Agenda der Patrioten

Auf ihrem Parteitag in Düsseldorf hat die CDU gezeigt, mit welchen Themen sie die Bundestagswahl im Jahr 2006 gewinnen will. von jesko bender

Das beste Indiz für den Erfolg des Parteitages der CDU und die dort weitergeführte Patriotismusdebatte sind die Reaktionen der Regierungsparteien. Die Union »verhunze« den Patriotismusbegriff, sagte Reinhard Bütikofer, der Parteivorsitzende der Grünen. Klaus Uwe Benneter, der Generalsekretär der SPD, beschrieb Gerhard Schröders Politik als »das Patriotischste, was man tun kann«, und bezeichnete Angela Merkel als »Verlegenheitspatriotin«. Und der Vorsitzende der Sozialdemokraten, Franz Müntefering, will sich »von den anderen keinen fehlenden Patriotismus vorwerfen lassen«.

Aus diesen Äußerungen kann man schließen, dass es der Union auf dem Parteitag in Düsseldorf seit langer Zeit wieder einmal gelungen ist, eigenständige politische Grundsätze zu formulieren, die die Regierungsparteien in Bedrängnis bringen. Erst im Frühjahr war der Versuch gescheitert, sich die antiamerikanische Haltung der Bundesregierung anzueignen und so wieder den Anschluss an populistische Diskurse zu finden. (Jungle World, 22/04)

Nachdem sich die CDU und die CSU fast ein Jahr lang um die Gesundheitsprämie gestritten hatten, entdeckten beide Parteien in der vergangenen Woche ihren Willen zu Einheit und Geschlossenheit wieder. Daran ändert auch das mit 88 Prozent relativ schwache Ergebnis Angela Merkels bei ihrer Wiederwahl zur Parteivorsitzenden nichts.

Die Einigkeit des Parteitages ist sowohl strategisch als auch inhaltlich zu verstehen. Merkel fasste das Vorgehen in die Formel: »Attacke auf die anderen, Feuer einstellen auf uns selbst – das muss die Devise sein für die nächsten Monate.« Auch der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) betonte, auf dem Parteitag »eine gemeinsame Führung gewählt« zu haben. Es gebe »keinen weiteren Bedarf an psycho-dynamischen Debatten durch Journalisten« mehr. Das Ziel sei, die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen im kommenden Jahr zu gewinnen, um dann bestens motiviert in den Bundestagswahlkampf zu ziehen.

Doch wesentlich aufschlussreicher als grundsätzliche Kampfansagen und Einheitsbekundungen, wie sie auf nahezu jedem Parteitag geäußert werden, sind die politischen Beschlüsse des Parteitages. Sie lassen sich unter dem neuen Leitbegriff des »aufgeklärten Patriotismus« zusammenfassen, der offenbar die Begleitmusik zu den anstehenden Reformen darstellen soll. Zwar gibt die Union vor, eine Debatte jenseits des »dumpfen Nationalismus« zu führen, wie es Stoiber (CSU) in Düsseldorf ausdrückte. Ein Unterschied zwischen beiden Phrasen ist allerdings nicht festzustellen. Denn der »aufgeklärte Patriotismus« solle sich zur »Schicksals- und Verantwortungsgemeinschaft des deutschen Volkes« samt den »zwölf dunkelsten Jahren der NS-Zeit« und den »40 Jahren Kommunismus östlich der Elbe« bekennen, sagte der bayrische Ministerpräsident weiter.

Die CDU hat mit den Beschlüssen ihres Parteitags deutlich gemacht, dass sich Nationalismus und Reformeifer gegenseitig ergänzen sollen. »Sich zu Deutschland bekennen zu dürfen und Veränderungen zum Guten – das sind zwei Seiten ein und derselben Medaille«, sagte Merkel. Der Patriotismus mache »unser Land krisenfest, die Menschen selbstbewusster«.

Innerhalb von zehn Jahren will die CDU mit ihrem Programm unter dem Titel »Wachstum – Arbeit – Wohlstand« Deutschland »wieder an die Spitze bringen«. Dazu gehören sowohl eine rigide Einschränkung des Kündigungsschutzes als auch die Möglichkeit, auf betrieblicher Ebene »Bündnisse für Arbeit« zu schaffen, also Tarifverträge zu umgehen. Im Niedriglohnsektor solle der Staat künftig die Löhne subventionieren.

