Biosprit gegen die Umwelt

Rauchende Landschaften

Studien im Auftrag der EU-Kommission bestätigen, dass als »Biosprit« deklarierte Treibstoffe aus Energiepflanzen nicht so schadstoffarm sind wie angenommen. Ihr Anbau bedroht außerdem Regenwälder und die Nahrungsmittelversorgung.

Ganz so schnell geht die Entwicklung wohl nicht. In der Science-Fiction-Trilogie »Zurück in die Zukunft«, deren erster Teil 1985 gedreht wurde, betreibt der zeitreisende Wissenschaftler Dr. Emmett Brown den Generator seiner Zeitmaschine, einen umgebauten Sportwagen der Marke DeLorean, zunächst mit Plutonium. Nach einem Besuch im Jahr 2015 verwendet er ein neueres Generatormodell, das einfachen Hausmüll in Energie umwandelt. Abwegig ist diese Idee keineswegs, an der Energiegewinnung aus Abfällen wird seit langem gearbeitet, und teilweise findet sie bereits Anwendung. Noch wird aber vor allem eine Art Vorstufe dieser Energiegewinnung stark gefördert, um dem modernen Mobilitätsbedürfnis nachzukommen: der sogenannte Biosprit aus Energiepflanzen.

Autos fahren neuerdings mit »Bioethanol« oder »Biodiesel«, die Lufthansa fliegt testweise mit »Biokerosin« und sogar die US-Armee hat ambitionierte »Biosprit«-Ziele. Das spart Ärger beim Verteilungskonflikt um die Reste vergammelter Dinosaurier und angeblich auch CO2-Emissionen. Je höher der Ölpreis, desto attraktiver werden Alternativen zu fossilen Kraftstoffen. Aus Sorge um »das Klima« und die »Energiesicherheit« wird stärker in den Anbau und die Verarbeitung von Energiepflanzen investiert.
Seit einigen Jahren ist deren Produktion der am stärksten wachsende Bereich des Agrarsektors. Da Agrotreibstoffe angeblich günstige »CO2-Bilanzen« vorweisen – bei der Verbrennung werde ja nur das CO2 ausgestoßen, das die Pflanzen zuvor gespeichert haben –, subventionieren viele Industrieländer, wie die USA und EU-Staaten, deren Nutzung. Nach Angaben der Internationalen Energieagentur betrugen die Subventionen für Agrotreibstoffe 2010 insgesamt 22 Milliarden Dollar, eine Steigerung von sechs Prozent gegenüber dem Vorjahr. In der EU soll der Anteil an »Bio­sprit«, der konventionellem Treibstoff beigemischt wird, bis 2020 auf zehn Prozent steigen.
Umwelt- und Menschenrechtsgruppen weisen seit langem darauf hin, dass die Nutzung von Agrotreibstoffen unter anderem Regenwälder, Feuchtgebiete und die Wasserversorgung bedroht und Nahrungspreise steigen lässt. Die Auswirkung auf die Nahrungsmittelpreise ist umstritten, tatsächlich spielt auch die Spekulation mit Agrofonds für den Preisanstieg eine bedeutende Rolle (Jungle World 11/12). Wie beispielsweise die »Tortilla-Krise« in Mexiko 2007 zeigte, die von der gestiegenen Nachfrage nach Ethanol aus Mais in den USA ausgelöst wurde, kann der oft in Konkurrenz zum Lebensmittelanbau stehende Energiepflanzenanbau dennoch Versorgungskrisen auslösen und wird dies bei einer weiteren Expansion dieses Sektors auch häufiger tun. Falls der Rohstoff derselbe ist, entscheidet meist der zu erzielende Preis über die Verwendung als Lebensmittel oder Treibstoff.

