Kapital total

Siemens-Affäre

Die Strategien des deutschen Kapitals werden immer raffinierter. Neuerdings steht offenbar die Unterwanderung der Arbeiterorganisationen auf dem Plan.

Die Siemens AG zum Beispiel soll sich nach Darstellung des Spiegel über die Jahre hinweg eine dem Management freundlich gesonnene gelbe Gewerkschaft herangezogen haben, um den Einfluss der IG Metall zu schwächen. Am Mittwoch der vergangenen Woche durchsuchten Staatsanwälte Standorte des Unternehmens in Erlangen, München und Nürnberg. Es ging um dubiose Zahlungen und Verträge zwischen dem Konzern und Firmen, die dem Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger (AUB), Wilhelm Schelsky, gehören. Dieser wurde verschiedenen Berichten zufolge verhaftet.

Er war früher Manager bei Siemens und führt die AUB seit dem Jahr 1986. Diese Organisation, die 30 000 Mitglieder haben soll, darunter 19 000 Betriebsräte, wirbt damit, dass sie »ideologiegeprägte Grabenkämpfe« ablehne und eine »konstruktive Auseinandersetzung« mit den Unternehmern suche. Schelsky, der für die AUB im Aufsichtsrat von Siemens sitzt, soll dort mehrfach mit der Konzernleitung abgestimmt haben.

Womöglich zu seinem Nutzen. Denn mit verschiedenen Firmen erbringt er dem Spiegel zufolge seit längerem Dienstleistungen für Siemens; beispielweise übernimmt er Bewachungsaufgaben. Die Ermittler überprüfen, ob Schelskys Firmen bestimmte Aufträge überhaupt ausgeführt haben. Es geht um 14 Millionen Euro, für die Schelsky möglicherweise keine Gegenleistung erbracht hat, sodass sich die Frage stellt: Warum wurde ihm das Geld überwiesen?

Dass sich das Kapital die Gunst von Betriebsräten und Gewerkschaftern gerne mal erkauft, wurde bereits im Korruptionsktionsskandal bei Volkswagen offenkundig. Rund zwei Millionen Euro soll der ehemalige Betriebsratsvorsitzende des Konzerns, Klaus Volkert, für seine Gutwilligkeit erhalten haben. Eleganter lassen sich die Widersprüche zwischen Kapital und Arbeit wohl kaum verwischen. So erklärt es sich vielleicht auch, warum es in Deutschland für viele Unternehmer wie geschmiert läuft.

Wer aber sagt’s den übereifrigen Staatsanwälten? Vielleicht sollte man auch ihnen etwas überweisen, bevor sie noch den Aufschwung gefährden.

stefan wirner