten auf und fragten für ihr neues Projekt bei Shakir kurzerhand nach, ob der sich nicht auf ihrem neuen Album im Studio mit einbringen wolle. Also reiste er mit seinem einzigen Instrument an, einem Sampler.

FSK haben in ihrer langen Bandgeschichte oftmals die transatlantischen Wechselbeziehungen in der Popmusik untersucht und dafür mit Musikern aus Übersee zusammengearbeitet. Das klingt manchmal etwas umständlicher und verknarzter als bei anderen Zeitgenossen, aber gerade deshalb ist es reizvoll. So näherten sie sich in den frühen Neunzigern dem Country-Genre an und thematisierten mit obskuren GI-Songs (»Hitler lives«) den Nationalisierungsschub nach der Wiedervereinigung oder tauften Jodler nach einem durchgeknallten Freejazz-Gitarristen (»Sonny Sharrock«). Damals kollaborierten FSK mit dem amerikanischen Musiker David Lowery (Camper Van Beethoven/ Cracker).

An die ständig sich verändernden Hintergründe von Pop gewöhnt, interessiert sich die Band in letzter Zeit für amerikanischen R&B, House und Techno. Neu ist auch, dass sie nach einer selbst gewählten reinen Instrumentalphase und den letzten beiden Platten »Tel Aviv« und »X« wieder den Gesang als Stilmittel entdeckt haben. »Das mussten wir uns erst wieder erobern, denn wir wollten zur menschlichen Stimme zurück und zu einem bestimmten Referenzrahmen, aus dem sich dann eine Spannung zwischen Text und Musik ergeben kann«, sagt Thomas Meinecke. Der Gesang klingt jetzt sogar programmatisch, betont spröde.

Einzig und allein Michaela Meliàn singt, sie chantet beinahe, manchmal werden minutenlang afroamerikanische Künstlernamen und LP-Titel aufgezählt. »Wir sind ja unserer eigenen Geschichte verpflichtet und können daher nicht einfach rumkrakeelen, wie es heute modern ist. Deswegen kommen wir auch wieder in dieses Rock’n’Roll-freie Terrain, das manche an unsere frühen Tage erinnert.«

Anfang der Achtziger galten FSK noch als Teil der neuen deutsche Welle, obwohl sie sich sowohl von Rest-Hippies, neugewellten Schlagerfuzzis, wie auch von den Westberliner-Lärmbands ausdrücklich distanzierten. Damals trugen sie semi-martialische Overalls und »Germany is wunderbar«-Buttons. »Ich entdecke jetzt manchmal Faszinierendes wieder, aus der Zeit um 1979/80, aber es kommt fast nie aus Deutschland. Mich interessiert eher die produktive Widersprüchlichkeit von Disco und Rock, speziell auch, was daran in New York im Augenblick rekapituliert wird. Das hat uns dazu bewogen, einige alte Songs wieder ins Repertoire aufzunehmen. Die eigene Geschichte ist aber auch ein Ballast und deshalb verändern wir meistens im unzumutbaren Maß unsere Parameter, um das Alte loszuwerden.«

Trotzdem gibt es über den Erdball verstreut treue Fans, wie etwa John Peel, dem gerade das »off-center«-mäßige von FSK gefällt. Vor allem, weil FSK diese Haltung immer wieder erneuert haben. »Der Segen ist unser spielerisches Unvermögen und unser Blick von außen«, erklärt Meinecke. »Im Ausland werden wir immer als das gesehen, was die Differenz ausmacht, auf die wir uns beziehen.« Wie überhaupt FSK gerne über den Umweg Ausland nach Deutschland zurückschwappen und an einem »german element« im Pop interessiert sind. Meinecke sieht dies explizit nicht als identitätsstiftendes Merkmal, sondern als Chance, in den eigenen Songs die Brüche im Adaptieren und Machen von Pop auszustellen. »Wir können nun mal gar nicht so klingen, wie das, was wir uns vorgenommen haben«, sagt Meinecke. »Die meisten anderen wollen das gerade verhehlen und sich so nah wie möglich ranspielen, an die Vorbilder.«

