Ein bunter Flickenteppich

Das Vorgehen der EU im ehemaligen Jugoslawien stärkt die Rechte der Minderheiten und begünstigt derart Sezessionsbestrebungen. von sonja vogel, belgrad

Die Forderung nach Sezession der wenigen verbliebenen »multiethnischen« Regionen des ehemaligen Jugoslawien ist immer öfter zu hören. So spricht etwa der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Liga der autonomen Provinz Voj­vodina, Nenad Canak, immer wieder davon, dass die Provinz »okkupiert« sei. In der verhältnismäßig reichen Vojvodina begreift sich etwa ein Viertel der Bevölkerung als nichtserbisch. Autonomieforderungen oder Restitutionsansprüche finden bei Anrainerstaaten und NGO große Unterstützung. Für die Radikalisierung der sich erst in den vergangenen Jahren organisierenden Minderheitengruppen ist so gesorgt. Offiziell sind andere Staaten jedoch nicht involviert.

Anfang April war es der deutsche Botschafter in Belgrad, Andreas Zobel, der für Aufregung sorgte. »In gröbster Art und Weise« habe er sich »in die inneren Angelegenheiten Serbiens eingemischt«, hieß es in einem Protestbrief, den die serbische Regierung an das Auswärtige Amt und den Bundespräsidenten Horst Köhler schickte. Zobel hatte in einem eher informellen Gesprächskreis behauptet, die Ablehnung des UN-Vorschlags zur eingeschränkten Unabhängigkeit der serbischen Provinz Kosovo und das Beharren auf deren Verbleib in Serbien könne »neue Probleme in der Vojvodina und Südserbien« hervorrufen. Da die mit vergleichbaren Autonomierechten wie das Kosovo ausgestattete Provinz Vojvodina – in der eine große ungarische Minderheit lebt – erst seit 1918 zu Serbien gehöre, sei es denkbar, dass Ungarn im Falle von Unruhen Ansprüche anmelde.

Diese Aussage sorgte in ganz Serbien für heftige Reaktionen. Tomislav Nikolic, der Vorsitzende der Serbischen Radikalen Partei, forderte sogar die Ausweisung des Diplomaten. Die deutsche Regierung reagierte auf den Protest der serbischen Regierung kaum. Das Auswärtige Amt ließ verlauten, Zobel habe seine private Meinung geäußert. Das verwundert nicht. Es ist ein schwieriges Unterfangen, der Bundesregierung oder der EU eine unmittelbare Beteiligung an Konflikten in den serbischen Regionen mit hohem Minderheitenanteil nachzuweisen. Symptomatisch für deren Vorgehen ist der Versuch, über wirtschaftliche Hilfe aus dem Budget des Europarates politischen Einfluß in den Regionen zu erlangen.

Zwar baut der Europarat seit Anfang der neunziger Jahre, als Minderheitenrechte erstmals innerhalb der EU-Gesetzgebung definiert wurden, ein Netzwerk konsultativer Organe auf. Bis heute gibt es aber keine einheitliche Linie der europäischen Minderheitenpolitik. Den institutionellen Rahmen dieser halboffiziellen Politik stellen vor allem die EU-Programme zur Regionalisierung dar, etwa das im Jahr 2005 angelaufene und mit knapp fünf Milliarden Euro veranschlagte Interreg-Programm, mit dem das »Entstehen grenzübergreifender wirtschaftlicher und sozialer ›Pole‹« gefördert sowie die »Zusammenarbeit an der Außengrenze« professionalisiert werden soll. Die Konsequenz ist eine Dezentralisierung der Einzelstaaten und die Beschneidung ihrer Kompetenzen.

Gerade in den Kleinstaaten Südosteuropas mit unsicheren Regierungen und Grenzen gilt die Minderheitenpolitik als adäquates Instrument, um Einfluss auszuüben. Dies ist etwa am UN-Vorschlag zur »Kosovo-Frage« zu sehen, der Serbien mit dem Versprechen auf die baldige Mitgliedschaft in den EU-Assoziierungsabkommen schmackhaft gemacht werden soll.

Die Forderung nach Minderheitenrechten bedeutet nichts anderes als die geographische Parzellisierung Südosteropas. Eine Politik, die vor allem den politischen Wirren in Bürgerkriegsregionen Rechnung trägt und zum Beispiel von NGO gerne übernommen wird. Dass sich nun ausgerechnet der deutsche Botschafter so forsch geäußert hat, passt zur deutschen Vorreiterrolle bei der Durchsetzung umstrittener Regionalisierungs- und Minderheitenprojekte innerhalb der EU.