Aber auch der Kompromiss zur Reform der Krankenversicherung, die die CDU und die CSU lange entzweite, soll den Weg aus der Krise bahnen. Er sieht eine »Abkopplung der Gesundheitskosten von den Lohnkosten« vor. Die Gesundheitsprämie soll 169 Euro im Monat betragen, wobei die Versicherten 109 Euro und die Unternehmen 60 Euro zahlen. Mit der Abkoppelung steige für die Arbeiterinnen und Arbeiter »der Anreiz zu Mehrarbeit«, war die Begründung.

Für die unverblümte Verquickung von nationalistischer und unsozialer Propaganda steht beispielhaft die »Initiative Kritische Solidarität mit Martin Hohmann«, die sich während des Parteitages mit halbseitigen Anzeigen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitungen zu Wort meldete. Unter der Überschrift »Wird Martin Hohmann jetzt endlich rehabilitiert?« erklärte die Initiative, warum gerade der rechte Flügel der Union wichtig für einen Sieg der Christdemokraten bei der Bundestagswahl im Jahr 2006 sei: »Explodierende Staatsverschuldung. Fünf Millionen Arbeitslose. Ghettoisierung durch anhaltende Masseneinwanderung. Demographische Katastrophe durch rasanten Geburtenrückgang. Auflösung der Familie und der christlichen Kirchen.« Das seien »Themen, bei denen eine knallharte, offensive konservative Opposition das Gebot der Stunde wäre«. Bislang sollen über 8 000 »Anhänger der Unionsparteien« den Aufruf unterschrieben haben.

So sieht die konservative Einheit aus: Angela Merkel forderte, Deutschland müsse sich auf seine durch das »christlich-jüdische Erbe und die Aufklärung« geprägte »freiheitlich demokratische Leitkultur« besinnen, während gleichzeitig die Unterstützerinnen und Unterstützer Hohmanns auf ihrer Homepage den Zentralrat der Juden in Deutschland angriffen und sich darüber empörten, dass der frühere stellvertretende Präsident des Zentralrates der Juden, Michel Friedman, im Gegensatz zu Hohmann nur »wenige Wochen nach dem Aufdecken seiner kriminellen Tat eine so genannte ›Welcome-back‹-Party feiern konnte«.

Mit dem Beschluss unter dem Titel »Im deutschen Interesse: Integration fördern und fordern, Islamismus bekämpfen« vereinigten die Delegierten des CDU-Parteitags die Integrations- und die Nationalismusdebatte. Kinder, die zum Zeitpunkt ihrer Einschulung »noch nicht über hinreichende Deutschkenntnisse verfügen, müssen vom Schulbesuch zurückgestellt werden«, heißt es in dem Beschluss. Außerdem sollen die Kinder bereits in Deutschland lebender Familien nur bis zum sechsten Lebensjahr in die Bundesrepublik ziehen können. Bislang liegt die Grenze bei 16, nach einer Richtlinie der EU soll sie zukünftig sogar bei 18 Jahren liegen. Diejenigen Migrantinnen und Migranten, die nicht an Integrationsprogrammen teilnehmen wollten, müssten mit einer Ausweisung rechnen.

Nicht beschließen wollte der Parteitag allerdings, dass Zuwanderer zukünftig bei ihrer Einreise einen Eid auf die Verfassung schwören sollen. Das Grundgesetz sei nämlich nicht die alleinige Grundlage der Leitkultur. Wie man sich die restlichen Grundlagen vorzustellen hat, verdeutlichte der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Friedbert Pflüger (CDU), in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung: »Vaterlandsliebe muss mehr sein als Verfassungspatriotismus.« Es gehe »um einen aufgeklärten Patriotismus, der über Grundgesetztreue hinaus auch die Liebe zu den Gebräuchen, Gerüchen oder Gerichten der Heimat, der Dorfgemeinschaft, des Elternhauses umfasst«.