»Punks mit Hunden sind ein deutsches Ding!«

J. Mascis

Dinosaur Jr. ist zurück. Zwar war die Band niemals ganz verschwunden, doch zum ersten Mal seit 1988 hat sie sich in Originalbesetzung zusammengefunden, um das im Mai erscheinende Album »Beyond« zu produzieren.

Mit seiner exzentrischen Mischung aus Punk, Heavy Metal, Noise und schönen Melodien ist der Bandgründer Joseph Donald Mascis Jr. seit 20 Jahren einer der einflussreichsten Independentmusiker der USA.

Doch hat er nicht nur die Musik des Grunge entscheidend geprägt, sondern ist auch das Idol aller Slacker. Während die Musiker aus Nirvana­zeiten ihre langen Haare längst wieder abgeschnitten haben, trägt J. Mascis seine mittlerweile ergrauten Haare noch immer schulterlang. Mit ihm sprachen Hannes Niepold und Tim Kegler.

Deine Musikerkarriere begann als Schlagzeuger. Erst kurz vor der ersten Platte mit Dinosaur Jr. hast du zur Gitarre gegriffen. Ist diese späte Entdeckung der Grund für deinen sehr speziellen Sound?

In Indien wird dir zuerst gezeigt, wie man das traditionelle Schlaginstrument, die Tabla, spielt, bevor du dich anderen Instrumenten widmest. Die Tabla ist sehr expressiv, man lernt durch sie eine Menge über Dynamik.

Ich selbst hatte eine klassische Ausbildung am Schlagzeug und habe sogar in einem Orchester gespielt. Als wir Dinosaur Jr. wurden, gab es keinen Gitarristen, den wir mochten, also habe ich das übernommen. Ich habe dann Murph gezeigt, wie man die Drumparts spielt. Als wir noch Deep Wound waren, machten wir Hardcore. Und als wir mit Dinosaur Jr. anfingen, hasste uns die Hardcore-Szene in Boston und New York. Die war gegenüber einer musikalischen Weiterentwicklung nicht gerade aufgeschlossen.

Trotzdem wurde Dinosaur Jr. eine erfolgreiche Band.

Als ich die erste Gitarre kaufte, war ich 17 oder 18. Ein Freund hatte eine Plattenfirma, wo wir unsere Platte aufnahmen. Das war unser Demotape, mit dem wir uns um Auftritte bemühten. Nachdem wir ein paar Wochen mit Sonic Youth gespielt hatten, schafften wir den Durchbruch.

Kurz darauf kam der Grunge-Hype, und plötzlich klangen viele Bands wie Dinosaur Jr. War es eine bewusste Entscheidung, in dieser Szene nicht so mitzumischen?

Wir kamen eben nicht aus Seattle. Allerdings haben wir auf der »Bug«-Tour dort gespielt, und all diese Leute von all diesen Bands waren da. Ich glaube, in dieser Zeit waren wir in Seattle ein großes Ding.

Wunderst du dich manchmal, dass es euch oder Sonic Youth immer noch gibt und die Leute euch immer noch hören wollen?

Es gibt so viele Bands, die so schlecht sind, dass es relativ leicht ist herauszuragen. Aber Sonic Youth ist wirklich beeindruckend. Ihr Sänger Thurston Moore lebt in meiner Stadt, in Amherst / Massachusetts, und dort gibt es eine große Szene für Noise- und Experimentalmusik. Die Leute spielen zusammen, ganz spontan und ohne Proben.

Aus deinen bisherigen Erzählungen hatte ich eher den Eindruck gewonnen, dass Amherst eine recht langweilige Stadt ist, in der wenig passiert.

Ja, da hat sich was entwickelt. Ich würde sagen, Thurston ist schuld. Bei dem All-Tomorrows-Parties-Festival vor ein paar Monaten hat er die Bands ausgesucht, und es war so, als sei meine gesamte Heimatstadt nach England verpflanzt worden.

Bringt es für Künstler Vorteile mit sich, in einer langweiligen Kleinstadt aufzuwachsen?

Ja. Denn wenn es nichts anderes zu tun gibt, hilft das dabei, etwas Eigenes zu probieren. Amherst ist eine Collegestadt, und Collegestädte sind in Amerika meistens ganz in Ordnung; zumindest ist das nicht das dumme George-Bush-Amerika.

