Opfer des Jihad

Die Niederlande und der Islamismus von ivo bozic
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Theo van Gogh posthum zum Kämpfer gegen den Islamismus zu verklären, ist zu einfach. Er war ein Freak, ein Linker, irgendwie, vor allem aber ein Provokateur. Dennoch: Eindeutig war der Mord an ihm die Rache für seinen letzten Film, der sich kritisch mit der Frauendiskriminierung in der islamischen Gesellschaft auseinandersetzte. Der Täter stammt aus islamistischen Kreisen mit Kontakten zu terroristischen Netzwerken.

In den Niederlanden sorgte die bestialische Ermordung des unbequemen Filmemachers für eine derartige Aufregung, dass es der Vorfall auf alle Titelseiten schaffte, obwohl in derselben Nacht in den USA der Präsident gewählt wurde. In Deutschland wurde das Attentat dagegen kaum zur Kenntnis genommen. Die Niederländer beginnen jäh zu verstehen, dass der internationale Jihad sich nicht nur gegen die USA und Israel richtet, sondern dass jede Gesellschaft, die den Islamismus kritisiert, sich für Meinungsfreiheit und einen freiheitlichen, kosmopolitischen Lebenswandel einsetzt, ins Blickfeld der Jihadisten geraten kann. In Deutschland und im übrigen Europa ist das Bewusstsein dafür noch recht rückständig. Wer sich nur tapfer von den USA distanziert, so die naive Meinung, den werden die Gotteskrieger schon verschonen.

In den Niederlanden hat man bisher auch so gedacht. Der 2002 von einem Umweltaktivisten ermordete Rechtspopulist Pim Fortuyn gehörte zu den wenigen offenen Kritikern des Islamismus. Er begründete seine Ablehnung nicht einmal vorrangig rassistisch, sondern eher liberal, aus der Sicht einer anderen, der schwulen Minderheit. Der Schriftsteller Leon de Winter, der wahrlich kein Rechter ist, erklärte nun, Fortuyn werde »im Ausland fälschlicherweise als Rechtsaußen beschrieben«. In Holland sehe man ihn eher als »einen radikal libertären Politiker«. Auch van Gogh, der von vielen Linken, Medienaktivisten und dem subkulturellen Underground verehrt wird, war kein Rechter, obwohl auch er Pim Fortuyn mochte, und seine Kritik am Islam war nicht rassistisch motiviert, auch wenn er gelegentlich mit rassistischen Stereotypen arbeitete (»Ziegenficker«). Die Drehbuchautorin seines letzten Films war eine ehemalige Muslimin aus Somalia, die ihre eigenen Erfahrungen mit einem autoritären Islam einbrachte und die in dem Bekennerschreiben des Mörders massiv bedroht wird.

Und doch sind Verbindungen nach rechts überall greifbar. Die somalische Drehbuchautorin ist Abgeordnete der rechtsliberalen Partei VVD, Liberale wie de Winter sympathisieren mit Pim Fortuyn, und einige Anhänger von Pim Fortuyn sind eben Nazis. Gleich nach dem Mord an van Gogh gingen die Glatzen auf die Straße. »Ausländer sind Parasiten«, skandierten sie.

Das Problem besteht auch in Deutschland: Als Antideutsche durch Kreuzberg gegen Antisemitismus in der arabischen und linken Community demonstrierten, fühlten sich Nazis ermutigt, dem nachzueifern und eine Demo gegen den Bau eines islamischen Zentrums in Kreuzberg anzumelden. Es ist bisher kaum gelungen, eine dezidierte und schonungslose Kritik an fundamental-islamischen Werten und Praktiken zu formulieren, ohne in rassistische Fahrwasser zu gelangen und sich falsche Freunde zu machen, seien es Nazis oder Schönredner der westlichen Zivilisation.

Aber wenn die Linke es nicht schafft, möglichst gemeinsam mit Migranten, einen klaren Standpunkt gegen die autoritäre Formierung innerhalb islamistischer Gesellschaften einzunehmen und stattdessen diese Kritik den Rechten überlässt, dann könnten es am Ende ausgerechnet die Rechten sein, die als Verfechter von Liberalität und Meinungsfreiheit gelten. Und das wäre verheerend.