Unternehmer mit Schulranzen

Die Aktiengesellschaft Phorms will »Bildung zur Marke« machen. Sie betreibt vier Grundschulen in Deutschland und erwartet schon bald Rendite. von jana brenner

Wie es sich für ein ordentliches Unternehmen gehört, gibt es auf der Homepage der Phorms AG einen schicken kleinen Propagandafilm fürs Image. Zu sehen sind höchst motivierte Mitarbeiter und vorbildliche Chefs an freundlich eingerichteten Arbeitsplätzen. Ein engagiertes Team arbeitet für ein großartiges Produkt: Man sieht eifrige, lachende Kinder, die in modern eingerichteten Klassenzimmern um die Wette lernen, umsorgt von sich bemühenden Lehrern. Die beruhigende Stimme aus dem Off erklärt das Konzept. An den Phorms-Schulen sollen die Kinder »die wohl wichtigste Eigenschaft einer unternehmerischen Persönlichkeit erhalten: ihren Optimismus«.

Willkommen in der schönen neuen Privatschulwelt! Hier werden die Kinder nicht nur exzellent ausgebildet, hier kann man damit auch noch Geld verdienen! Der Markt, auf dem es die Ware Bildung zu kaufen gibt, ist seit kurzem um einen neuen Anbieter reicher – eine Aktiengesellschaft, also ein Unternehmen mit klarer Gewinnabsicht, als Betreiber von Schulen.

Eine Privatschule spricht Eltern an, die in die Ausbildung ihres Nachwuchses investieren wollen und können. Die letzten derer, die es noch besser haben sollten als ihre Eltern, wollen, dass ihre Kinder zu denen gehören, die den heutigen Lebensstandard halten können. Deshalb wollen sie sofort zweisprachigen Unterricht, kleine Klassen und Ganztagsbetreuung. Denn das bedeutet »Chancen« und »Zukunft« für die Kleinen.

Im Schuljahr 2006/2007 gab es nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 4 711 allgemeinbildende und berufliche Privatschulen, das waren gut 45 Prozent mehr als noch 1992/1993. Jeder 14. der gut zwölf Millionen Schüler hierzulande lernt bereits in einer privaten Einrichtung. Und nach Angaben des Bundesverbandes Deutscher Privatschulen ist die Nachfrage noch größer. Über 20 Prozent der Eltern würden ihre Kinder gerne auf Schulen in freier Trägerschaft sehen. »Aufgrund langwieriger bürokratischer Prozesse und finanzieller Hürden ist jedoch das Gründen einer Privatschule hierzulande häufig mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, so dass das Angebot der Nachfrage hinterherhinkt«, sagt Verbandschef Christian Lucas.

Die Phorms AG eröffnete innerhalb eines guten Jahres vier Grundschulen, je eine in Berlin, Frankfurt, München und Köln. In der Hauptstadt gibt es mittlerweile auch Gymnasialklassen. Die »bürokratischen Hürden« sind überwunden, es bleiben die »finanziellen Hürden«, und zwar die für die Eltern. Denn die Plätze kosten zwischen 140 und 840 Euro im Monat. Natürlich strebt die Phorms AG nach eigenen Angaben einen »gesunden sozialen Mix« von Schülern an. Davon, dass sich arme Familien die Schulgebühren schlicht nicht leisten können, will Jennifer Kamlah, Pressesprecherin des Unternehmens, nichts wissen. An allen vier »Standorten« kämen die Kinder aus den »unterschiedlichsten« sozialen Schichten. »Die Familien verzichten eben auf Konsum, um in die Bildung ihrer Kinder investieren zu können«, sagt Kamlah, »oder die Verwandten springen ein und legen zusammen«.

»Privatschulen müssen sozial gestaffelte Beiträge erheben«, sagt Marianne Demmer, stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), »weil sie sonst nicht genehmigt würden und die finanzielle Förderung vom Staat ganz vergessen können.« Dennoch finde man an Privatschulen »ganz überwiegend« Kinder aus besser verdienenden Familien.