Welche Bands sind für dich heute interessant?

Viel Experimental-Noise und viele Sachen, die ich gerade wieder entdeckt habe, wie Negative Approach, die liebte ich schon, als ich 15 war.

Deine Songs klingen, als würdest du dich auch von Folkmusik inspirieren lassen.

Oh ja, auch wenn ich da nicht wirklich ein Experte bin. Zurzeit höre ich oft und gerne Bridget St. John. Ich glaube, sie war die erste auf John Peels Label. Auch die Indierock-Harfespielerin Joanna Newsom finde ich großartig. Wahrscheinlich ist sie die einzige in diesem Genre, so etwas gibt es nämlich sehr selten.

Ich brauchte einmal für eine Aufnahme einen Geiger, und es war verdammt schwer, jemanden zu finden. Diese Leute mit klassischer Ausbildung können einfach nichts mit Rockmusik anfangen. Es sei denn, es steht alles Note für Note vor ihnen. Ich habe es schließlich mit alten Woodstock-Musikern gemacht. Das ging.

In Deutschland gibt es eine bestimmte Szene, Punks mit Hunden, die mittelalterlichen Geigenpunk spielen und hören.

Ja, Punks mit Hunden. Das ist definitiv ein deutsches Ding! Ich hab in Berlin einen Punk mit einem Bernhardiner gesehen, der riesengroß war! Wow, das fand ich cool! Und er war auch noch sehr gut erzogen, dieser Bernhardiner.

Derzeit produziert ein Berliner Regisseur einen Film über dich. Bisher warst du eher dafür bekannt, Filme und Interviews zu meiden.

Das stimmt. Aber in diesem Fall kenne ich die Leute, die das machen, insofern geht das. Der Regisseur Philipp Virus ist mein Schwager.

Was hast du gegen Interviews?

Ach, ich weiß nicht. Die Leute fragen alle das Gleiche. Ich hasse Artikel über mich, ich rege mich über jeden einzelnen furchtbar auf, weil ich immer etwas finde, das mich ärgert. Und durch die Wissensverkettung durch das Internet sind die Interviews noch bizarrer und redundanter geworden.

Vor kurzem hat mich jemand interviewt, der kein Fan war und sich über mich im Internet informiert hatte. Seine Perspektive war seltsam. Er meinte zu mir: »Oh, deine Brille sieht ja wirklich ganz hübsch aus! Dabei dachte ich, du seist dafür bekannt, nur blöde Brillen zu tragen. Aber diese hier sieht doch ganz gut aus!«

Dafür, dass du die Öffentlichkeit eher scheust, erlaubt die Homepage von Dinosaur Jr. aber ziemlich intime Diskussionen über dein Privatleben. Es gibt Foren auf eurer Seite, wo über alles, was du tust, geredet werden darf.

Ich lese das nie. Und ich mache auch selbst nichts im Internet. Ich habe damit nichts zu tun. Aber ich mag es trotzdem.

Es hat mich sehr überrascht, dass die Pixies keine eigene Homepage haben. Ich meine, jeder hat doch eine oder ist auf Myspace. Ich kenne eine Menge Leute, die süchtig danach sind. Anstatt ganz normale E-Mails an Freunde zu schreiben, versuchen sie, auf den Myspace-Seiten neue Bekannte zu finden, und nehmen dort rege an dem Wettbewerb teil, der da lautet: »Wie viele Freunde hast du?« Und wenn jemand 10 000 Freunde hat, kriegt er einen Vertrag bei einem Majorlabel!

Kürzlich wurden deine Instrumente gestohlen. Hast du sie wieder bekommen?

Nein. Ich vermisse meine Gitarren immer noch. Manchmal höre ich einen alten Song und wünsche mir dann diese bestimmte Gitarre wieder zurück. Vielleicht tauchen sie ja eines Tages wieder auf. Sie sind eigentlich einfach zu identifizieren. Wenn sie einmal in einem Laden auftauchen, rufen die mich vielleicht an. Im Übrigen weiß ich, wer die Sachen gestohlen hat.

Warum holst du sie dir dann nicht einfach zurück?

Das sind Gangster. Die kannst du nicht einfach fragen: »Kann ich meine Gitarre zurückhaben?« Die würden antworten: »Nein. Verpiss dich oder ich erschieß dich.«