Mitmischen in Fernost

Im Rahmen einer EU-Mission sollen Bundeswehrsoldaten in der indonesischen Region Aceh den Waffenstillstand kontrollieren. von jörg kronauer

Das war knapp! Erst wenige Tage vor den Wahlen ist es der Bundesregierung gelungen, die Zehn voll zu machen. Ohne großes Aufheben schickte sie für die »Aceh Monitoring Mission« (AMM) ein paar Bundeswehrsoldaten nach Indonesien, die dort am 15. September offiziell ihre Arbeit aufgenommen haben. In zehn Staaten sind deutsche Militärs nunmehr weltweit im Einsatz. Ein schönes Ergebnis für sieben Jahre rot-grüner Friedenspolitik.

Der Auftrag, den die deutschen Soldaten in Indonesien erfüllen sollen, ist brisant. »Unter Führung der Europäischen Union überwacht die AMM auf der Insel Sumatra den Waffenstillstand zwischen der indonesischen Regierung und der ›Bewegung für ein freies Aceh‹«, erfährt man im Verteidigungsministerium. So soll ein Jahrzehnte langer, erbittert geführter Sezessionskrieg beendet werden. Ein entsprechendes Abkommen haben die Regierung und die Rebellen am 15. August in Helsinki unterzeichnet, seine Einhaltung kontrolliert jetzt die EU.

Mit der Beobachtermission in Aceh dehnt die EU ihren militärischen Einsatzradius gewaltig aus. Mussten europäische Soldaten schon für den Einsatz im Kongo mehr als 5 000 Kilometer überbrücken, ist die Strecke jetzt gut doppelt so weit – fast jede Weltgegend, abgesehen vielleicht von Neuseeland, rückt damit in die Reichweite europäischer Militärs. Zwar sind auch mehrere südostasiatische Staaten an der AMM beteiligt, doch liegt zum ersten Mal die Leitung eines Armeeeinsatzes in Asien allein bei der EU. Und last but not least nähern sich europäische Truppen damit einem Gebiet, das immer mehr Außenpolitiker für die strategische Schlüsselregion des Jahrhunderts halten: Ostasien mit der aufstrebenden Weltmacht China und ihrem südostasiatischen Einflussgebiet.

Dass Deutschland sich am Kampf der Mächte in Ost- und Südostasien beteiligen soll, ist seit langem Konsens in der nach Weltgeltung strebenden deutschen Außenpolitik. US-Präsident George W. Bush hat bereits vor Jahren das »pazifische Jahrhundert« ausgerufen, deutsche Regierungsberater beobachten die amerikanische Konkurrenz mit großer Aufmerksamkeit. Die EU werde sich »allein mittels Präventivdiplomatie« in Asien nicht durchsetzen können, vermerkte die Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) im November vergangenen Jahres: Europa müsse auch »militärische Kapazitäten zur Förderung seiner sicherheitspolitischen Interessen in Fernost« mobilisieren.

Und wie lässt sich das am einfachsten durchsetzen? Man müsse sich »mit den vergessenen Konflikten« in der Region befassen, erklärte der damalige Staatsminister im Auswärtigen Amt, Ludger Volmer, als er am 25. Juni 2002 das neue Asien-Konzept seines Ministeriums vorstellte. »Nation building« wie »im Kosovo, in Bosnien« sei vorgesehen, erklärte der grüne Außenpolitiker unter Zustimmung der SWP. Die EU solle sich »bei Konfliktprävention und -bewältigung als ernstzunehmender sicherheitspolitischer Akteur in Fernost profilieren«, forderte der Think Tank Ende 2004: »An Konfliktherden herrscht in der Region kein Mangel.«

Eine einmalige Chance zur Einmischung in Südostasien ergab sich durch die Tsunami-Flutwelle im Dezember 2004. Besonders stark getroffen wurde das indonesische Aceh, die Schäden waren ohne internationale Unterstützung überhaupt nicht in den Griff zu bekommen. Die Regierung Indonesiens musste das Konfliktgebiet für Hilfsmaßnahmen aus westlichen Staaten öffnen, und diese nutzten die Gelegenheit, um sich im rohstoffreichen und geostrategisch bedeutenden Nordwesten des Inselstaates festzusetzen.

Vor allem die Deutschen, Retter der Enterbten, grenzenlose Kämpfer für das Menschenrecht, kamen und halfen, dass es krachte. »Normalerweise empfängt man uns mit offenen Armen, doch hier muss man die Tür eintreten«, empörte sich ein Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks (THW) gegenüber Spiegel online, als er und seine Kollegen in Aceh nicht nur auf Begeisterung stießen. Gigantische Hilfszahlungen kündigte die Bundesregierung lauthals an, Außenminister Josef Fischer machte sich persönlich nach Südostasien auf, und die Bundeswehr schickte schlicht und einfach deutsche Soldaten.

Die ersten, die eintrafen, waren Militärpolizisten und ein Kamerateam des »Zentrums Operative Information«. »Einsatzkameratrupps«, erfährt man bei der Bundeswehr, führen modernste Videotechnologie mit sich und unterstützen das Verteidigungsministerium »bei der Lagefeststellung durch Beiträge aus allen Einsatzländern«. Nach den ersten Aufklärungsaktionen auf indonesischem Territorium schickte die Bundesregierung dann Soldaten des »Kommandos Schnelle Einsatzkräfte Sanitätsdienst«, eine Einheit, die auf die Begleitung von Bundeswehr-Eliteeinheiten spezialisiert ist.

Wenig hilfreich für die betroffenen Menschen war auch, dass das Einsatzführungskommando das Versorgungsschiff »Berlin« entsandte. Die »Berlin« ist das größte Schiff der deutschen Marine, ihre Hauptaufgabe besteht darin, Kampfschiffe einer Marine-Einsatzgruppe mit Nachschub zu versorgen. »Die brauchen wir nicht«, schimpfte Ronald J. Waldman, der Koordinator der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Banda Aceh, als er von der Ankunft des deutschen Kriegsschiffs erfuhr. Die Bundeswehrführung freilich erklärte seine Einwände schlicht und einfach für »nicht von Belang«.

Dass die Bundeswehr ihren Einsatz in Aceh am 18. März vorläufig einstellen musste, kann nur als kleiner Betriebsunfall gelten. Mit der »Aceh Monitoring Mission«, die am 15. September offiziell begann, sind deutsche Soldaten keine sechs Monate später wieder in Indonesien unterwegs. Zwar gehören der AMM nur wenige deutsche Militärs an, dafür treten sie aber als Kontrolleure in einem hochsensiblen politischen Prozess auf. Sie werden übrigens von zivilen deutschen Einsatzkräften begleitet, die ebenfalls auf dem Ticket der EU-Mission Zutritt nach Aceh erhalten haben.

»Rekrutierung für die EU Aceh Monitoring Mission abgeschlossen«, meldete das Berliner Zentrum für Internationale Friedenseinsätze (ZIF) am 17. August. Die Einrichtung organisiert die Entsendung nicht-militärischer deutscher Einsatzkräfte für unterschiedliche Missionen in alle Welt. Schon einen Tag später konnte man im Auswärtigen Amt erfahren, dass vom ZIF rekrutierte Zivilbeobachter bereits im Rahmen eines Vorauskommandos in Aceh eingetroffen waren. Mit der Entsendung ihres zivil-militärischen Einsatztrupps hat die Bundesregierung also keine Zeit verloren. Schließlich geht es um Einfluss in einer Schlüsselregion des anbrechenden »pazifischen Jahrhunderts«.