Tatsächlich existieren Privatschulen keineswegs unabhängig von staatlichem Geld. Nach einer Frist von wenigen Jahren bekommen die Schulen Zuschüsse – oft mehr als drei Viertel der Kosten, die pro Schüler an öffentlichen Schulen anfallen. Ohne staatliche Subvention würde auch das System der Phorms AG nicht funktionieren. Die Aktiengesellschaft sammelt Geld bei Investoren, bisher mehr als sechs Millionen Euro – unter den edlen Spendern sind Manager aus großen Unternehmen wie Sony BMG. Für die Schulen werden GmbH oder gemeinnützige GmbH als Träger gegründet. Diese finanzieren sich mit dem Geld vom Staat und den Schulbeiträgen der Eltern. Die AG verkauft Dienstleistungen an die Träger und verdient damit Geld. Sie sucht die Lehrer aus, übernimmt die Verwaltung, baut Computernetzwerke auf. 40 »geeignete Standorte in Ballungszentren« sieht die Vorstandsvorsitzende Béa Beste. Und Rendite sei auch schon in Sicht für die Eigenkapitalgeber, »frühestens in fünf oder sieben Jahren«.

Das Gerede von »Nachhaltigkeit«, Wachstum und ständigem Expansionskurs ist der GEW suspekt. In ihrem ersten Report zum Thema Privatisierung heißt es: »Die Schule ist zurecht der Sektor, der am meisten dem Staat und dem Grundgesetz verpflichtet ist. Das grundgesetzliche Gebot der Neutralität und Chancengleichheit verträgt sich nicht mit Gebühren, Marktinteressen oder Kommerz.« Auch der Deutsche Lehrerverband spricht sich gegen mehr Privatschulen aus. Präsident Josef Kraus befürchtet »die Gefahr einer fortschreitenden sozialen und finanziellen Selektivität«. Wer es sich leisten kann, hält seine Sprösslinge von der potenziell kriminellen Mehrheit der Schüler fern, die Deutschland beim Pisa-Test nach Strich und Faden blamieren. »Man kann uns doch nicht den Vorwurf machen, dass wir ein anderes Publikum anziehen als staatliche Schulen«, sagt Jennifer Kamlah von der Phorms AG.

Vertreter der Wirtschaft loben die Privaten und versprechen sich viel davon für den »Bildungsstandort«. Durch mehr Schulen in freier Trägerschaft entstehe mehr Konkurrenz, die das »Bildungsgeschäft« belebe. So ist zum Beispiel das Institut der Deutschen Wirtschaft der Meinung, das Niveau erhöhe sich auch auf staatlichen Schulen, wenn sie sich durch die Abwanderung ihrer Klientel in Richtung Private bedroht fühlten. Wahrscheinlicher ist, dass die öffentlichen Schulen Probleme bekommen, wenn die Kinder der besser verdienenden Eltern ausbleiben. Weil angeblich kein Geld da ist, sind heutzutage viele Schulen auch auf das Engagement und das Geld der Eltern angewiesen. Die Erwachsenen gründen Fördervereine, organisieren die Hausaufgabenbetreuung oder streichen am Wochenende die Klassenräume, damit der Putz nicht von der Decke bröselt.

Eltern, die ihre Sprösslinge in die Schulen der Phorms AG schicken, können in Ruhe die Schulbeiträge erwirtschaften, denn die lieben Kleinen bleiben den ganzen Tag an der Schule und entwickeln in Teamarbeit »unternehmerisches Denken«. Das fängt schon vor dem ersten Schultag an, wenn die Kinder zum Aufnahmetest, dem so genannten Assessment, erscheinen müssen. Dort sollen sie in »Kleingruppen spielerische Aufgaben lösen«. Man schaue, ob die Kinder »altersgerecht entwickelt« seien, sagt Jennifer Kamlah. Und das gilt für alle: Vorschüler, Grundschüler, Gymnasiasten. Marianne Demmer nennt solche Aufnahmetests »absurd«. Nirgendwo sei festgeschrieben, was eine »altersgerechte Entwicklung« sei.

Zur Ausbildung bei Phorms gehört auch die »Schulung mit gesellschaftlichen Konventionen«, wozu »allgemeine Umgangsformen, Höflichkeit oder Kleidungs- und Tischsitten« gehören. Gepiercte Nasen oder sonstige unkonventionelle Äußerlichkeiten werde man aber trotzdem sehen, sagt Jennifer Kamlah. Um vermeintlich gesellschaftlich anstößige Kleidung muss sie sich dagegen keine Sorgen machen, denn bald gibt es Schuluniformen, designed in Berlin, produziert in China. Sie kosten übrigens für alle Eltern gleich viel und werden von der AG an die Schulen und von denen weiter an die Eltern verkauft. Was ihr Aussehen betrifft, so bewegten sich die Uniformen zwischen den Modekollektionen von »H&M und Esprit«, gab Kamlah zur Auskunft.