Zuletzt bestätigte eine noch unveröffentlichte Studie, die von der EU-Kommission selbst in Auftrag gegeben wurde und über deren Ergebnisse die FAZ Mitte Februar berichtete, die Befürchtungen der Kritikerinnen und Kritiker und stellt die gesamte Förderung des »Biosprits« in Frage. Derzeit müssen Agrotreibstoffe den EU-Richtlinien zufolge gegenüber den fossilen Treibstoffäquivalenten 35 Prozent an CO2-Emissionen einsparen, ab 2017 50 Prozent und ab 2018 60 Prozent. Laut der neusten Studie hat aus Zuckerrohr, Zuckerrüben, Mais und Weizen gewonnenes Ethanol zwar meist noch eine bessere CO2-Bilanz als Benzin, in Europa machen diese Alkohole aber nur 20 Prozent des Gesamtverbrauchs der Agrotreibstoffe aus, »Biodiesel« aus Pflanzenölen hingegen 80 Prozent. Und beim Diesel aus Raps, Palmöl und Soja sieht die Bilanz schlecht aus. Denn schließlich muss der ganze Prozess – vom Anbau der Pflanzen mit Düngern auf Mineralölbasis über die energie- und wasserintensive Raffinerie und Destillation der Extrakte bis hin zum Verbrennen des Treibstoffs – in die Emissionsberechnung mit einbezogen werden. Kritisch wird es insbesondere wegen der sogenannten indirekten Landnutzungsänderungen. Diese entstehen, wenn die bisher ansässige Land- oder Weidewirtschaft aufgrund des Energiepflanzenanbaus auf noch nicht landwirtschaftlich genutzte Flächen ausweicht. Sehr bedenklich wird es, wenn dafür direkt oder indirekt Regenwälder gerodet oder Feuchtgebiete trockengelegt werden, was die CO2-Emissionen enorm steigert.
Gemäß der EU-Richtlinie zu erneuerbaren Energien müssen Landnutzungsänderungen bei der Emissionsberechnung berücksichtigt werden. Die Biosprit-Lobby kritisiert die Berechnungsmodelle der Studie, allerdings waren vorherige Studien bereits zu ähnlichen Ergebnissen gekommen. Tatsächlich gibt es noch keine zufriedenstellende Methode, um die Folgen der Landnutzungsänderungen zu erfassen, aber selbst, wenn diese gering wären, reicht die bisherige weltweite Anbaufläche, sogar wenn mehr Brachflächen genutzt werden, niemals aus, um den angestrebten Bedarf an Agrotreibstoffen zu decken. Auch das in der EU geltende Verbot der Verwendung von Energiepflanzen, für deren Anbau beispielsweise Regenwald gerodet wurde, hilft in der Praxis wenig. Ein paar Beamte der brasilianischen Umweltpolizei können gegen die gut organisierten und schwer bewaffneten Handlanger des Agrobusiness im riesigen Amazonasgebiet wenig ausrichten und indonesische und malaysische Unternehmer und Politiker verzichten nicht auf Gewinne durch den Ölpalmenanbau auf geschützten Regenwaldgebieten.

An sich können einige für die Biodieselgewinnung benötigte ölhaltige Früchte, wie Jatropha oder Mamona, auf Böden gepflanzt werden, die sich häufig kaum zur Nährpflanzenproduktion eignen. Durch Brandrodung oder extensive Viehwirtschaft degradierte Flächen könnten wieder genutzt werden und der Anbau wäre ökologisch vertretbar. Trotz teilweise positiver CO2-Bilanzen einiger Agrotreibstoffe sprechen aber auch die Arbeitsbedingungen auf den Plantagen in Brasilien, Malaysia, Äthiopien und sonstigen Anbaugebieten gegen eine weitere Expansion. Die Arbeiterinnen und Arbeiter sind oft nur zu Erntezeiten und prekär beschäftigt, teilweise sogar in sklavereiähnlichen Arbeitsverhältnissen. Zudem sind sie Gesundheitsgefahren durch Agrargifte ausgesetzt. Die vorherrschende Produktionsform verdrängt kleine Familienbetriebe und verschärft eventuell bestehende Landkonflikte, da sie auf Monokulturen und Großgrundbesitz basiert. Von den Subventionen der EU und USA profitieren in erster Linie große Konzerne. Das alles gilt übrigens fast für den gesamten Agrarsektor, nicht nur für Agrotreibstoffe. Fossile Treibstoffe werden dadurch jedoch nicht attraktiver, es gibt weitehin Tankerunglücke, verseuchte Landstriche, verpestete Luft und Ölkriege.
Letztlich hilft »Biosprit« vor allem den Indus­trienationen, ihren Mobilitäts- und Konsumstandard aufrechtzuerhalten, statt diesen strukturell zu ändern. Einfach den Zuckerrohrsaft direkt zu trinken, um sich gestärkt zu Fuß, per Rad oder in der Pferdekutsche zu bewegen, wäre wohl kaum eine Lösung. Da erscheint die energetische Nutzung des Rohstoffs Abfall noch am wenigsten wie Science Fiction, den größten Effekt hat Biomasse nämlich für die Stromversorgung. Die Forschung in diesem Bereich könnte ausgebaut werden, anstatt Agrotreibstoffe mit gefährlichen Nebenwirkungen zu fördern. Leider braucht es zur »Markttauglichkeit« der Abfallenergie noch ein paar Jahre. Und selbst diese »grüne« Technologie wird ökologische und soziale Probleme nicht lösen können, solange allein die Akkumulation von Kapital ausschlaggebend für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Organisation ist.