Nur für starke Waden

Inline-Kuriere feiern fünften Geburtstag

Seit fünf Jahren sind die FahrerInnen von Inline-Kurier bei Wind und Wetter unterwegs, flitzen mit ihren Fahrrädern im Slalom durch die Staus in der Berliner Innenstadt und bringen die dringend benötigten Fotos doch noch rechtzeitig in jede Redaktion. Grund genug zu feiern. Darüber hinaus aber verkünden sie in ihrer Einladung, trotz allgemeiner Krise, ein »zweistelliges Auftrags- und Umsatzwachstum« wegen ihres »außergewöhnlichen und erfolgreichen Geschäftsmodells«. Das klingt spannend.

Stolz berichtet Rene Groß, erster Vorsitzender des Vereins der bei Inline-Kurier zusammengeschlossenen »selbstständigen Kuriere«, wie »ihr Unternehmen« innerhalb von fünf Jahren von 80 auf 150 FahrerInnen angewachsen ist. 25 Festangestellte arbeiten inzwischen in der Zentrale in der Neuen Mälzerei im Stadtteil Friedrichshain. Neue Geschäftszweige sind im Aufbau: eine Übernacht-Lagerung und ein Speditionsunternehmen. »Nach wenigen Jahren«, schreibt Inline, gehöre man »zu den drei größten Kurierdienstleistern in der Hauptstadt mit Tendenz zur Marktführerschaft«.

Abgesehen von den üblichen Werbeattributen »schneller, besser, zuverlässiger« führt Groß den Erfolg vor allem darauf zurück, dass »alle FahrerInnen des Kurierdienstes über ihren Verein zu einem Drittel am Unternehmen beteiligt sind«. Die übrigen zwei Drittel halten einige FahrerInnen, die sich freiwillig dazu bereit erklärt haben, sowie das Schwesterunternehmen in Hamburg. »Da die FahrerInnen an allen substanziellen wirtschaftlichen Entscheidungen wie Höhe der Fahrpreise, Anzahl der KollegInnen und Auftragsvergabesystem beteiligt sind, haben wir eine hohe Motivation und Einsatzbereitschaft«, erklärt Groß. Während in anderen Kurierunternehmen die Fluktuation bei 70 bis 90 Prozent liege, betrage sie bei Inline-Kurier nur 15 bis 20 Prozent.

Das bestreiten natürlich Konkurrenten wie Go und Messenger. Fakt ist jedoch, dass die Inline-Kuriere im Unterschied zu den anderen Diensten, bei denen nach Prozenten vom Umsatz abgerechnet wird, nur eine feste monatliche Pauschale um 500 Euro für die Infrastruktur der Funkzentrale bezahlen. »Das hängt davon ab, ob man mit dem Fahrrad, dem Motorrad oder einem Auto unterwegs ist«, betont der Vereinsvorsitzende Groß. Und deshalb »kommen nur die Profis, die Starken zu uns, die Schwachen bleiben weg«.

Überhaupt muss man ganz schön stark sein, um mit etwa 2 000 bis 3 000 Euro Umsatz im Monat als FahrerIn im Großstadtdschungel überleben zu können. Denn jeder Fahrer ist ein »selbstständiger Kurierunternehmer«, Kranken- und Rentenversicherung gehen wie bei anderen Kurierunternehmen auf eigene Rechnung, ebenso die Kosten für das Fahrrad oder das Auto. Und Rücklagen für einen Urlaub wollen auch gebildet sein. Da schmilzt schnell der in durchschnittlich 40 Wochenstunden hart erstrampelte Umsatz um mehr als die Hälfte zusammen, wie Groß zugeben muss.

So ist auch Inline-Kurier wohl nicht viel mehr als eine Menge von Ich-AGs, die sich im modernen Kapitalismus zwecks besserer eigener Vermarktung zusammengeschlossen haben. Aber das wiederum ist angesichts des vorherrschenden »Alle gegen alle« schon ganz schön viel.

christoph villinger