Vom Hindukusch nach Den Haag

Deutsche Tornados in Afghanistan von jörg kronauer

»Aufklärung ist nicht Kampfeinsatz«, dozierte Verteidigungsminister Franz-Josef Jung (CDU) nach der Entscheidung des Bundeskabinetts, sechs Tornados vom Typ »Recce« ab Mitte April im nordafghanischen Mazar-i-Sharif zu stationieren. Weitere 500 Soldaten werden an den Hindukusch geschickt und weitere 35 Millionen Euro ausgegeben, aber nicht um Krieg zu führen, sondern – ja, wozu eigentlich? Um eine »Verfeinerung und Verbesserung des Lagebildes« zu ermöglichen, sagte der Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schnei­derhan, und meinte damit gewiss ausschließlich die Überwachung von Schafherden und das Aufspüren von Schlaglöchern auf Landstraßen. Nur Miesmacher könnten verleumderisch behaupten, dass Lagebilder aus Kriegs­gebieten für Kampfhandlungen genutzt werden.

Wenn der Bundestag im März der Stationierung der Tornados zustimmen wird, dürfte es so viele Gegenstimmen aus den Regierungsfraktionen geben wie bei keiner Entscheidung zu Afghanistan vorher. Die Stimmung beginnt, sich zu ändern, denn die Lage in dem zentralasiatischen Land wird immer prekärer. Die Ablehnung der westlichen Truppen wächst in der afghanischen Bevölkerung, die kriegerischen Auseinandersetzungen nehmen zu. Immer häufiger ist die Bundeswehr in Kämpfe verwickelt. Bereits jetzt werden »Fernmeldespezialisten« im Süden des Landes eingesetzt, wo die Lage militärisch eskaliert. Die Aufklärungstornados werden in Zukunft Zieldaten für Angriffe der verbündeten Truppen liefern und damit die deutsche Kriegs­tätigkeit verstärken. Das führt zu allerlei unerfreulichen Perspektiven.

Vom Unmut unter den deutschen Soldaten berichtete Willy Wimmer (CDU), Mitglied des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags. So habe ein General der Bundeswehr sich kürzlich entsetzt über die »Operation Medusa« geäußert, bei der in Afghanistan Hunderte von Menschen starben, darunter viele Zivilisten. Die Empörung über das Gemetzel, das die Nato-Truppen anrichteten, kommt nicht von ungefähr. Wimmer hat das am Beispiel der Aufklärungstornados erläutert. »Die US-Truppen gehen unterschiedslos gegen die Zivilbevölkerung vor«, sagte er der taz, »weil sie nicht unterscheiden können, ob es sich bei dem Kämpfer um einen Taliban handelt oder einen Stammesangehörigen, der traditionsgemäß mit seiner Kalaschnikow herumläuft.« Diese Art der Kriegführung aber sei »ein eklatanter Verstoß gegen das Kriegsvölkerrecht«.

Auch Piloten, die derlei illegale Kriegshandlungen mit Zieldaten unterstützen, befinden sich nach Wimmers Ansicht »auf dem direkten Flug nach Den Haag«. Dort hat der Internationale Strafgerichtshof seinen Sitz, bei dem Verstöße gegen das Völkerrecht angezeigt werden können. Wimmer, zu Kohls Zeiten Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium, kennt die Rechtslage. Die möglichen Folgen sind auch den involvierten Soldaten bekannt.

Dass ausgerechnet jemand wie Wimmer vor dem Tornado-Einsatz warnt, hat freilich noch einen weiteren Grund. Die Perspektive, die man hat, wenn man die Kämpfe verschärfen will, ist kürzlich in der Zeit prägnant beschrieben worden. Man müsse sich, hieß es dort, »von der Vorstellung verabschieden, man könne das ›Problem‹ Afghanistan lösen«. Man habe stattdessen auf Dauer »mit einem Konflikt zu leben, der nicht endgültig zu befrieden ist. Nato-Soldaten werden also weiter sterben.« Wer einen Rückzug immer noch ablehnt, plädiert damit für permanenten Krieg.