Nun also ein Album über die Adaptionen schwarzer Musik durch Weiße, was umgekehrt die Germanophilie afroamerikanischer Musiker miteinbezieht. Junge, Junge. Ein besonders schöner neuer FSK-Song heißt »Kinski-Jones«. Er erzählt die Geschichte von Sonja, dem gemeinsamen Kind der Schauspielerin Nastassja Kinski und des Musikers Quincy Jones. Die Musik ist auch so ein transatlantisches Baby aus Polka-Wirtshaus-Behäbigkeit, gerader Bassdrum und einem elegant verschlankten elektronischen Gezirpe. Oskar Maria Graf auf Ecstasy. »Das Rumpelnde unseres Spiels zieht sich als Konstante durch unser gesamtes Oeuvre«, sagt Meinecke, angesprochen auf den krachledern gemütlichen House-Vibe, »egal, welcher Musik wir uns jeweils angenommen haben.«

Seit jeher ist schwarze Musik der Impulsgeber für Pop. Davon zeugen bei FSK Titel wie »Tiger Rag« (im Original ein von Weißen eingespielter schwarzer Dixieland-Standard). Aber seit jeher gibt es eben auch einen besonders in Europa verbreiteten Authentizitätsmythos um die Entstehung von Black Music; der FSK-Titel »Blues and the Abstract Truth« (im Original Titel eines Freejazz-Albums aus den Sechzigern) widerspricht dem. Meinecke findet Blues qua Diaspora genauso exzentrisch wie etwa die Bezugnahme des Rap-Großvaters Africa Bambaataa auf »Wir sind die Roboter« von Kraftwerk.

FSK interessieren sich auch für die Resignifizierungen von schwarzen Musikstilen: Einst erneuerte sich schwer verständlicher Bebop mit leicht verdaulichem Swing. FSK 2004 fröhnen selbst einer freiförmigen Definition von Jazz: Man hört ihnen auf ihrem bis dato loungigsten Album das Lockere und Spontane an. Ursprünglich sollte das Album sogar »Black Music« heißen. Ein gleichnamiger Song ist von dieser Idee noch übrig geblieben. »First Take then Shake«, so der finale Titel, erklärt den Entstehungsprozess des Albums aber besser. Es geht FSK nicht darum, möglichst linientreuen R&B zu spielen. Mit Shake Shakir kam zwar eine Instanz aus der Welt der Black Music in den FSK-Kosmos. Sein Zugriff auf die Münchner war jedoch jedes Mal anders. In die Anatomie mancher Tracks hat er ganz tief eingegriffen und mit dem Sampler den Song zu einem Track umcodiert. Meinecke spricht hier von »freundlicher Übernahme«. Bei anderen Songs hat er den Remix-Knopf gedrückt, wieder andere sind unberührt geblieben. Shake sei wie ein mysteriöses sechstes Bandmitglied aufgetreten, das zwischendurch verreist war. In den Kompositions-Credits wird er aber ganz offiziell geführt. »First Take then Shake« ist das Ergebnis dieser Draufsicht und dieses deutsch-afroamerikanischen Jams. Es ist ein Konzeptalbum zur schwarzen Musik geworden und zeigt dabei sehr genau, welche Vorstellungen FSK von ihr haben und welche Vorstellungen Shake Shakir von FSK hat. »Ihn erinnerte der Gesang von Michaela an Marlene Dietrich und die Mandoline von Wilfried Petzi fand er ›Der Pate‹-mäßig, irgendwie mediterran«, so Meinecke.

Eher urban mündet »First Take then Shake« in ein furioses Slowfoxstück namens »Dr. Buzzard’s Original Savannah Band«. Dahinter verbarg sich die erste Metadiscoband New Yorks um den schwarzen Intellektuellen Kid Creole. Aber das ist eine andere Geschichte.

FSK meets Anthony »Shake« Shakir: First Take then Shake (Disko B)