Ab in den Schredder damit!

Der Berliner Bankenskandal hat drei Milliarden Euro Schaden angerichtet, behauptet der Bericht des Untersuchungsausschusses. Eine EU-Kommission spricht von zehn Milliarden. von markus ströhlein

Berlin ist eine Stadt der Superlative. Das behauptet die Tourismusbranche. Tatsächlich hat die Hauptstadt Deutschlands sogar Rekorde zu bieten, die in keinem Reiseführer stehen. So gibt der Abschlussbericht zur Berliner Bankenaffäre, den der Untersuchungsausschuss des Ab­geordnetenhauses vor kurzem veröffentlicht hat, Auskunft über den größten Bankenskandal in der Geschichte der Bundesrepublik. Und die Arbeit dieses Ausschusses war die aufwändigste in der Geschichte des Berliner Parlaments.

Auf ungefähr 900 Seiten beschreibt der Bericht die Affäre um die Berliner Bankgesellschaft. Der mehrheitlich landeseigene Konzern war 1994 gegründet worden. Äußerst großzügig und in hoher Zahl vergab die Gesellschaft Immobilienkredite, auch noch zu einer Zeit, als auf dem Immobilienmarkt längst nicht mehr viel zu holen war. Das trieb den Konzern im Jahr 2001 beinahe in die Pleite. Haften musste das Land Berlin – das heißt, seine Bürger.

Wie hoch der Gesamtschaden ist, lässt sich dem Bericht zufolge nicht genau feststellen. Von ungefähr drei Milliarden Euro ist die Rede. Eine Kommission der EU hat die Summe auf zehn Milliarden Euro geschätzt. Die Initiative Berliner Banken­skandal spricht in einer Presseerklärung von 15 Milliarden Euro.

Auf der Internetseite des Abgeordnetenhauses steht mittlerweile: »Damit ist die Tätigkeit des Untersuchungsausschusses abgeschlossen.« Mit der Arbeit der Kommission auch die ganze Angelegenheit als beendet zu betrachten, ist durchaus im Sinn der CDU und der SPD. Schließlich führte die Affäre im Jahr 2001 zum Ende der großen Koalition. Und vor den Wahlen im Herbst möchte man keinesfalls schlechte Erinnerungen wecken.

Die ehemaligen Manager der Bankgesell­schaft, Klaus Landowsky und Wolfgang Rupf, hat man in den Ruhestand geschickt. Dank erklecklicher Pensionen dürfte ihnen das Schweigen nicht allzu schwer fallen. Ditmar Staffelt, der damalige Fraktionsvorsitzende der Berliner SPD, hat es im Jahr 2005 in den Bundestag geschafft. Der ehemalige Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) konnte sich zwar nicht in den Bundestag absetzen, ist aber als Ehrenvorsitzender der Berliner CDU recht gut aufgehoben.

Auch die Linkspartei bleibt ruhig. Sie will ihren derzeitigen Koalitionspartner nicht verärgern, zumal man auch nach den Wahlen zusammen mit der SPD regieren möchte. »Wir werden eine Broschüre herausgeben und die eine oder andere Veranstaltung zu dem Thema durchführen«, sagt Frederik Over, der als Schriftführer für die Linkspartei im Untersuchungsausschuss saß. »Wir waren aber durchaus enttäuscht von der geringen öffentlichen Resonanz«, fügt er hinzu.

Allein die Initiative Berliner Bankenskandal hat eine Erklärung veröffentlicht, in der sie die Hauptbelasteten auffordert, von ihren Ämtern zurückzutreten und ihre Bundesverdienstkreuze, so sie denn verliehen wurden, zurückzugeben. Zudem solle eine Kommission eingesetzt werden, um die Folgeprobleme des Bankenskandals zu untersuchen. Außerdem müsse der finanzielle Schaden genau berechnet werden.

Doch auch die Aufmerksamkeit der Initiative wird derzeit von einem anderen Skandal in Beschlag genommen. Der Berliner Verfassungsschutz hatte V-Männer auf autonome Gruppen im Sozialforum der Stadt angesetzt. Die Spitzel waren äußerst fleißig und sammelten auch Informationen über Peter Grottian, Professor an der FU Berlin und Mitglied der Initiative Berliner Bankenskandal und des Berliner Sozialforums. Vier V-Leute habe er bereits enttarnt, sagte Grottian in der vergangenen Woche. Er wolle weitere Einsicht in die Protokolle des Ver­fassungsschutzes nehmen. Da muss er sich beeilen. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hat bereits angeordnet, überflüssiges Datenmaterial zu vernichten.